"Die goldenen Zeiten"
Ansonsten mag Eckardt auf der Basis seiner Erfahrungen von vor knapp anderthalb Jahrzehnten nicht spekulieren über das, was zwischenzeitlich schiefgelaufen ist: "2006 und heute, das lässt sich überhaupt nicht vergleichen. Damals waren das goldene Zeiten. Da hattest du Fachkräftequoten von über 70 Prozent und keine Sorgen. Wenn jemand gegangen ist, hast du die Stelle angesichts der vielen Bewerbungen in ein paar Tagen sofort nachbesetzen können. Mittlerweile ist man ja in den Einrichtungen froh, wenn man auf einen Fachkräfteschlüssel von 50 Prozent kommt." Gleichwohl mag Eckardt nicht recht einstimmen in ein Szenario, welches die mutmaßlichen Geschehnisse in Neuhaus als Ausdruck struktureller Probleme interpretiert: "Natürlich ist das System der Altenpflege in Deutschland an vielen Stellen krank. Aber es gibt Schritte des Gesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen, die Löhne nachzuziehen, die Arbeit attraktiver zu machen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Aber eine richtige Debatte um die Personalausstattung darf und kann ja nicht herhalten als Entschuldigung für das, was da in Neuhaus passiert ist. Das ist einfach nur gestört und gehört unter Strafe gestellt."
Wo war die Leitung?
Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Henry Worm reagierte am Freitag schockiert und tief betroffen. "Ich bin entsetzt über diese Vorfälle und erwarte eine lückenlose Aufklärung", so der Scheibe-Alsbacher. Die Lage von Pflegebedürftigen dürfe nicht ausgenutzt werden: "Sie dürfen weder Gewalt, Vernachlässigung noch Diskriminierung ausgesetzt sein", betonte Worm. Gerade weil die Äußerungen von Gewalt in der Pflege sehr unterschiedlich sein können, ist die Sensibilisierung aller Beteiligten besonders wichtig. "Wenn in einer Einrichtung übergriffige Pflege oder Gewalt auftreten, muss unmittelbar und klar eingeschritten werden."
Besondere Verantwortung tragen hierbei sowohl die Leitung des Angelikastifts als auch die Leitung der Maternus-Gruppe. An diesem Punkt stelle sich für ihn ganz offensichtlich die Frage, ob man an den genannten Stellen dieser Verantwortung vollumfänglich nachgekommen ist. Medienberichten zufolge soll unter den Beschuldigten auch eine Frau sein, die eine Leitungsfunktion in der Schönen Aussicht innehatte. "Allerdings dürfen wir die Pflegekräfte auch nicht unter Generalverdacht stellen", so Worm abschließend. Allein in Thüringen leisten mehr als 32 000 Pflegekräfte täglich eine sehr wichtige und bedeutsame Arbeit. anb
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