Sonneberg - Eine kleine Gruppe von Lese-Enthusiasten traf sich dieser Tage in den Räumen der Stadtbibliothek. Bibliotheksleiterin Barbara Wronka begrüßte die Zuhörer und die Herausgeber des Buches "Nachgemacht" Michael Geithner und Martin Thiele im Namen der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen.

Geithner und Thiele sind selbst große Spielefans. Das führte sie zur Frage: Was spielten wir zu DDR-Zeiten und was spielten unsere Eltern? "Mir hatt'n doch nüscht!" meinte der Zwickauer Geithner. Vor allem ihre Elterngeneration bastelte sich ihre Spiele selbst - nach Westvorbild. So wurde "Sagaland" hundertfach kopiert, Spielfiguren aus spezieller Knetmasse hergestellt. "Da müssen doch in Kellern und auf Dachböden noch viele nachgemachte Spiele zu finden sein." Gesagt, getan: Die beiden Freunde fingen an, seit 2011 zu sammeln, was das Zeug hält. "Schnell merkten wir, wie viel DDR in uns steckt", so Thiele. "Wir kamen auf ganz neue Weise ins Gespräch mit den Menschen." Bei den Kopien von Monopoly waren die Bürger der sozialistischen Republik findig und kreativ. Straßen bekamen reale DDR-Namen, also Leninallee oder Platz der Völkerverständigung. Geschäfte wurden zu VEBs und Kombinaten. Ereigniskarten zeigten den Alltag im real-existierenden Sozialismus: "Du hast einen politischen Witz erzählt. Gehe sofort ins Gefängnis."

In den 70er und 80er-Jahren war Monopoly eines der beliebtesten Spiele in der Bundesrepublik. Das schwappte natürlich in die DDR hinüber. Thiele und Geithner betonen, dass dies keine verkappte Kapitalismussehnsucht war. Vielmehr war hier ein Spiel für Erwachsene auf den Markt gekommen. 80 Prozent der Spiele in der DDR waren für Kinder gemacht, vieles davon ging in den Export. Es gab auch Spieleerfinder, doch sie hatten es sehr schwer, berichtete das Duo. Produziert wurde nach Planvorgaben. "So hat Lothar Schubert fünf seiner Spielideen tatsächlich verkauft. Produziert wurden sie aus Materialmangel nie."

Mit einer besonderen Abart des Spieles Monopoly in den 1980er-Jahren nahm sein Urheber Martin Böttger damit den Staat aufs Korn. Das Spiel verbreitete sich unter der Hand. "Bürokratopoly" nannte er sein Spiel. Die Überlegung: Im Kapitalismus steht das Streben nach Gewinnmaximierung im Vordergrund. Im Sozialismus stabilisiert das Karrierestreben, das Streben nach Macht den Systemzusammenhalt.

Für die Stasi waren das natürlich staatsfeindliche Gedanken. Sie legte einen eigenen Aktenordner über Böttger und sein Spiel an, führten die Autoren aus.

Über 30 Jahre nach dem Entstehen wurde das Spiel von Pädagogen, Historikern und Spieleexperten neu aufbereitet und für den Schulkontext optimiert. Neben dem reinen Spiel steht den Lehrern mit Videos, Arbeitsblättern und Originaldokumenten umfassendes Zusatzmaterial zum Einsatz im Schulunterricht zur Verfügung. Martin Thiele und Michael Geithner haben die Erfahrung gemacht, dass sie neu mit der Elterngeneration über deren Leben in der DDR ins Gespräch kamen. Zum anderen wird mit "Bürokratopoly" spielerisch das Geschichtsbewusstsein der jungen Generation gefördert. Am Ende des Abends sagten die Teilnehmer: "Das war heute Abend eine tolle, faszinierende Begegnung." Eine andere Hörerin lobte "eine neue, neutrale Aufarbeitung unserer Geschichte."

Nachgemacht

Martin Thiele aus Saalfeld promovierte über Spielkultur in der DDR, Medienwissenschaftler

Michael Geithner aus Zwickau, Social Media Manager im DDR Museum Berlin

Martin Böttger, Zwickau, erfand 1983 das oppositionelle Spiel "Bürokratopoly" - gerne gespielt in Oppositionskreisen um Bärbel Bohley

als kostenloses Lehrmaterial ist das Spiel erhältlich über: www.buerokratopoly.de