Schmalkalden - Nicht irgendein Earl-Grey-Tee durfte es sein. Twinings, Hoflieferant der englischen Königin, verwöhnte die Geschmacksrezeptoren des interessierten Publikums. In Kombination mit Othello-Keksen, englischem Teegebäck und After eight bildete er das ideale Extra einer außergewöhnlichen Veranstaltung. Die stimmungsvoll mit Kerzenlicht gedeckte lange Tafel war bis auf den letzten Platz besetzt, und Autorin Ulrike Böhm sorgte selbst für gedämpftes Licht.

Das geliebte England mit Kultautorin Jane Austen und die Ossi-Wessi-Problematik unter einen Hut zu bringen, heißt schon was. Die Meiningerin hat es fertiggebracht, in einem 580 Seiten starken Roman, der sich "aber gut weglesen lässt", wie sie sich habe versichern lassen. Schwer an Gewicht für ein Taschenbuch, aber leicht in der Lektüre ist "Ein Engel für Mr Darcy" tatsächlich.

Eine amüsante Kostprobe daraus gab sie während ihrer Lesung in der Heinrich-Heine-Bibliothek. Mit der Bibliothekarin Lisa Engel, die als Jane-Austen-Fan samt Kater Mr Darcy in einer Südthüringer Kleinstadt lebt und nach dem Fall der Mauer im eigenen Leben mit Stolz und Vorurteilen hautnah konfrontiert wird. Die Liebesgeschichte mit dem Halb-Engländer Simon Hadley-Ash gestaltet sich als kompliziert und gibt der ganzen Geschichte die nötige Spannung. Der älteste Sohn einer Adelsfamilie soll den Titel weitertragen. Er kommt zum Studium nach Deutschland und zunächst unter die Fittiche einer Hamburger Tante.

Den gespannten Bogen beim Formulieren gekonnt zu halten, das hat Ulrike Böhm bei einem Lehrgang für literarisches Schreiben im Fernstudium gelernt. Bei Erscheinen ihres Buches musste sie diese dreijährige Ausbildung kurzzeitig für die Öffentlichkeitsarbeit unterbrechen, demnächst wird sie ihren Abschluss machen. Die Übereinstimmungen mit Hauptfigur Lisa sind nicht zufällig: Auch Ulrike Böhme ist Bibliothekarin, übte ihren Beruf nach dem Studium in Leipzig und Erfurt über 15 Jahre aus, erst in einer Stadt- und Kreisbibliothek, dann in der Medizinischen Fachbibliothek eines größeren Krankenhauses im ehemaligen Bezirk Suhl.

Ihren ersten Jane-Austen-Roman las sie mit 16 Jahren. An den Austen-Gedenkstätten in England war sie zwar nicht selbst, hat sich von Freunden und Bekannten aber viel für ihr Buch erzählen lassen. Von ihrer ersten England-Reise aus dem Jahr 1999 schwärmt sie heute noch. Gemeinsam mit ihrem Ehemann habe sie sogar einen Streifzug durch die englische Küche gewagt und sei größtenteils nicht enttäuscht worden. "Nur an die baked beans auf toast habe ich mich noch nicht herangetraut", gestand sie. "Die schmecken aber köstlich", versicherte eine Schmalkalder Kollegin prompt.

Ein Angelpunkt der Diskussion im Anschluss war die "putzige royale Werbung", wie es Böhm formulierte. "Schließlich gibt es auch in Schweina einen Metzger, der damit wirbt, herzoglicher Hoflieferant zu sein", gab jemand zum Besten, und auch das Café Neumann in Meiningen, in dem Böhm ihre nächste Lesung halten wird, wirbt mit demselben hochtrabenden Titel. Auch das Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha als wichtige Verbindung zum englischen Königshaus wurde genannt. An Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen erinnerte die Autorin selbst.

Der kinderlieben Königin war es infolge von Frühgeburten und frühem Kindstod in traumatischer Weise versagt geblieben, der englischen Krone einen Nachfolger zu schenken. Ebenfalls erinnerte Böhm an den anhaltenden Frieden, in dem wir heute mit den Nachbarländern mittlerweile leben, und das sei "alles der EU zu verdanken."

Mit ihrer Meinung, dass die Kinder in der Schule viel zu wenig über die DDR erfahren würden, stand Ulrike Böhm ebenfalls nicht allein. "Meist wird das Thema sogar gar nicht behandelt", wusste die Meiningerin aus der Erfahrung mit den Fragen im Anschluss an ihre Lesungen bei jüngerem Publikum. "Und wenn man in Film und Fernsehen auf das Thema kommt, geht es immer nur um Stasi und Unterdrückung." In ihrem Roman "Ein Engel für Mr Darcy" habe sie das normale Leben in Ostdeutschland darstellen wollen, und zwar so: "Dass die Westdeutschen sehen, es ist nicht nur grau in grau gewesen, sondern es hat auch Sachen gegeben, die erhaltenswert waren." Organisatorin Dorothea Podlasly von der Heinrich Heine Bibliothek dankte nicht nur ihrer Kollegin Böhm für den interessanten Abend, sondern auch "der Sparkasse, die hilft, solche Veranstaltungen durchzuführen".