Zumindest am Samstagvormittag benötige man die Bundesstraße für den Läufer-Pulk unbedingt, drängte Scheler. Denn erst auf Höhe der Steinheider Hütte, wenn sich das Feld allmählich entzerrt hat, geht es bekanntlich für die rund 3000 Marathonis direkt auf den Rennsteig und weiter über Stock und Stein gen Schmiedefeld. Sowohl am Mittwochabend, wie am Freitag und sowieso am Wochenende wird die Straße den Sportlern zur Verfügung stehen, sagte Jacob-Maly. Erst wenn das dritte Mai-Wochenende vorüber ist, nehme die TSI die Trasse wieder in Beschlag.
Beschwerdegewitter
Wie am Freitag berichtet, wird sich der aktuellen Sperrung zwischen Steinheid bis Neuhaus ab Dienstag, 21. Mai, die nächste nahtlos anschließen. Diese ist geplant zwischen Steinheid, wiederum ab Abzweig Festeburgstraße, bis nach Limbach hinunter. Einschließlich Mittwoch, 29. Mai, ist dann jeweils zu den Kernzeiten von 7 bis 17 Uhr kein Durchkommen für Auto- und Lasterfahrer.
Der eigentliche Grund fürs Treffen beim Fleischer liegt nun in genau diesem Ärgernis, dass gleich zweimal hintereinander für einen Zeitraum von zusammen knapp einem Monat die Hauptverkehrsader abgeklemmt wird. Kaum ein Tag vergehe, an dem nicht Gewerbetreibende und Einzelhändler, Handwerker oder die Chefs großer Industrieunternehmen sich im Rathaus einwählen und ihren Frust abladen, äußert Scheler gegenüber Freies Wort . Die Discounter wissen nicht mehr, wie sie ihre Lieferanten sinnvoll takten sollen, die großen Firmen bangen um die reibungsfreie Zulieferung von Produktionsgütern. Und die Handwerker schnaufen, weil sie von jetzt auf gleich kilometerlange Umleitungen zu ihren Kunden aufs Auge gedrückt bekommen. "Es wird mit dem Aus von Produktionsstätten und Verlagerung gedroht", fasst Scheler die Stimmung bei manch großem Arbeitgeber in der Rennsteigstadt zusammen.
"Für jeden unzumutbar"
In seiner Stellungnahme vom 8. Mai an das Landesamt für Bau und Verkehr nahm er von daher kein Blatt vor den Mund. Zwar gesteht Scheler zu, dass im Nachgang des Winters eine zügige Aufarbeitung von Schäden zwingend erforderlich ist. Doch warum derlei unbedingt unter Vollsperrung erfolgen muss? Das erschließe sich ihm nicht.
Direkt an die zuständige Sachbearbeiterin der Behörde in Zella-Mehlis gewandt, schrieb er: "Sie planen wegen diesen Arbeiten zwischen Steinheid und Limbach eine Umleitung über Sonneberg, die zwischen 45 und 55 Kilometer in einfacher Fahrt umfasst und in diesem Maß für Wirtschaft, Gewerbetreibende, Pendler, Schüler, Rettungsdienste oder Notärzte - einfach für jeden, der auf die Benutzung dieses Abschnittes angewiesen ist - als unzumutbar angesehen werden muss." Weiter heißt es: "Wenn Ihre Behörde bestrebt ist, uns hier oben als Wirtschaftstandort - mit diversen Weltmarktführern - oder als Stadt in ihrem vollen Umfang zu schädigen, dann muss ich als Bürgermeister mit der entsprechenden Verantwortung und Bevollmächtigung durch Wirtschaft und Bevölkerung mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen."
Offiziell über Katzhütte
Welche Auswirkungen das ab dem 21. Mai beabsichtigte Umleitungsdirigat in der Praxis hat, schildert Wolfgang Launer. Der IT-Chef der GB Neuhaus rüffelt - gewissermaßen stellvertretend für viele Manager, die in den Gewerbegebieten am Herrenberg oder am Bornhügel Produktionsabläufe abzusichern haben - eine "wirtschafts- und bürgerferne Planung". Nachdem es schon Anfang Mai keinerlei Vorwarnung gegeben habe, sehe man sich nun erneut vor vollendete Tatsachen gestellt, schreibt Launer am Freitag an Freies Wort : "Wenn man völlig unerwartet vor einem Sperrschild steht und Umwege in Kauf nehmen muss, bringt das so machen Zeitplan gehörig durcheinander. Wenn man dann als Laster-Fahrer feststellen muss, dass die Umleitungsempfehlung nicht befahrbar ist (max. 7,5 Tonnen), ist das völlig indiskutabel." Dieses Wirrwarr stelle eine enorme Belastung für Lieferanten, Mitarbeiter, Kommunen dar, "die Autobahn ist nur noch mit enormen Zeitverzug erreichbar." Inkompetenz, Ignoranz und Irrwitz würden sich hier einander die Hand reichen, schimpft Launer.
