Meiningen - "Mein Credo ist es, Amateurtheater mit professionellem Anspruch zu machen", sagt Elke Büchner. Ein hohes Ziel, dem sich die Meiningerin, die 2007 für ihre engagierte Arbeit mit dem Kulturpreis der Stadt geehrt wurde, seit nunmehr 25 Jahren stellt. Mit Augenzwinkern aber auch ein bisschen Stolz verweist sie auf das Doppeljubiläum im Jahr 2013: Georg Büchners 200. Geburtstag und Elke Büchners 25. Dienst-Jubiläum als Leiterin des heutigen Kinder- & Jugendtheaters Tohuwabohu. Mit der Inszenierung von Büchners satirischem Lustspiel "Leonce und Lena", die sie mit den jungen Mimen im Sommer 2013 erfolgreich auf die Bühne brachte, machte sie sich und dem Dramatiker auch ein Geburtstagsgeschenk. "Für mich war es eines der ästhetisch anspruchsvollsten Jugendtheaterprojekte", freut sich die Regisseurin und Tohuwabohu-Leiterin.

Eine besondere Bescherung brachte die darauf folgende Märchenpremiere "Die Bremer Stadtmusikanten" unmittelbar vor Heiligabend, die sie mit den jüngsten Spielern inszenierte. Die erfolgreichen Aufführungen vor einem dankbaren und beglückten Publikum waren für die Nachwuchstruppe und Elke Büchner nach monatelanger, teils nervenaufreibender Arbeit ein Geschenk. Gemeinsam mit den jungen Akteuren hat Elke Büchner das Grimm'sche Märchen neu interpretiert und aufgeschrieben.

"Ich finde es wichtig, dass die jungen Mimen sich über das Theaterspielen mit Problemen und Erscheinungen ihres Alltags auseinandersetzen. Es ist eine einzigartige Situation, Konflikte und Entscheidungen fiktiv durchspielen zu können", erklärt die Regisseurin und Theaterpädagogin. Durch Schauspielausbildung und Probenarbeit würden die Kinder und Jugendlichen auf besondere Weise etwas über sich selbst und ihr soziales Umfeld erfahren und gleichsam kritisch refektieren.

So ist das Kinder- & Jugendtheater Tohuwabohu, das derzeit rund 50 Mitglieder hat, die in fünf Kursen für Nachwuchs, Aufbau, Fortgeschrittene und neuerdings für Erwachsene an der Christophine Kunstschule Meiningen unterrichtet werden, auch eine Art Lebensschule. Generationen haben sie inzwischen durchlaufen, Meiningens Bürgermeister Fabian Giesder gehört dazu. Andere sind heute als Schauspieler, Dramaturgen, Regisseure oder Theaterpädagogen bundesweit tätig. Aber das sei nicht vordergründig das Ziel der Ausbildung, hebt die Leiterin hervor: "Theater ist eine kooperative und soziale Kunst, die es erlaubt, neue Haltungen zu riskieren, Kontakt- und Kritikfähigkeit zu trainieren und ein gesundes Selbstbewusstsein spielerisch zu erwerben."

Angefangen hat Elke Büchner 1988 mit einem Jugend-Schauspielzirkel am ehemaligen Meininger Kreiskulturhaus (heute Strupp'sche Villa). Geleitet wurde er damals noch von dem Schauspieler Heinz Viehrig vom Meininger Theater, der für seine Kollegin Helga Kapelle, die die Arbeit mit den Jugendlichen aufgegeben hatte, eine Nachfolgerin suchte. Die für Zirkelarbeit Verantwortliche Roswitha Fritz warb Elke Büchner, die damals noch in der Abteilung Kultur beim Rat des Kreises arbeitete. Über das Arbeiter- und Bauerntheater "Friedrich Schiller" in Bauerbach war sie zum Fernstudium an die Theaterhochschule nach Leipzig delegiert worden, wo sie von 1986 bis 1989 unter anderem Theatermethodik, Regie und Schauspiel studierte. Als Leiterin des Schauspielzirkels konnte Elke Büchner das erworbene Wissen gut anwenden, also sagte sie zu und übernahm zudem als Schauspielerin diverse Rollen in Bauerbach und am Meininger Theater.

"Der Baum der Geheimnisse" - ein Mitspielstück nach einem französischen Märchen - war die erste eigene Produktion als Regisseurin und Autorin, die Elke Büchner 1989 mit zwölf Kindern im Stanislawski-Klub des Kreiskulturhauses zur Premiere brachte. Es folgten kleinere Spielprojekte, wie zum Beispiel eine Szenencollage für Clowns 1991, in der Fabian Giesder als Achtjähriger erstmals in einer kleinen Rolle zu erleben war.

