Sonneberg - Auf den ersten Blick scheint "Das Lämmchen und der Wolf" eine putzige Kindergeschichte zu sein. Aber nur auf den ersten Blick, denn wer die Geschichte liest und sich mit der Autorin Ofelia Abrahamian unterhält, merkt sehr schnell, dass dies eigentlich ihre Lebensgeschichte in Märchenform ist - ein autobiografisches Märchen also.

Dass die junge Frau einmal ein Buch schreibt, daran hätte sie nie im Traum gedacht. "Das ist eigentlich eine Idee meiner Tochter gewesen", sagt sie. Sweta und ihr Bruder Georgi waren fasziniert von den Geschichten, die ihnen ihre Mutter Ofelia Abrahamian erzählte. "Das war 1990/91, als wir nach Deutschland gekommen waren und ich kein Deutsch sprach", erinnert sich Mutter Ofelia. Die Kinder waren noch klein und so erzählte sie ihnen von ihrer Kindheit, ihrem Leben in Georgien. Menschen kamen in ihren Geschichten nicht vor. "Ich habe je nachdem welche Eigenschaft zutraf, ein Tier gewählt", erklärt sie und während sie weiter erzählt, erkennt man, dass das Lämmchen sie selber und der böse Wolf ihr erster Ehemann ist.

"Du diktierst, ich übersetze"

Immer und immer wieder bettelte Sweta, sie möge das Erzählte doch aufschreiben. "Das hört sich so schön an, das wird bestimmt ein schönes Buch", versuchte sie ihre Mutter zu überreden. Doch Ofelia wollte davon zunächst nichts wissen. Es waren ihre ganz eigenen Geschichten. Dass die jemand lesen wollte, konnte sie sich partout nicht vorstellen. Sweta ließ jedoch nicht locker und so suchte sich Ofelia 1998 ein Heft, in das sie anfing zu schreiben. "In armenisch", sagt sie. "In Deutsch war ich nicht sicher, hatte Schwierigkeiten mit der Grammatik", erinnert sich die junge Frau. Doch Sweta wusste Abhilfe. Sie schlug vor, dass sie ihre Mutter ein Diktiergerät zulegt. "Du sprichst in armenisch drauf und ich übersetze es", begründete sie. Und damit es wirklich klappte, schenkte sie ihre Mutter ein Diktiergerät zum Geburtstag. Dem Projekt Buch stand im Jahr 2006 also nichts mehr im Weg. Doch es sollte alles ganz anders kommen.

"Nur einen Monat später ist meine Sweta tödlich verunglückt", sagt Ofelia leise. Den Verlust ihres Kindes konnte sie nicht verschmerzen. "Mir ging es eine Zeit lang ziemlich schlecht", erinnert sie sich. "Sie war in ein tiefes Loch gefallen", ergänzt Georgi. Er versuchte, seiner Mutter zu helfen, machte ihr immer wieder deutlich, dass er doch auch noch da sei, aber das brachte nicht viel. "Ich habe lange überlegt und krampfhaft nach etwas gesucht, womit ich sie wieder ins Leben zurückholen kann", erzählt der junge Mann. Und dann fielen ihm die Geschichten ein. "Wenn sie jetzt das Buch schreibt, hat sie eine Aufgabe, findet wieder ins Leben zurück", dachte er sich. Ganz war seine Mutter jedoch noch nicht von seiner Idee überzeugt. Erst nach einem Besuch auf dem Friedhof entschloss sie sich, ein Buch zu schreiben. "Es war richtig Sonnenschein und Sweta war ein richtiges Sonnenkind", erinnert sie sich. An diesem Tag hörte sie Swetas Stimme, die ihr sagte: "Schreib das Buch". "Da habe ich meine Kisten alle wieder herausgesucht und meine Geschichten auf armenisch erzählt", schildert sie. Sohn Georgi und Freund Tino Grau übernahmen gemeinsam die Aufgabe des Übersetzens. "Das war oftmals schwierig, gab es doch einige Wörter im Deutschen gar nicht", weiß Georgi. Das war 2007.

Zweifel auf der Buchmesse

Im Frühjahr des folgendes Jahres machte sich die Ofelia Abrahamian zur Buchmesse nach Leipzig auf, um dort ihre Manuskripte zu verteilen. Anfangs hatte sie Zweifel, kam sich gerade bei großen Verlagen ein wenig verloren vor. Doch ihre Bedenken waren umsonst. "Vier Verlage haben sich für meine Geschichte interessiert", freut sie sich. Einer von ihnen war der amicus-Verlag in Föritz. Von dem hatte die junge Frau bis dahin zwar noch nichts gehört, wusste aber anhand der Postleitzahl, dass er in der Nähe ihrer Heimatstadt Kronach angesiedelt ist. "Das kann für die weitere Buchbearbeitung nur von Vorteil sein", dachte sie sich und besiegelte im Oktober 2008 mit amicus-Chefin Ingrid Maikath die Zusammenarbeit. Was jetzt noch fehlte, waren die Illustrationen. Ofelia erinnerte sich an Katrin Nitsche, einer Freundin ihrer Tochter. "Sie war sofort bereit, die Bilder zu malen", weiß sie noch ganz genau. Ofelia schickte ihr die Geschichte und markierte die Szenen, von denen sie meinte, dass sie mit einem Bild noch besser wirken würden. "Sie hat das wirklich toll gemacht, auf ihren Bildern sind die Tiere genau so, wie ich sie gesehen und beschrieben habe", ist die Autorin begeistert.

Zum Valentinstag bekam Ofelia in diesem Jahr ein ganz besonderes Geschenk: "Ich habe mein Buch das erste Mal in Händen gehalten", sagt sie stolz. Kurze Zeit später sollte sie am amicus-Stand auf der Leipziger Buchmesse eine Autogrammstunde geben. Durch Zufall traf sie hier Hanno Neustadt vom mdr. Auch ihm gefiel die Geschichte und er versprach eine Sendung über Ofelia Lebensgeschichte und ihr Buch zu sprechen. Er hielt Wort und nachdem die Sendung gelaufen war, wollte jeder "Das Lämmchen und der Wolf" haben. Recht schnell waren die 150 Exemplare, die sie hatte, vergriffen.

Auch die Gäste ihrer Lesungen waren begeistert. "Für die Kinder war es überhaupt nicht langweilig, obwohl sie eine Stunde zuhören mussten", erinnert sich Ofelia an eine Lesung in der Schule. Gerne nimmt sie deshalb weitere Einladungen an. Interessenten können unter ofelia@online.de einen Termin für eine Buchlesung vereinbaren.

Erschienen ist das Buch in einer Auflage von 500 Stück und in jeder Buchhandlung oder beim Verlag erhältlich.

Und es wird nicht das einzige von Ofelia Abrahamian sein, ist doch ihr zweites Werk so gut wie fertig. "Das kommt im Herbst heraus und erzählt von Lämmchens Ofelias (das Lämmchen gibt es nicht im zweiten Buch, es handelt sich hier um eine Häsin und andere Tiere) Leben in Deutschland", sagt sie stolz.