Sonneberg - Über 51 600 Bücher, digitale Medien, Zeitschriften und Zeitungen finden sich im Angebot der Stadtbibliothek Sonneberg. Kinder- und Jugendliteratur, Krimis, Biografien, Historisches, Reiseberichte, Fachliteratur, Science Fiction, Unterhaltsames. Alle Genres sind vertreten. Lesefreunden, die sich bei einem Besuch in der Einrichtung im Rathaus auf Grund des umfangreichen Angebotes nicht so richtig für etwas Bestimmtes entscheiden können, stehen die insgesamt vier Mitarbeiterinnen um Leiterin Barbara Wronka mit kompetenter Beratung und manchem "Geheimtipp" helfend zur Seite.

Die Versorgung von Leseratten jeden Alters mit entsprechender Literatur ist das eine. Daneben bringt die Crew der Stadtbibliothek regelmäßig Leben in die Räumlichkeiten am Rathausplatz. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Mit unterhaltsamen Aktionen werden Buchfreunde oder solche, die es werden wollen, in unterschiedlichste Literaturbereiche eingeführt. Autoren und Mitarbeiter von Verlagen sind gern gesehene Gäste, wenn zu Lesungen eingeladen wird.

Lesereise mit Napoleon

Jüngstes Beispiel - aus Anlass des 3. Thüringer Tages der Literatur veranstaltete der Rudolstädter Greifen-Verlag eine Lesereise durch Thüringen. Im Mittelpunkt der Tour, die am 27. März auch in Sonneberg Station machte, stand die Vorstellung des Postum-Romans von Paul Elgers "Im Schatten Napoleons".

Paul Elgers, langjähriger Cheflektor des Rudolstädter Greifen-Verlages, war ein Bestseller-Autor und bekannt für seine spannenden Kriminalerzählungen und historischen Romane. Elgers starb 1995 kurz nach seinem 80. Geburtstag. Seine zahlreichen Titel werden noch immer leidenschaftlich gelesen. Kurz vor seinem Tod hatte der bekannte Autor die Arbeiten zu seinem Roman "Im Schatten Napoleons" fertig gestellt. Eine Veröffentlichung kam wegen der unklaren Zukunft des Rudolstädter Verlagshauses aber zunächst nicht in Betracht.

In den Wirren der Nachwendezeit verblieb das spannende Manuskript um den berühmt-berüchtigten Herzog von Otranto, Joseph Fouché, zunächst im Schubkasten der Erben des Schriftstellers. Erst als der Rudolstädter Greifenverlag über eine Neuauflage der Werke von Paul Elgers mit den Erben wieder ins Gespräch kam, stellte sich heraus, dass sich das Romanmanuskript in deren Besitz befindet. Beide Seiten einigten sich darauf, das Werk als besonderes Highlight zur Leipziger Buchmesse präsentieren zu wollen.

Zur Lesung des bisher unveröffentlichten Romans fand sich Ende März ein Dutzend Interessierte in der Stadtbibliothek ein. Der Verlagsleiter Holger H. Elias höchstpersönlich präsentierte den Anwesenden einen detaillierten Einblick in den Roman "Im Schatten Napoleons". In diesem zeichnete Paul Elgers die - oftmals unterschätzte - Rolle des Intriganten und berühmt-berüchtigten Mitrailleur de Lyon (Schlächters von Lyon), Joseph Fouché, dem Herzog von Otranto, nach. Der 80jährige Autor zog darin noch einmal alle Register seines Könnens und recherchierte dafür sogar in französischen Archiven. Dort fand Elgers die Materialien für den authentischen Stoff, den er mit journalistischen Mitteln bearbeitete. Herausgekommen ist ein fesselnder Roman mit erlebbaren Dialogen. "Fouché darf zweifelsohne als Begründer der modernen Spionage bezeichnet werden. Selbst unsere Geheimdienste heute leben noch von dem, was Fouché durch alle Schichten der Gesellschaft aufgebaut hat", schloss Holger H. Elias seine Ausführungen zum letzten und äußerst spannenden Werk von Paul Elgers.

