Sonneberg Ehrenamt: Wenn aus dem "egal" ein "unbedingt" wird

Cindy Heinkel
Bei Großveranstaltungen im Raum Sonneberg fehlt er mit dem DRK-Einsatzfahrzeug nur selten: Maik Scheler-Eckstein. Foto: Matthias Kaden

Null Verbindung hatte Maik Scheler-Eckstein bis zu seinem 31. Lebensjahr zum Ehrenamt. Heute, elf Jahre später, ist er beim Deutschen Roten Kreuz in Sonneberg Kreisbereitschaftsleiter.

 
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Sonneberg - "Für das Downhill-Rennen in Steinach müssen wir sehen, ob der Bergwacht-Jeep ausreicht, für den Ramelow-Besuch in Rohof brauchen wir mindestens sechs, sieben Mann und einen Krankentransportwagen, weil das ein ViP mit Personenschutz ist", macht Maik Scheler-Eckstein schon mal im Kopf die Planung für das zweite Juni-Wochenende gemeinsam mit seinem Stellvertreter David Bär.

Quereinstieg

In der Serie "Quereinstieg ins Ehrenamt" sind seit Februar insgesamt acht Folgen in Freies Wort mit dem heutigen Tag erschienen. Insgesamt zehn Männer und Frauen aus dem Landkreis Sonneberg erzählen bis Mitte Juni, wie sie ins Ehrenamt kamen und was es für sie persönlich bedeutet. Was gibt einem das Ehrenamt zurück? Welche Hürden gab und gibt es? Denn die Hilfsorganisationen wie Freiwillige Feuerwehren, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz oder Bergwacht suchen Menschen, die sich engagieren.

Es werden wieder zwei heiße Tage für die Ehrenamtler des Deutschen Roten Kreuzes. Beide, Bär und Scheler-Eckstein, sind beim DRK Sonneberg für die Kreisbereitschaft verantwortlich. Sie organisieren Sanitätsdienste für Großveranstaltungen, sichern Einsätze mit ab, bilden Ersthelfer für Betriebe aus, geben Sani-Kurse für Vereine oder Fahrschulprüflinge. Zu ihrem Team zählen inklusive Bergwacht zirka 50 ehrenamtlich Engagierte. "Unsere Saison geht von Anfang Mai bis Ende September und drei von vier Wochenenden können da schon mal drauf gehen", beschreibt es der Mengersgereuther Scheler-Eckstein. Da braucht es nicht nur viel Enthusiasmus, sondern vor allem Spaß an der Sache.

Dass ihn ein Ehrenamt einmal reizen, ihm sogar Freude bereiten könnte, hätte der 42-Jährige selbst nie gedacht. "Das hat mich früher so viel interessiert, wie der Wasserstand der Donau", erzählt er. Genau genommen also gar nicht. Erst als ihn Freunde 2007 baten, vielleicht mal aushilfsweise einen DRK-Transport mit dem Lkw zu fahren, willigte er ein. Und blieb. Seine Ehrenamts-Vita hört sich an, wie bei anderen eine steile Karriereleiter. 2008 lässt er sich zum Sanitäter ausbilden, 2009 zum Gruppenführer, 2013 zum Ersthelfer. Im gleichen Jahr wird er zum Kreisbereitschaftsleiter gewählt, der alle anderen "Ehris" unter sich hat. Aber so will er das eigentlich gar nicht verstanden wissen. Die Kameradschaft sei ihm wichtig, der Zusammenhalt seiner Truppe. Keiner werde allein gelassen.

Denn darauf kommt es im Ernstfall an. Wie etwa beim Hochwasser in Sachsen-Anhalt 2013, beim Dachstuhlbrand in der Rathenaustraße Ende Februar 2016, wo es "richtig zur Sache ging" oder der Vermisstensuche in Neufang im Februar 2017. Auch über die Landesgrenzen hinaus werden die Männer und Frauen des Sonneberger DRK für Sanitätsdienste mittlerweile angefragt. "Zum Beispiel, wenn in Sachsen mal wieder ein Problemfußballspiel ansteht", sagt Scheler-Eckstein.

Der gelernte Werkzeugmacher hat eine Vierzig-Stunden-Woche in seinem Job bei der Dressel Prototec GmbH im oberfränkischen Sonnefeld. Und trotzdem sieht man ihn in seiner roten Sani-Kluft sowohl beim Kart-Wochenende Anfang Mai oder beim rebellischen Musikfestival in Truckenthal knappe zwei Wochen später wieder. Der Mann mit dem Zopf und den zwei Silberohrringen im linken Ohrläppchen ist oft präsent, wenn eine Veranstaltung im Landkreis mit DRK-Beteiligung ansteht. Sein Terminkalender ist prall gefüllt, für eine Einheit im Fitness-Studio oder ein paar Runden joggen, bleibt wenig Zeit. Die nimmt er sich, wenn es sein muss. Hobbymangel war es jedenfalls nicht als er sich für den "DRK-Nebenjob" entschied.

"Ja, alles immer unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach", gibt Scheler-Eckstein zu. Zum Glück habe er mit Freundin Sabine eine verständnisvolle Partnerin an seiner Seite. "Klar will ich im Ehrenamt weiter kommen. Gleichzeitig darf zu Hause niemand zu kurz kommen." Missen möchte er sein Ehrenamt zu keiner Zeit, denn es gibt für ihn kein schöneres: "Man ist immer auf dem neuesten Stand, was die Medizin angeht, man kann anderen Menschen helfen." Außerdem handele es sich beim DRK anders als etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr hauptsächlich um planbare Einsätze. Eine gewisse Stellung in der Gesellschaft bringe die verantwortungsvolle Aufgabe freilich auch mit. Aus all diesen Gründen könne man Interessierte nur ermutigen, den Schritt tatsächlich zu wagen. So wie es Scheler-Eckstein selbst vor zehn Jahren tat.

Zwei bis drei Quereinsteiger im Jahr seien auch beim DRK eher die Ausnahme - obwohl mit Flyer-Aktionen, mit dem Tag der offenen Tür im Sonneberger Kreisverband oder Aktionen an Schulen und in Kitas dafür geworben wird. Einen großen Knick habe es gegeben, als der Zivil- beziehungsweise der Bundesfreiwilligendienst weggefallen sei. Da hätten zumindest einige mal geschnuppert, von denen auch ein paar hängen geblieben sind. "Ab 25 ist eigentlich genau das richtige Alter, um ein Ehrenamt zu übernehmen. Man ist gefestigt, hat sich etwas aufgebaut und die Wahrscheinlichkeit ist dann auch nicht so hoch, dass die erst ausgebildeten Leute später wieder weggehen", weiß der Kreisbereitschaftsleiter aus Erfahrung.

Nicht unkritisch sieht der Mengersgereuther, dass in Zukunft noch mehr Probleme auf diejenigen zurollen, die sich freiwillig für andere einsetzen. Die großen Einsatzfahrzeuge etwa lenken zu können, dafür brauche es den Lkw-Führerschein. Will ein angehender Ehrenamtler diesen machen, so erhält er zirka 800 Euro Zuschuss vom Bund. Der Führerschein kostet aber rund 2000 Euro. "Wer legt dann die 1200 drauf?", fragt der DRK-Mann lakonisch. So vergraule man ganz sicher diejenigen, die sich in ihrer Freizeit hinstellen, um anderen zu helfen.

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