Mengersgereuth-Hämmern - "Ihr gläbbt nier, wie die Zeit vergett!" lautete das Motto der diesjährigen Jubiläumsveranstaltung des Arbeitskreises Mundart Südthüringen. Vor ziemlich genau 20 Jahren kamen die Freunde der Mundart und leidenschaftlichen Verfechter derselben zum ersten Mal zu ihrer "Herbstlesung" im Gasthof Blechschmidt in Mengersgereuth-Hämmern zusammen, um ihrer Leidenschaft gemeinsam zu frönen.

14 Akteure aus dem Sonneberger Unter-, Ober- und Hinterland sowie aus dem Stadtgebiet boten am Samstag in rund vier Stunden Mundart vom Feinsten. Und wieder zeigte sich: die Mischung macht's, denn von Nachdenklichem bis zu Heiterem, inklusive Schenkelklopfern, wurde den mehr als 120 Zuschauern alles geboten - übrigens Besucherrekord für diese Veranstaltung!

In alphabetischer Reihenfolge ging es los, nach einer Pause erfolgten die Lesungen in umgekehrter Abfolge. Unterstützt wurden die Meister des gesprochenen Wortes - wie schon seit 20 Jahren - durch die Sängerinnen des Frauenchors Mengersgereuth-Hämmern unter Leitung von Susanne Schumacher.

Von Alltagsproblemen eines Ehepaares, das seit 49 Jahren miteinander verheiratet ist, erzählte Wolfgang Bräutigam aus Sonneberg. Frieder und Alma hießen seine Figuren, und einer Lederjacke kam eine besondere Rolle in seiner Geschichte zu.

Moderator des Abends und Vorsitzender des Arbeitskreises Mundart Südthüringen Karl-Heinz Großmann wagte sich aufs bildungspolitische Parkett. Im Visier hatte er dabei Thüringens Kultusminister Christoph Matschie und dessen Vorschlag, bis zur siebten Klasse keine Noten mehr zu erteilen, dies sei nicht objektiv genug. Großmanns Vorschläge: "Keine Lehrer mehr in deutschen Schulen, sondern Politiker! Die haben von allem eine Ahnung und wissen alles am besten. Und mein zweiter Vorschlag: keine Schule bis zur Klasse zwölf!" Auch Sentenzen zum Mitdenken gab er zum Besten.

Von einem gewissen Heiner aus Neustadt, der auszog, ein Schweinchen zu kaufen, sang Fredi Heß aus Mengersgereuth-Hämmern. Neben dem Säula erwarb der Heiner nämlich noch einen Schrank. Um Platz zu sparen, sperrte er das Tier in die Truhe. Zuhause angekommen, war "dös arma Säula erstickt". Von der Frau ordentlich zusammengestaucht, stellte besungener Heiner nüchtern fest: "A willa Sau wie du die destickt nadürlich ne!"

Die Judenbacherin Roswitha Hoffmann schwelgte gemeinsam mit all den anderen vor 1945 Geborenen in Erinnerungen und stichelte gegen die ach so tollen Errungenschaften der Neuzeit wie Spülmaschine, Handy, Computer, "Tanga für Männer und Fraun" und "die Spüllmaschina wor die Omma". Hingebungsvoll zelebrierte sie die Worte in Mundart, die sie der Natur und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst widmete.

Völkerverständigung pur

Aus Helmbrechts im Frankenwald kam die nächste Autorin: Sonja Keil, die sich schon in den 1980er Jahren einen Namen machte und durch zahlreiche Dialektbeiträge im Bayerischen Rundfunk auch über ihre Heimat hinaus bekannt wurde. Aber auch in Hochsprache verfasste Kindergeschichten, zum Beispiel für das "Betthupferl", entspringen ihrer Feder. In Mengersgereuth-Hämmern widmete sie sich der erotischen Seite der Mundart-Dichtung, stellte beispielsweise fest, statt eines Mannes lieber eine Tafel Schokolade haben zu wollen, "die is schneller vernascht und a Ruh is a". Überwältigt war sie von der schon 20 Jahre währenden Freundschaft untereinander: "Das ist Völkerverständigung pur dank Mundart", sagte Keil und fügte hinzu: "Davon können Politiker nur träumen!"