Immerhin konnte beim Vor-Ort-Gespräch in Limbach die TSI-Fachfrau an der ein oder anderen Stelle offizielle Zugeständnisse verlautbaren. So werde man dem Vorschlag des Bürgermeisters folgen und die offizielle Umleitung ab 21. Mai nicht über Sonneberg, sondern über Katzhütte ausschildern. Auch der Schülerverkehr nach Steinheid und Neuhaus am Rennweg soll nicht kollabieren, die OVG-Shuttles dürfen die Baustelle passieren, hieß es.
Doch nicht zur Verhandlungsmasse zählt die Vollsperrung für alle anderen Bundesstraßen-Nutzer. Die Vorgaben des Gesetzgebers seien eindeutig, was den notwendigen Sicherheitsabstand von Arbeitern zum rollenden Verkehr angeht. Und da die Straßen am Rennsteig zu schmal ausgelegt sind, um nach dem Aufbau von Maschinen und Warnbaken noch die notwendige Durchlassbreite für Fahrzeuge von 2,75 Meter vorzuhalten? Brauche es die Sperrung. Jacob-Maly bat um Verständnis, wenn sie sich nicht in die Haftung nehmen lassen mag für die Folgen eines etwaigen Unfalls, nur weil die TSI vielleicht Leitlinien zum Arbeitschutz ignoriert habe.
"Die Gesetze sind da eindeutig", pflichtete ihr Wilko Stephan bei. Der Polizist allerdings verfolgte bei der Aussprache am Freitag mit erkennbarem Unbehagen, welche Nebenwirkungen sich für den Verkehr aus und in die Rennsteigregion infolge des Baustellengeschehens abzeichnen.
Den Rennsteiglauf samt An- und Abreise der Zuschauermassen mögen die Ordnungshüter vielleicht noch wie gewohnt über die Bühne bringen. Doch dann folge gleich der nächste Ausfall einer wichtigen Verbindung: "Die Sperrung der Göritz." So wird ab dem 3. Juni bis in den Oktober hinein die Bergstraße zwischen Steinach und Steinheid wegen Leitungsbau dicht gemacht.
Die Gesamt-Gemengelage nahm Stadtchef Scheler schließlich zum Anlass ein Mehr an Kommunikation einzufordern. Über die erste Sperrung fürs Fräsen und Ausbessern der Bundesstraße im Mai habe die Stadt nämlich nur auf Umwegen erfahren, schilderte er. Anwohner aus Steinheid hatten Handzettel, die der bauausführende Betrieb kurz vor Anpfiff der Maßnahme an die Anwohner verteilte, dem Rathaus zukommen lassen - zusammen mit ihrer Beschwerde über die Zeit- und Benzin-fressende Umleitung.
Hinweis an der Autobahn
Der Bürgermeister warb bei der TSI, man möge die Stadt bitte künftig deutlich früher einbinden - damit diese die wichtigen Infos besser an die Betroffenen streuen kann. Und betroffen seien ja nicht nur die Steinheider, sondern alle, die nach Neuhaus auf die Arbeit pendeln. Jenseits dessen, was Ortsunkundige in Erfurt oder Zella-Mehlis entscheiden, müsse es auch die Möglichkeit geben so manchen Unsinn - wie eine Umleitung über Sonneberg - vor Ort auf dem kurzen Dienstweg noch abzuwenden zu können, so Scheler.
Ein Ansinnen, dass Jacob-Maly bejahte und versprach, kurzfristig angesetzte Straßenausbesserungen in TSI-Regie zeitnäher als bisher dem Rathaus bekannt zu geben. Am besten wäre es, man kläre auch bereits an er Autobahn die Trucker auf, dass die Bundesstraße nach Neuhaus am Rennweg dicht ist. Damit nicht alle Brummis erst von Sachsenbrunn bis Limbach touren, um dort in der Sackgasse zu stehen, schob Scheler gleich nach.
Über die Not, derlei Selbstverständlichkeiten überhaupt anmahnen zu müssen, konnte Marcus Clauder nur verwundert den Kopf schütteln. "Wenn wir als Rennsteiglauf-Veranstalter Straßen brauchen, dann müssen wir in einem 25-Kilometer-Radius Ankündigungstafeln aufstellen, damit wirklich jeder Bescheid weiß." Und die amtlich vorgegebene Vorglühzeit hierfür liege bei Wochen, nicht bei Tagen.