Schmalkalden – Richtig warm wurde Jana Hensel bei der späten Lesung im Schlosskeller nicht. Die Christlichen Wohnstätten Schmalkalden GmbH hatten die Bestseller-Autorin zu ihrer Feier zum 135. Geburtstag eingeladen. Auch wenn der Lesetisch auf dem opulent mit Herbstfrüchten geschmückten Podest schön anzusehen war, wichtiger war dann doch die wärmende Decke.

Eigentlich, so sagte Jana Hensel, lese sie schon nicht mehr aus ihrem Bestseller „Zonenkinder“. Sie habe sich das Buch sogar ausleihen müssen, weil sie selbst es nicht mehr besitze. Wichtiger sei jetzt ihr neues Buch „Neue deutsche Mädchen“, das sie gemeinsam mit Elisabeth Raether verfasst hat. Deshalb lese sie erstmals aus zwei Büchern. Das habe es bisher bei ihren Lesungen nicht gegeben.

Als sie „Zonenkinder“ schrieb, habe es die Ostalgiewelle noch nicht gegeben, entschuldigte sich die Autorin fast für den sehr persönlichen Rückblick. „Das Ende der Kindheit“ sei es gewesen, als die damals 13-Jährige mit ihrer Mutter in Leipzig zu den Montagsdemos ging. Augenblicklich war im Schlosskeller die Stimmung jener Tage wieder zu spüren. Die Angst, es müsse so weitergehen und die Ungewissheit über das, was kommen könnte. In dem kurzen Stück, das Jana Hensel mit leiser Stimme vortrug, fand sich mancher Zuhörer mit seinem eigenen Leben wieder. So störte es – fast – nicht, dass die Lesung von einem Riesenkrach, einem versehentlich eingeschalteten Fernseher, unterbrochen wurde. Zu stark wirkten die eigenen Erinnerungen und zu ehrlich waren die Reflektionen der Autorin.

In ihrem neuen Buch werde das Leben von zwei Frauen über 30 beleuchtet, kündigte die Autorin eine Geschichte aus „Neue deutsche Mädchen“ an. Sie erzählt von Scheidungskindern, von denen es in ihrer Generation viele gebe. Offenbar habe die gesellschaftliche Veränderung auch dazu geführt, „alte Partner abzulegen“.

Jana Hensel versucht, sich in dieser Erzählung ihrer Mutter zu nähern. Offen, als sei es ein persönlicher Brief, schildert sie ihre Sicht auf deren Leben. Es berührt viele Zuhörer, weil die Schriftstellerin die wechselhafte Stimmung einer Mutter-Tochter-Beziehung schaffen kann. Im gesellschaftlichen Kontext der Wende bekommt der klassische Konflikt eine neue Dimension. Ob und wie er zu lösen ist, lässt die Autorin offen. Aber sie gibt Müttern wie Töchtern Denkansätze mit auf den Weg.

Vielleicht hätte es nach dem Vortrag eine Fragestunde gegeben, wenn das Mikrofon nicht ausgefallen wäre. Es konnte zwar nach kurzer Pause ausgewechselt werden, aber da war die Geschichte schon fast am Ende. Auch wenn die größte Erfahrung dieses literarischen Abends sein sollte, Schriftstellerlesungen nicht in Räumen unter 18 Grad Celsius abzuhalten – die CWS haben nicht nur viele ihrer Mitarbeiter mit Dr. Frank Schirrmacher am Nachmittag und Jana Hensel einen Wunsch erfüllt, sondern auch begeisterte Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt in den Schlosskeller gelockt. lou