Suhl Ans Nordkap rauf - und 30 Pfund runter

Der gebürtige Suhler Fritz Bauer bei einem Stopp in Stockholm. Seine Radtour führte ihn vom schweizerischen Bern bis ans Nordkap. Derzeit ist er auf dem Weg zurück in seien Wahlheimat, machte diese Woche einen Stopp in Suhl. Foto: privat

Um einige Erfahrungen reicher, um mehrere Kilogramm leichter: Von der schweizerischen Hauptstadt Bern bis zum Nordkap und zurück - der gebürtige Suhler Fritz Bauer ist gerade am Ende dieser (Tor)tour.

 
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Suhl -"Ich mag das langsame Reisen", sagt der 28 Jahre alte Fritz Bauer. "Das ist mit dem Rad am besten möglich und billig ist so eine Reise auch!" Geboren und aufgewachsen ist der Architekt in Suhl, nach seinem Abitur in Südthüringen ging er - wie so viele seiner Generation - weg. Die Schweiz wurde seine neue Heimat. Dass sein Vater in der Eidgenossenschaft arbeitet, spielte ihm dabei in die Hand. Heute sagt er: "Ich bin dort angekommen, es geht mir gut in der Schweiz. Ehrlich gesagt fühle ich mich Bern heute mehr verbunden als meiner früheren Heimat." Arbeit hat er gefunden und viele Freunde. "Ich bin dort halt erwachsen geworden."

Touren am Rennsteig

Rad gefahren ist der junge Mann schon in den Thüringer Bergen, als er noch hier lebte. Gerade hat er diese Erinnerungen aufgefrischt, ist über den Rennsteig und dann wieder hinunter nach Goldlauter gefahren. "Das war schon komisch: Kindheitserinnerungen halt", sagt der junge Mann, der die 30 noch zwei Jahre vor sich hat. Nach Kroatien und an die Ostsee ist er bereits geradelt, doch "das war noch zu Deutschland-Zeiten."

Nun als logische Konsequenz intensiven Trainings also die Tour ans Nordkap? - "Auf keinen Fall", lacht er. 105 Kilogramm habe er vor der Reise auf die Waage gebracht und ein halbes Jahr lang keinen Sport getrieben: "Kein Stück. Meine einzige Vorbereitung war, mir ein ordentliches Rad zu kaufen und mit ein paar Leuten zu reden, die schon mal mit dem Fahrrad bis Shanghai gefahren sind." Mit Gepäck bringt es sein Velo - diesen schweizerischen Begriff verwendet er übrigens nicht - immerhin auf rund einen Zentner Gewicht. Und diese 50 Kilogramm plus Fahrer wollen erst einmal bewegt werden.

Allein ist er vor drei Monaten in Bern gestartet, über Regensburg, Prag und Warschau fuhr er immer weiter hinauf in den Norden Europas. Der Kumpel, mit dem er die Europatour unternehmen wollte, hatte einen neuen Job gefunden und musste kurzfristig abspringen. Und auch Fritz' Freundin war offenbar nicht von dem Vorhaben zu überzeugen, kreuz und quer durch den Kontinent zu strampeln. Das Ziel Nordkap war gar nicht geplant. "In Tallin haben dann aber alle vom Nordkap geschwärmt und gesagt, da muss man gewesen sein." Später trifft er auf Felix, einen jungen Radfahrer aus Köln. Dessen Ziel: Nordkap. Die Chemie zwischen den Beiden stimmt vom ersten Moment an. Also treten sie gemeinsam dorthin.

Mit der Fähre geht es hinüber nach Helsinki, dann über die Wintersportstadt (und Suhls Partnergemeinde) Lahti an die finnische Westküste. Gen Norden weiter über "wunderschöne Strecken" teils durch Schweden bis ans Nordkap.

Welcher Abschnitt der schwierigste war? Das kann Fritz gar nicht so genau sagen. "Wirklich nervig war jedenfalls der Tunnel auf den letzten Kilometern zum Nordkap. Der führte zwar 230 Meter unter dem Meer hindurch, war aber laut und stickig", sagt er. Viele und viel zu schnelle Autos und Busse pfiffen an den Radfahrern vorbei. Danach ein Sturm, der an Kraft und Nerven zehrte: "Sogar Motorräder hat der von der Straße geweht!"

Innerer Schweinehund

Aufzugeben, das stand nie zur Debatte. Dabei ist der 28-Jährige keiner von denen, die krampfhaft und verbohrt einem Ziel nacheifern, die Welt um sich herum vergessen und als Helden sterben wollen. "Notfalls hätte ich einfach den nächsten Zug oder einen Bus genommen", gibt er sich pragmatisch. "Du weißt nie, wie es dir körperlich geht und ob das Fahrrad auch durchhält. Am schlimmsten aber ist der innere Schweinehund. Und der wird bei so einer Tour nicht kleiner."

In Schweden ist er mit seinem Begleiter einem falschen Rat aufgesessen. "Ein Typ hat uns eine Strecke empfohlen, die sich schließlich als Autobahn herausstellte", erinnert er sich an einen Tiefschlag. Ja, was ein Motivationsloch ist, das weiß er. Was dann geholfen habe, seien vor allem lange Telefonate mit seiner Freundin gewesen. Einsam habe er sich auch sonst nie gefühlt. "Beim Radfahren lernst du so viele Leute kennen, erfährst so interessante und tolle Geschichten, das ist einfach unglaublich."

Interessante Weggefährten

Zum Beispiel ist da die junge Frau, mit der Fritz einige Tage lang den Weg teilte: "Sie kam aus Paris und ist bis Tallin mit dem Rad gefahren. Jetzt ist sie schon in Peking. Über Sankt Petersburg fuhr sie mit der Bahn weiter nach Moskau, nahm dort die Transsibirische Eisenbahn bis in die chinesische Hauptstadt. Mit Bus und Fähre geht es für sie weiter nach Bali. Von dort will sie mit einem Schiff nach Australien und schließlich mit dem Flugzeug weiter nach Südafrika. Als ob das noch nicht genug wäre: Von Südafrika fliegt sie dann nach Patagonien, um fast vom Kap Horn aus mit dem Motorrad hinauf bis nach Montreal in Kanada zu fahren - Wahnsinn. Und das mit gerade mal 24 Jahren."

Aber noch mehr beeindruckte ihn ein älterer Herr, den er an der Donau kennenlernte: "Er kam aus Amerika und war stolze 81 Jahre alt. Gereist ist er mit einem Koffer, in dem er abends sein Klapprad verstaute und den er tagsüber als Anhänger hinterm Fahrrad hatte." Die Tour des Seniors ging entlang der Donau, mit Budapest als Ziel. "Es imponierte mir, dass man das auch in so einem Alter noch machen kann."

In diesen Tagen ist Fritz noch immer unterwegs. Gerade radelt er durch Baden-Württemberg, entlang am Rhein, durch Frankreich zurück in seine Schweizer Wahlheimat.

30 Pfund Gewicht hat er in den zurückliegenden Wochen verloren. Was bleibt am Ende von so einer Tour, nach der er weit mehr als 8000 Kilometer Europa in den Beinen und neue Erfahrungen im Kopf hat? - "Es hat riesigen Spaß gemacht. Alles. Land und Leute. Und das Experiment dick-dünn war ein schöner Nebeneffekt. Ich habe regelrecht zusehen können, wie die Pfunde gepurzelt sind."

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