gjhghgj Der letzte Schuss

Neuerlich erlässt der Landkreis Sonneberg eine Allgemeinverfügung, um den Infektionsschutz durchzusetzen. Gewisse Freiheitsrechte waren schon bislang eingeschränkt, jetzt geht’s an die Grundrechte.

 
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Sonneberg - Das Recht Versammlungen unter freiem Himmel abzuhalten? Ist kassiert. Waren Religionsgemeinschaften bislang der Aufforderung des Landratsamtes gefolgt, Gottesdienste auszusetzen, so ist ihnen dies nunmehr untersagt. Wer meint demonstrieren zu müssen? Wird sich Nachfragen zur Verhältnismäßigkeit gefallen lassen müssen.

Allein das, was der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung dient, der Versorgung der Bevölkerung und der Daseinsfürsorge, steht nicht unter Verbotsvorbehalt. Wer meint eine Ausnahme von dieser Regel beantragen zu wollen, hat mit massiven Auflagen zu rechnen.

Mit der neuen Allgemeinverfügung - der Wortlaut steht im Anzeigenteil dieser Ausgabe nachzulesen - widerruft der Landkreis formal die bisherigen vom 14., 16. und 17. März. Inhaltlich wird dabei das, was an gesellschaftlichem und privatem Leben in Zeiten der Corona-Pandemie überhaupt noch möglich war, weiter auf nahe Null herunter geregelt: Ob Trauerfeiern oder Heirat, auch derlei innerste Familienangelegenheiten sind bis 19. April dem Kontaktverbot bzw. dem Schutz vor Ansteckung untergeordnet. Eine Schwangerschaftskonfliktberatung? Bleibt gewährleistet, wird aber ab sofort telefonisch oder online abgewickelt. Ans Sterbebett dürfen Angehörige treten, "sofern ein ausreichender Infektionsschutz sichergesellt wird".

Nachzulesen steht in der Verfügung, welche Läden und Handwerker überhaupt dieser Tage ihren Service anbieten dürfen. Selbstverständlich zählt der Lebensmittelhandel dazu, auch Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Banken und manches mehr, insbesondere Gesundheits-Dienstleister. Doch dürfen Hotels keine Touristen mehr beherbergen sondern allenfalls Geschäftsreisende, Friseure keinen Haarschnitt mehr setzen, Fahrlehrer müssen den Unterricht absagen. Angekündigt wird vom Landratsamt eine Überwachung der Maßnahmen.

Waren in den zurückliegenden Runden noch Zugeständnisse an die Gaststättenbetreiber zwischen Rennsteig und Föritztal herauszulesen, so ist diesen nunmehr der Betrieb ihrer Lokale untersagt. Zwar darf über eine Außentheke Ware ausgereicht werden. Doch dies nur, so der Wirt sicherstellt, dass sich keine Grüppchen oder Warteschlangen bilden bzw. die Leute nicht mindestens anderthalb Meter Abstand zueinander wahren.

Und wer meint einen Freisitz zum Verzehr von Eis oder Brötchen nutzen zu können? Wird enttäuscht. Derlei ist ab Freitag nicht mehr zu finden im Sonneberger Stadtgebiet. Stühle und Tische sind von Gastwirtschaften beiseite zu räumen. Was in der Glasbläserstadt Lauscha besondere Betroffenheit auslösen wird: "Einrichtungen für den Einzelhandel einschließlich Fabrikläden und Hersteller-Direktverkaufsstellen sind für den Publikumsverkehr zu schließen", teilt das Landratsamt mit.

Hatte die Kreisbehörde die Frage, wie mit den Rückkehrern aus sogenannten Risikogebieten umgegangen wird, zuletzt in einer separaten Verfügung geregelt, so ist dies nun aufgenommen in die aktuelle Fassung. Hiernach bleibt es bei der bekannten Anordnung, wonach Urlauber 14 Tage häusliche Quarantäne zu wahren haben. Danach darf dieser Personenkreis die Arbeit nur dann wieder aufnehmen, soweit ein frühestens sechs Tage nach Verlassen des Risikogebiets durchgeführter Corona-Test ohne Befund ist bzw. innerhalb der 14-Tage-Frist Anzeichen einer Krankheit ausbleiben.

