Auf die Wortwahl achten
Dem Handwerk von Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern - eben mit Signalwörtern zu reizen - stellt der Mediziner seine Kritik gegenüber: "Darstellungen wie Alarm schlagen, Hochschnellen, im Kreisgebiet grassierende Pandemie, deutlich über dem Landesdurchschnitt, die am stärksten betroffene Region, besorgniserregend, Brennpunkt, Hotspot oder andere Superlative sind angesichts der tatsächlichen Situation aus ärztlicher Sicht nicht angemessen und haben das Potenzial, große Teile der Bürger eher zu verunsichern." Man laufe hierdurch Gefahr, dass durch überzogene Darstellungen die Akzeptanz für allgemeine, Corona-bedingte Einschränkungen sinkt.
"Wir beobachten seit einiger Zeit mit Sorge diese Art der medialen Darstellung. Aus unserer Sicht sollten aber Mitteilungen offizieller Stellen und Behörden ausschließlich der seriösen Information und Aufklärung dienen, gerade um die Akzeptanz für die medizinisch notwendige Fortsetzung der Maßnahmen des Infektionsschutzes aufrecht zu erhalten."
Aus Sicht der in der KV organisierten Mediziner im Kreis sind zwei wichtige Sondereffekte für die im Landkreis Sonneberg im Vergleich zu anderen Regionen gering abweichenden Zahlen zu vermuten:
Wer viel testet, reduziert bewusst die Dunkelziffer und muss selbstverständlich mit höheren Fallzahlen rechnen.
Die geographische Lage, wodurch sich die engen beruflichen und sozialen Bindungen zu den Bayerischen Nachbarstädten und Unterschiede bei Schutzmaßnahmen deutlicher auswirken können.
Die Tests ausgeweitet
Im Landkreis Sonneberg erfolgte vergleichsweise früh die Einrichtung eines landkreisweiten Krisenstabes unter Einbeziehung der ambulant und stationär tätigen medizinischen Fachkräfte und zwar wenige Tage nach Bekanntgabe erster Fälle in Thüringen und der Bundesrepublik, erinnert Franke. In lobenswert enger Kooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens und den regionalen Vertretern der Vertragsärzte, Kliniken, dem DRK und Behörden erfolgte schneller als anderswo der Aufbau einer zentralen Abstrichstelle. "Als erster Landkreis überhaupt eröffnete in Sonneberg am 23. März eine Röntgen- und Fieberpraxis als Teil des Katastrophenschutzes - lange vor anderen thüringischen oder bundesweiten Regionen. Sehr früh wurde seitens des Krisenstabes des Landkreises den Empfehlungen der Ärzte und des DRK gefolgt, möglichst viele Testungen nicht nur bei Verdachtsfällen, sondern auch bei medizinischem Fachpersonal und Hochrisikogruppen durchzuführen." Noch einen zweiten Aspekt bittet der KV-Obmann im Blick zu behalten: "Da wir an der Landesgrenze liegen und der Kreis im Fall von Sonneberg-Neustadt besonders dicht besiedelt ist, der Landkreis Sonneberg besonders eng mit Coburg verflochten ist, kommt es unweigerlich zur stärkeren Durchmischung und somit zu nachvollziehbar veränderten Fallzahlen." In Bayern verzeichne man aktuell rund 320 Corona-Fälle je 100 000 Einwohner, in Thüringen sind es 101 (Stand RKI, 29. April, 0 Uhr).
Statistische Tages-Effekte
Die relative Anzahl der Fälle je 100 000 Einwohner lag - Stand 29. April, 13.40 Uhr - für den Landkreis bei 173, die absolute Anzahl bei 97. Das ist im Thüringer Durchschnitt mehr, im Bayerischen weniger. Franke erläutert: "Die bloße Betrachtung derartiger Kennzahlen kann bei insgesamt niedriger Häufigkeit zum Teil tageweise deutliche statistische Effekte bedingen, die auch immer nur eine Momentaufnahme des gesamten Geschehens darstellen. Die Sonneberger Zahlen haben daher sicher weniger mit Fehlleistungen des Gesundheitswesens, der Bevölkerung oder mangelnder Hygiene zu tun."
Franke, ärztlicher Leiter und geschäftsführender Gesellschafter des Facharztzentrums in der Sonneberger Gustav-König-Straße, übermittelt stellvertretend für seine Berufskollegen abschließend den Kreis-Bürgern ein Dankeschön für das Erreichte: "Wir wollen den Menschen Mut machen, die strengen Hygienemaßnahmen und das konsequente Tragen von Mundschutz in öffentlichen Einrichtungen inklusive Arztpraxen durchzuhalten - denn dann sind die vertragsärztliche, stationäre Versorgung, der kassenärztliche Notdienst und der Rettungsdienst im Falle weiter steigender Zahlen für den kalkulierten Normalbetrieb gut gerüstet und weitere Lockerungen verkraftbar." anb