"Projekt 100" zum Lesen

Das nächste "lebendige" Projekt in der Stadtbibliothek stand für den 22. April an. Dann sollten die jungen Leserinnen und Leser auf ihre Kosten kommen. Ab 10 Uhr war Autorin Evelin Heimann zu Gast mit der mittlerweile vierbändigen Buchreihe "Jo Süße", großartigen Krimikomödien für die ganze Familie. Auf der Suche nach einer geeigneten Möglichkeit, den persönlichen Kontakt zur Zielgruppe herzustellen, kam Evelin Heimann eine Idee. Eine Frau - 100 Lesungen an 100 Orten innerhalb 100 Tagen. Die Weltrekord-Route, die am 9. März in Riesa startete, führte die Autorin am 22. April in die Spielzeugstadt. Das Publikum erlebte eine außergewöhnliche Lesung mit hohem Unterhaltungswert, getragen von Temperament und Emotionen.

Die Themen der Bücher wie Toleranz und Miteinander sind ein wichtiges Anliegen von Evelin Heimann. Deshalb liest sie gerne an Orten, an denen Menschen jeden Alters und jeder Gesinnung und Nationalität aufeinander treffen, wo sie junge und jung gebliebene Zeitgenossen erreichen kann. Menschen wie die Protagonisten in ihren Romanen.

Im ersten Band, aus dem auch während des Weltrekordversuchs gelesen wird, trifft die junge Autorin Janina den erblindeten Cedric. Sie soll ihn beim Schreiben eines Buches unterstützen, damit er einen Termin einhalten kann. Während beide dem Hindernislauf des gegenseitigen Kennenlernens nachgehen und Janina sich als liebenswerter Tollpatsch erweist, kommen sie einer Intrige auf die Spur. Diese könnte der Familie Cedrics, den Hansens, das Unternehmen kosten. Aus den beiden Autoren werden Hobbyermittler, die der Polizei und auch bald den Übeltätern eine Nasenlänge voraus sind.

Das Wunderbare an den Jo, Süße"-Büchern: Sie kommen vollständig ohne sinnlose Gewalt, Mordserien und Leichenberge aus und sind trotzdem sehr spannend, voller Überraschungen und niemals langweilig. Grund genug, am 22. April ab 10 Uhr ein Teil des außergewöhnlichen Weltrekordversuches "1 Frau-100 Lesungen-100 Tage-100 Orte" zu werden.

"Dieser Termin passte besonders gut in unser Konzept", berichtete Barbara Wronka. "Wir sind eine junge Bibliothek, deren stärkste Lesegruppe von den Kindern und Jugendlichen gestellt wird. Natürlich spricht die zentrale Lage für uns und unser vielseitiges Angebot. Um den "Nachwuchslesern" gerecht zu werden, finden sie bei uns nicht nur eine Auswahl an Kinder- und Jugendliteratur, sondern ebenso einen Extra-Raum. Je nach Interesse und Bildungsstand kann man sich dort austoben. Unterstützung für die Schule gibt es in Form von Fachbüchern, zum Beispiel für Vorträge. Informationen liefert zwar auch das Internet, aber wir sehen das nicht als Konkurrenz, vielmehr als Ergänzung. Denn für den Erwerb von Wissen benötigt man meiner Meinung nach einen Bücherschatz mit Fach- und Sachliteratur, aus dem man immer wieder schöpfen kann", so die Leiterin der Stadtbibliothek.

Beste Erfahrungen haben die Mitarbeiterinnen auch mit einem weiteren Angebot gemacht. Regelmäßig finden im Rahmen der Leseförderung Einführungen in die Bibliotheksbenutzung für Kinder und Jugendliche statt. "Im Nachgang erleben wir dann sehr oft, dass nicht nur die Kinder vermehrt den Weg zu uns finden. Ein Großteil bringt auch seine Eltern mit", freut sich Wronka über das besondere Interesse des Nachwuchses - trotz Computer und Co.

Bemerkbar macht sich das natürlich in den Besucherzahlen. Im Jahr 2009 konnte erneut eine Steigerung verzeichnet werden. Über 30 000 Lesefreunde nutzten die Einrichtung im Rathaus und sorgten für mehr als 85 000 Entleihungen. alu