Lokalmatador Gustav Luthardt machte sich im ersten Teil Gedanken um die Wiedergeburt und sang zusammen mit Chorleiterin Schumacher vom fliegenden Maikäfer. Im zweiten Teil der Veranstaltung verwandelte er sich in den Papst mit Laubschärpe, der für die Anwesenden betete und mit den Worten schloss: "Gehet hin in Frieden, und der Herr segne unsern Frankenblick!" Tosender Applaus und schallendes Gelächter waren sein Lohn.

Ilona Major aus Sonneberg begeisterte das Publikum mit ihren Beobachtungen an einem schönen Herbsttag und mit einem Stück, das sie vor 20 Jahren schon vortrug, als sie das erste Mal ans Mikro im Gasthof Blechschmidt treten durfte: "Second hand - Scho ma gebraucht", das damit endet, dass auch ihr Gatte nicht mehr ganz neu war, als sie ihn kennenlernte. "Aber er funktioniert einwandfrei", stellte sie fest.

Nachdenklich wurde es bei Barbara Meißner aus Scheibe-Alsbach, die ein Gedicht für die Köhler vortrug, die einst für einen Hungerlohn schufteten und trotzdem froh im Wald sind, "su wie mer sa kennt". Von Gefundenem und Seifenblasen erzählte sie, auch von ihrem Ärger über Werbung in der Tageszeitung und einer Großmutter, die aus Versehen in ihrem Gewächshaus Hanf anpflanzte, Tee davon machte und sich über die Wirkung wunderte.

Die Steinacherin Hella Reißenberger konzentrierte sich in ihren Gedichten und Texten auf die Natur, Lebenserfahrung sowie wahre Geschichten, die das Leben schrieb, etwa von dem "Neulehrer", der aussah wie James Dean und es damit fertigbrachte, dass sich die Schülerinnen richtig anstrengten. "Dös wär doch a Idee für die Pisa-Studie!", schlug sie den entzückten Zuschauern vor.

Ilse Rudolf aus Mengersgereuth-Hämmern berichtete von früheren Wintern, als ihr Heimatort noch eine Skisprungschanze hatte, und vom "Letzten seines Standes", dessen Nachkommen sich nicht für sein Handwerk interessieren, und der weiß, dass mit ihm der Letzte seiner Zunft sterben wird. Mit ihren Gedanken zur "Spanischen Wegschnecke" traf sie den Humorkern der von Gartenarbeit geplagten Zuschauer.

Aus der "autonomen Nebelrepublik Spechtsbrunn" kam Margit Schiffner. Konzentration war angesagt, denn auch eingefleischte Mundart-Fans müssen schon genau zuhören, um den Dialekt aus dem Oberland zu verstehen. Sie erzählte Dorfgeschichten und Familiäres, Erzählungen aus dem Leben.

Heiter und besinnlich

Für spritzigen Humor sorgte Dirk Seliger aus Föritz, der sich ebenfalls den "braunen Schleimern" im Garten widmete sowie zahlreiche Anekdoten aus dem Schulalltag erzählte. In "Worüm" erklärte der 40-Jährige, weshalb er Mundart-Texte schreibt: "Weil ichs kaa", lautete seine pragmatische Antwort.

Ulla Steiner aus Gefell erzählte eine Begebenheit, wie sie sich tatsächlich im Sonneberger Arbeitsamt zugetragen haben soll: Von einem Arbeitslosen Mitte 50, der sich von seiner Vermittlerin mangelnde Flexibilität vorwerfen lassen musste und auf ihren Vorschlag, eine ärztliche Untersuchung machen zu lassen, entsprechend reagierte. Vom Mikrokosmos Dorf handelte ihre Erzählung "Dös Schouf".

Mit Antonia Zetzmann aus Mengersgereuth-Hämmern stand die Jüngste im Bunde am Mikrofon. Auch sie berichtete von den alltäglichen Kleinigkeiten, stichelte gegen ihre Altersgenossen in "Die Juchnd heitzedouch" und stellte fest, dass der Herbst mit der Stänicha Kerwa beginnt und mit der Mengerschgreuther aufhört.

Weitere Haltestellen des Mundart-Express': Samstag, 22. Oktober, 19 Uhr, Gaststätte "Zum Goldenen Anker" in Steinach, Karten (fünf Euro) unter (03 67 62) 3 27 60; Samstag, 29. Oktober, 19 Uhr, Hotelgasthof "Haus Sonneneck" in Theuern, Karten (fünf Euro) unter (03 67 66) 8 01 57.