Sonneberg - "Dieses Buch ist ein Bollwerk gegen den Überdruss, der einen bei Betrachtung des Weltgeschehens und einer offensichtlich unausrottbaren Unvernunft der Spezies Mensch überfallen kann. Dieses Buch lehrt uns, die Menschen zu lieben."

So urteilt die weltbekannte österreichische Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin Erika Pluhar in ihrem Vorwort über das neue Werk der Sonnebergerin Christiane Illig. Deren voluminöser Porträt-Band mit Aufnahmen aus den vergangenen 22 Jahren trägt nicht umsonst den Titel "Augen-Blicke".

Ist er doch wahrhaftig ein Abenteuer des Auges, ein Spiel des Sehens. Die fotografischen Bildnisse von bekannten Musikern und Sängern, Schauspielern und Schriftsteller, Politikern und Journalisten, aber auch von uns Unbekannten aus aller Welt sowie von Freunden der Autorin sprechen durch sich selbst.

Man kann sich jedes dieser Gesichter stundenlang anschauen - und wird immer noch etwas Neues in ihm entdecken.

"Ich habe lange überlegt, nach was ich die Porträts ordnen könnte - und mich schließlich für eine thematische Anordnung entschieden. Mein Porträt-Band ist so in sieben Bildkapitel aufgeteilt: Starke Persönlichkeiten, Maskeraden, Kinder, Jugend, Alter, Paare und Mütter", so die Autorin.

Als Liebhaberin von Musik und Gesang, guter Literatur, als weltoffene Globetrotterin, immer neugierig auf andere Menschen, andere Kulturen, nimmt uns Illig mit auf eine beeindruckende Reise mit den Augen.

Sie führt uns nach Berlin und Salzburg, München und Leipzig, nach Paris und London, Venedig und Nizza, nach Sydney und New York - und in noch so manch andere Metropole dieser Welt.

Illig bereiste neben dem "Alten Europa" und Welt-Metropolen aber auch Länder wie Mexiko und Kanada, Ecuador und Ägypten, Namibia und Botswana.

Ein Spiegel vieler Seelen

Die Autorin lässt uns in die einen schier bannenden Augen des unvergesslichen Maximilian Schell (1930-2014) blicken - ebenso wie in die des internationalen Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim, aber auch in die ihrer englischen Freundin Patricia Wheaton oder in die unbekannter Indio-Kinder oder von Straßenverkäufern in Ägypten.

Sie zeigt uns aber auch weltbekannte Genies "an der Arbeit" - Koryphäen wie den US-Schauspieler und Oscar-Preisträger Kevin Kline als "Cyrano de Bergerac" auf der Bühne des New Yorker Broadway-Theaters oder Klaus Maria Brandauer als König Lear in einer Aufführung des Wiener Burgtheaters.

Illig lässt uns aber auch solch einzigartigen Momente miterleben wie den, als Meister-Dirigent Kurt Masur nach einem Philharmoniker-Konzert in Paris im rauschenden Applaus des Publikums sichtlich "badet". Wir sehen eine voller Konzentration geigende Anne Sophie Mutter und eine, mit ihrer Mimik bezaubernde Angela Lansbury.

Die Autorin hat die bekannte britische Schauspielerin in New York vor die Linse bekommen. Bühnengrößen konnte sie - dank der Internationalen Sonneberger Jazztage - aber auch in ihrer Heimatstadt fotografieren: so Manfred Krug und den Musiker, Moderator und Entertainer Götz Alsmann.

Hinsichtlich ihrer Auswahl-Kriterien bei den im Band abgebildeten Politikern, Schriftstellern und Journalisten befragt, muss Illig schmunzeln: "Da habe ich nur Leute abgebildet, die ich auch mag - ist ja schließlich mein Buch."

Und so blicken wir in die Gesichter von Hans-Dietrich Genscher, Michail Gorbatschow und Richard von Weizsäcker, Klaus Bednarz und Peter Scholl-Latour.

Nicht weniger interessant als die Konterfeis berühmter Persönlichkeiten, ja vielleicht noch interessanter: Illigs Street-Photography-Porträts.

Von ausdrucksvoll und ungemein ideenreich maskierten Teilnehmern des Karnevals in Venedig und Nizza bis hin zu den auch die örtliche Folklore widerspiegelnden Akteuren von Volksfesten und Festivals in Kanada, Mexiko und Spanien reicht die Spanne im Kapitel Maskeraden.

