2012 erkrankt Kerstin Albrecht an Krebs, ein sogenanntes Synovialsarkom hat sich in der rechten Kniekehle gebildet, ein seltener Weichgewebstumor mit ungünstiger Prognose und einer geringen Überlebenschance. Es folgen eine Operation, Chemotherapien und Bestrahlungen. "Ein harter Weg", so beschreibt es die heute 55-Jährige. Mehr als zuvor beschäftigt sie das Geheimnis, das sie schon lange mit sich herumträgt. Und dann kündigt sich das erste Enkelkind an. Es ist der Punkt, an dem Kerstin Albrecht entscheidet, dass sie ihrem Sohn zuliebe dieses Geheimnis lüften muss.
In der Geburtsurkunde von Christopher aus DDR-Zeiten ist kein leiblicher Vater eingetragen. Für die Geburt des eigenen Sohnes Vince ist das Dokument notwendig. Unmengen an Tränen fließen, als die Wahrheit endlich raus ist. "Es ist nicht schön, so lange mit einer Lüge rumzulaufen." Ein paar Tage herrscht Funkstille zwischen Mutter und Sohn. Dann meldet sich Christopher wieder. "Wenn er in den Spiegel schaut, möchte er wissen, wo er herkommt", sagt Kerstin Albrecht. Ein nachvollziehbarer Wunsch in ihren Augen. "Er hat ein Recht zu wissen, woher er stammt." Versuche, irgendetwas über den "Erzeuger" aus Sonneberg herauszufinden scheitern. Ohne Namen gleicht es der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Eine Vermissten- beziehungsweise Verwandtensuche im Fernsehen kommt für Albrechts nicht in Frage und so wenden sie sich an Freies Wort . Kerstin Albrecht schaltet eine Anzeige mit dem Anfangssatz: "Hallo ich suche Dich!"
"Ich erhoffe mir, dass etwas dabei herauskommt und sich die beiden kennen lernen können." Sie wolle keinerlei Forderungen stellen, das Thema Unterhalt sei sowieso verjährt. Doch weshalb sollte sich nach so langer Zeit ein möglicher Kindsvater melden. Noch zudem einer, der bisher gar nichts von seinem Glück wusste, weit weg wohnt und gar keinen Kontakt hat? Kerstin Albrecht geht es dabei nicht um sich. Im Gegenteil. Sie denkt an die Zeit, in der sie nicht mehr da sein kann.
Denn der Krebs kommt 2015 mit geballter Kraft zurück. Metastasen haben sich in der Lunge gebildet. In Hamburg wird sie operiert. An eine Tätigkeit als Kindergärtnerin - 33 Jahre arbeitete sie in diesem Beruf - ist nicht mehr zu denken. Mittlerweile ist die Frau EU-Rentnerin. Sie komme ganz gut über die Runden, auch gesundheitlich.
Die Medikamente machen das Leid halbwegs erträglich. Das Bein will nicht mehr so, wie es vor dem Tumor war. Vierteljährlich muss sie nun zum großen Check. Blutbild, MRT, CT - das volle Programm. Dann heißt es wieder warten auf die Ergebnisse. Hoffen darauf, dass nicht wieder eine schlechte Nachricht kommt. "Die Tage zwischendrin sind immer eine schlimme Zeit."
Ein 200-Prozent-Mann
Kraft und Halt geben ihr in diesen Phasen ihre "Männer". Ihr Ehemann Manfred, der treu an ihrer Seite steht. Ihr Sohn Christopher, der nebenan auf dem Dorf bei Hagenow ein Haus gebaut hat und als Industriemeister beim Back-Zutaten-Spezialist Dr. Oetker eine Abteilung mit 70 Leuten leitet. "Der kann zupacken, ist selbstbewusst und gibt bei allem 200 Prozent", beschreibt ihn die Mutter. Braune Augen wie sein leiblicher Vater hat er außerdem.
Und last but not least ist da noch ihr vierjähriger Enkelsohn Vince, der ihr große Freude bereitet. "Erst dieser Tage hat er mir das Internet erklärt", lacht Kerstin Albrecht. Sie klingt befreit, auch wenn sie nicht sicher ist, ob sich auf die Anzeige und den Beitrag in der Zeitung überhaupt jemand meldet. Trotzdem - sie hat es wenigstens versucht. Ihrem Sohn zuliebe.
Wer Kontakt zu Kerstin Albrecht aufnehmen möchte oder mehr weiß zu diesem Sonneberger, der im September 1983 bei der NVA in Hagenow in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne stationiert war, der meldet sich bitte bei Freies Wort, Bahnhofstraße 60, 96515 Sonneberg beziehungsweise per E-Mail unter lokal.sonneberg@freies-wort.de oder telefonisch (0 36 75) 89 38 80. Selbstverständlich sichern wir auf Wunsch Vertraulichkeit zu.