Knapp 80 Reiserückkehrer

Weiterhin gehörte der Kreis Sonneberg am Donnerstag mit Hildburghausen zu den beiden letzten Bastionen in Deutschland, für die keine medizinisch bestätigte Erkrankung erfasst war. Doch steigt die Zahl der Menschen, die in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben haben. Knapp 80 Reiserückkehrer sind hierzu angehalten, so Vizelandrat Jürgen Köpper (CDU).

Dieser bestätigt ansonsten, man habe sich sehr bewusst entschlossen die für hiesige Breiten gültige Verfügung einen Zacken schärfer zu fassen, als es Intention des Landes ist. "Es geht nicht anders. Wir müssen die Jugend mehr sensibilisieren. Die Kanzlerin hat mit ihrer Rede an die Nation vom Mittwoch ganz eindeutige Ansagen gemacht, die hier im Amt sehr viel Anklang gefunden haben. Wer’s bis jetzt nicht begriffen hat, dass es aufs Verhalten jedes Einzelnen ankommt, dem ist nicht mehr zu helfen." Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit sei von daher unumgänglich, sagt Köpper. "Wir müssen darauf hinwirken, dass die sozialen Kontakte auf Null gehen". Scheitere das, bleibe nur die Ausgangssperre. Als letzter Schuss.

Die Auswirkungen aufs Wirtschaftsleben sind enorm. Dies vor Augen, hatte die Ilmkreis-Landrätin Peggy Greiser am Mittwoch angekündigt, ihr Kreis werde Kleinstgewerbetreibenden helfen, ungeachtet anderer Fördermöglichkeiten. Ganz ausschließen wollte Köpper gegenüber Freies Wort nicht, dass die Sonneberger sich einem solchen Vorstoß anschließen: "Das ist auch bei uns zu prüfen. Als Landkreis werden wir aber erst vorrangig versuchen Eltern zu entlasten durch Wegfall oder Stundung von Hortgebühren." Hierzu habe Berlin schon ein Entgegenkommen bzw. Erstattung signalisiert.

Was darüber hinaus geht? Bleibe schwierig: "Ich habe Vertrauen in Bund und Land, dass niemand im Regen stehen gelassen wird - aber es pressiert jetzt, da müssen wir ran."

Geduld gehört dazu

Dass es beim Infektionsschutz an die Grundrechte geht, das sieht auch Fred Eichhorn so. Der Allgemeinmediziner aus Grümpen betont, anders sei die Situation nicht zu bewältigen: "Das muss jetzt ins Gehirn von jedem Einzelnen hinein. Alle Experten sind sich einig, dass jeder mit seinem Verhalten gefordert ist, weil es sonst nicht zu schaffen ist." Zu den Tugenden in diesen besonderen Tagen gehöre von daher Geduld - zum Beispiel bei Urlaubsheimkehrern aus Risikogebieten. Wenn diese sich beim Arzt melden, ihm aber keine Symptome ansagen, werde selbstverständlich kein Abstrich genommen "und die Leute müssen halt trotzdem 14 Tage zuhause bleiben". Ressourcen der zentralen Abstrich-Stelle des Kreises ausdrücklich jenen vorzubehalten, bei denen die Notwendigkeit gegeben ist, sei selbstverständlich. Einen Tipp hat der Arzt in diesem Zusammenhang: "Wer die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung wählt, muss das immer vom Festnetz aus machen, nie vom Handy." Ansonsten lande man nämlich mit der Zentralnummer in Berlin, anstatt in Weimar. Sich daran zu halten, lautet seine Bitte: "Das wäre dann zumindest ein Problem weniger". Seite 8

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