Meiningen Südlink-Gegner pochen weiter auf Öffentlichkeitsbeteiligung

Wolfgang Swietek, Birgitt Schunk
Mehr als 150 Südlink-Gegner aus Südthüringen und Franken waren gestern zur Protestaktion auf der Schanz bei Henneberg gekommen. Foto: Wolfgang Swietek

Henneberg und Fambach im Landkreis Schmalkalden-Meiningen waren zwei von sechs Stationen in Südthüringen, an denen es am Sonntag Proteste gegen den Südlink gab. Insgesamt protestierten etwa 500 Menschen.

 
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Henneberg/Fambach - Mit Transparenten wie «Suedlink - Nein Danke!» haben am Sonntag rund 550 Menschen an sechs Thüringer Orten gegen den Bau der geplanten Starkstromtrasse protestiert.

Mehr als 150 Bewohner von diesseits und jenseits der ehemaligen Grenze waren am Sonntagnachmittag an die alte Grenzübergangsstelle bei Henneberg - von den Einheimischen als die Schanz bezeichnet - gekommen, um ihren Unmut über die geplante Starkstromleitung Südlink zu bekunden. "Die Argumente sind bekannt, die wir gegen diese Leitung haben", so Meiningens Bürgermeister Fabian Giesder, "die müssen wir an dieser Stelle nicht immer noch einmal wiederholen." Und er fügte hinzu: "Wir im Osten fühlen uns ein weiteres Mal von der Entwicklung abgehängt, weil man unsere Argumente nicht zur Kenntnis nimmt. Weil man hier im Osten mit weniger Widerstand rechnet, hat man den geplanten Trassenverlauf so belassen." Dass eine Bitte aus der Region, während der Corona-Pandemie das Planungsverfahren auszusetzen, weil damit die Bürgerbeteiligung kaum noch möglich war, ungehört blieb, sei ein weiteres Zeichen, dass hier keine Verständigung gesucht wird. Dass so viele Bürger auf die Schanz gekommen sind, um ein deutliches Zeichen zu setzen, freute den Bürgermeister deshalb besonders.

Rund 150 Trassengegner kamen zum Aktionstag gegen den Südlink nach Fambach. Den so kurzfristig zu organisieren, hatte seinen guten Grund. "Während der Corona-Krise wurde im Handumdrehen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das eine eche Mitsprache der Bürger unmöglich macht und ihre Rechte beschneidet", sagte Jürgen Herrmann. Der stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Thüringer gegen Südlink" war der einzige Redner des Protesttages, zu dem Einwohner aus Fambach und auch Teilnehmer aus anderen Orten gekommen waren. Die Aktion sollte vor allem reinen Wein einschenken über die Verfahrensweise, die der Bund jetzt an den Tag legt. Bislang wurde die Öffentlichkeit bei den Planungen zum Südlink direkt gehört.

Es gab zahlreiche Veranstaltungen, zu denen die Bürger ihre Bedenken kundtun konnten - damit soll es nun vorbei sein. "Lediglich über Internet, Telefonkonferenzen oder Post sollen sie sich künftig äußern - die Corona-Krise wurde ausgenutzt, um das so durchzudrücken", erklärte Herrmann. So wollten Bund und Stromnetzbetreiber eine echte Bürgerbeteiligung aushebeln. "Jeder muss aber weiterhin die Möglichkeit haben, die Planungsunterlagen in einer Behörde einzusehen, um handeln zu können." Durch eine solche Verfahrensweise würden gerade ältere Grundstückseigentümer - die Mehrheit - von vornherein ausgeschlossen. "Ganz schnell wurde das neue Gesetz durchgeboxt."

Herrmann erläuterte noch mal, was die Gegner vom Südlink halten. "Der hat mit der Energiewende null Komma nichts zu tun", sagte er. Es gehe nicht darum, Windstrom vom Norden in den Süden zu transportieren. "Auch Kohle- und Atomstrom sollen durch diese Mega-Leitungen fließen, damit andere Geld verdienen - es geht um Stromhandel quer durch Europa." Er verwies auf neue Kohlekraftwerke, die in Polen gebaut würden. Südthüringen habe nur Nachteile von solch einer Trasse. "Wir dürfen alle den Blödsinn bezahlen und müssen auch noch die Eingriffe in Natur und Grundstücke ertragen."

Erleichtert waren die Organisatoren, dass alles ohne besondere Vorkommnisse ablief - gerade vor dem Hintergrund der Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen. Doch dagegen vorzugehen war nicht das Ziel. "Wir wehren uns dagegen, dass das Virus ausgenutzt wird, um unsere Rechte auf Mitbestimmung auszuhebeln", so Herrmann.

Insgesamt habe es bundesweit Aktionen an etwa 60 Orten gegeben, so Herrmann. Im Freistaat wurde außer in Fambach und Henneberg (Kreis Schmalkalden-Meiningen) auch in Lindigshof, Ifta, Barchfeld und Unterellen im Wartburgkreis demonstriert.

Die Aktivisten kritisieren auch, dass trotz Corona-Beschränkungen die Planungen für das Projekt vorangetrieben werden. Ißleib: «Corona wurde jetzt schamlos ausgenutzt, um die Bürgerrechte auszuhebeln.» Denn Veranstaltungen und Erörterungstermine zu dem Projekt seien mit Anwesenheit der Bürger nicht mehr möglich gewesen und stattdessen auf andere Kommunikationskanäle verlagert worden.

Die Trasse soll von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg führen, durch Niedersachsen, Hessen, Thüringen und Bayern. Gegner fürchten, dass darüber nicht nur Windstrom von Nord- nach Süddeutschland, sondern auch ausländischer Atom- und Kohlestrom fließen könnte. Die Fertigstellung fassen die Betreiber für 2025 ins Auge. Das Investitionsvolumen beträgt laut den Netzbetreibern Tennet und TransnetBW rund zehn Milliarden Euro.

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