Aus den Gesichtern von Kindern aus aller Welt sprechen hingegen Neugier, Lebensfreude und Unbefangenheit, aber auch Nachdenklichkeit, Anstrengung und Leistungsdruck. "In manchen Ländern wurde ich mit dem Thema Kinderarbeit konfrontiert", berichtet Illig. "Natürlich hat sich auch dies in etlichen der Porträts niedergeschlagen."

Alter nicht ausgeklammert

Die Kapitel "Jugend" und "Alter" zeigen uns die Vergänglichkeit des Lebens, verdeutlichen aber auch, das beides dazugehört - zu unser aller Leben. Die Schönheit des Alters spiegelt sich unter anderem in den Aufnahmen von Anna Maria Schaefer-Hetzer (1909-1999) wieder.

Die Sonnebergerin war der Autorin eine mütterliche Freundin. Sie war es, die einst mit Illig über Lyrik, Altenglisch und Shakespeare diskutierte. Und sie war es, die in dieser die Leidenschaft für Fotografie weckte. Kein Wunder also, dass ein Porträt von Schaefer-Hetzer Titel-Cover des neuen Werkes von Christiane Illig ist.

In manchen Fällen gehören die von Illig gemachten Porträtfotos zu den letzten, von den jeweils abgebildeten Personen überhaupt entstandenen Fotos.

Als Beispiel möge hier nur das Porträt des Sonneberger Malers Karl Kassel dienen. Es ist kurz vor seinem Tode entstanden. Oder jenes von Gerda Schmeer, einer Freundin Illigs, die an Krebs verstarb.

Der Autorin selbst ist die Begegnung mit dem Tod nichts Fremdes. Als Notärztin ist sie nahezu Tag für Tag mit diesem konfrontiert. Auch ihre beiden ersten Bücher - ihr Werk über den Sonneberger Stadtfriedhof, aber auch ihr Foto-Lyrik-Band "Ihre Seelen sind aus Gesang", ein Buch über Engel in Dichtung, Kunst und Grabkultur - sind durch dieses Thema mitgeprägt.

Letztendlich hält es Christiane Illig bezüglich der Problematik "Leben und Tod" mit dem lebensbejahenden US-Fotografen Joel Meyerowitz, der einmal sagte: "Ein Foto muss auch etwas über den erzählen, der es macht. Wann immer ich auf den Auslöser drücke, sage ich ,Ja' - ja, es ist ein Geschenk, in der Welt zu sein."

Fernab der Normen

Was die Sonnebergerin dazu bewog, ihre "Augen-Blicke" herauszubringen. Sie sagt: "Es reizte mich, nach fast einem Vierteljahrhundert intensiven Fotografierens einmal Bilanz zu ziehen. Ansonsten kann ich meinen Antrieb hierzu auch mit den Worten von Julia Margaret Cameron (1815-1879) ausdrücken, die auch - eingangs - in dem Band zu finden sind.

Diese englische Fotografin, eine der Pioniere der Fotografie im 19. Jahrhundert, schrieb: ,Ich sehnte mich danach, alle Schönheit, die mir vor Augen kam, festzuhalten, und schließlich ist diese Sehnsucht befriedigt worden.'" Erika Pluhar kann dies in ihrem Vorwort nur bestätigen: "Ja, Schönheit. Fernab der Normen von Mode, Jugendlichkeit, Gesellschaftsleben, Zeitgeist.

Schönheit nicht als Zwang, sondern als Freiheit. Sogar in der Maskerade die spielerische Freude... Der Blick in dieses Buch schenkt einem Augen, die zurückblicken. Menschenaugen. Weil ein Mensch - weil Christiane Illig - ihren Blick auf sie geworfen hat."

Illig, Christiane: Augen-Blicke. 1. Auflage. Frankenblick: Müller-Druck, 2014. Fast 400 Seiten, rund 300 Fotos. ISBN: 978-3-00-047415-6. 30 Euro. Erhältlich im Stadtarchiv Sonneberg (hinterm Rathaus) und im Steinacher Spielzeugparadies (Karl-Friedrich-Weigelt-Straße 13) sowie - ab Montag, dem 8. Dezember - auch über amazon.