1991 wurde die Theatergruppe Mitglied des Thüringer Amateurtheaterverbandes (heute Thüringer Theaterverband e. V.). Ein folgenreicher Schritt, denn mit Hilfe des Dachverbandes konnte 1993 die erste Theaterwerkstatt SCHAU-SPIEL veranstaltet werden. Unterm Motto "Drei Gruppen - ein Tag" trafen sich etwa 30 Kinder und Jugendliche vorwiegend aus Meiningen, um sich einen Tag intensiv mit Theater zu beschäftigen. Inzwischen kommen über 130 Teilnehmer aus ganz Deutschland Jahr für Jahr im Frühjahr ein ganzes Wochenende nach Meiningen, um das Theaterhandwerk von Profis zu erlernen.

Natürlich stellte sich dieser Erfolg nicht von alleine ein. Nachdem 1994 der Schauspielzirkel zusammen mit anderen Zirkeln des Kulturhauses als Kunstschule der Meininger Volkshochschule angegliedert und damit Gebühren für die Kurse eingeführt wurden, kamen etliche Kinder nicht mehr. "Zu DDR-Zeiten hatten wir immer Geld für die Zirkelarbeit, wir mussten keine Fördertöpfe suchen", blickt Elke Büchner zurück. Doch sie gab nicht auf, warb über die Presse für die gute Ausbildung in den Schauspielkursen und bei der Stadt, dem Landkreis und dem Land Thüringen um Fördermittel zur Finanzierung der teilnehmerwachsenden Theaterwerkstatt und der anspruchsvoller und umfangreicher werdenden Projekte.

Daneben besuchte sie viele Fortbildungen sowie nationale und internationale Workshops und Festivals. Auf diese Weise konnte sie sich selbst künstlerisch und methodisch weiterentwickeln, aber auch als Regisseurin und Theaterleiterin immer wieder neue Impulse holen - und vor allem Kontakte knüpfen. In Magdeburg absolvierte sie ab 1994 eine Ausbildung zum Kulturpädagogen: "Es war ein Förderprogramm speziell für ostdeutsche Kulturarbeiter, um sie auf Westniveau zu heben", blickt sie ironisch lächelnd zurück. Trotzdem habe sie dort eine gute Ausbildung erfahren: "Ich habe viel Neues dazu gelernt, künstlerisch beispielsweise in Sachen performing arts, aber auch auf dem Feld des Kulturmanagements."

Irgendwann war Elke Büchner dann selbst anleitend tätig, gab Fortbildungskurse und Workshops für junge Theatermacher oder für Theaterpädagogen und Lehrer, beispielsweise an den Theatern Wiesbaden und Marburg oder auf Theaterfestivals in Rudolstadt, Erfurt, Frankfurt/Main und anderswo. Viele Profis, die sie bei all den Aktivitäten kennenlernte, holte sie sich später als Workshopleiter zu den Theaterwerkstätten nach Meiningen. So wurde daraus ein Unternehmen, das heute ein fester Bestandteil des Kulturlebens der Stadt ist und inzwischen auch treue Sponsoren gefunden hat, allen voran die Rhön-Rennsteig-Sparkasse und die Meininger Stadtwerke. Als im vergangenen Jahr ein großer Teil der Fördergelder durchs Land gestrichen wurde, initiierte Elke Büchner mit ihren Tohuwabohus eine einzigartige Spendenaktion, die von vielen Seiten, auch von Meininger Bürgern, unterstützt wurde.

Insgesamt 32 Produktionen und 21 Theaterwerkstätten hat die Theaterleiterin mit Tohuwabohu - seit 1993 firmiert die Truppe unter diesem Namen - in den 25 Jahren auf die Beine gestellt. Es sind alles "ihre Kinder", die sie durch die Arbeit liebgewonnen hat. Doch am schönsten sei "Der kleine Prinz" (2008) geworden, am stilisiertesten die "Hamlet-Assoziationen" (2006/07) und natürlich "Leonce und Lena", am meist geliebten "Das Wintermärchen" (2003): "Es sollte ursprünglich ein großes internationales Shakespeare-Projekt werden, zusammen mit zwei Amateurtheatergruppen aus Adelaide in Australien und Stratford in Großbritannien. Wir sollten den 2. Akt spielen, aber dann wurde das Ganze abgesagt und wir haben kurzfristig daraus eine Aufführung fürs Theatermuseum in den historischen Dekorationen aus der Georg-Zeit gemacht", erinnert sich Elke Büchner. "Es war der Beginn einer angenehmen, fruchtbringenden Zusammenarbeit mit den Meininger Museen."

Auf dieser Erfolgswoge könnte es nach dem Vierteljahrhundert weitergehen. Doch die Theaterleiterin, die in Personalunion Regisseurin, Autorin, Pädagogin, Besuchermanagerin, Finanzbuchhalterin und Organisatorin - von der Ausstattung über die Technik, Plakatierung bis hin zur Saalmiete und Reinigung der Kostüme - ist, sorgt sich um die Zukunft von Tohuwabohu. Sie sucht nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Interessenten gäbe es schon, allein die Finanzierung ist das Problem. Denn von dem Honorar für die Kurse und die zeitlich begrenzten Projekte kann sich kein junger Mensch eine Existenz aufbauen. "Das meiste meiner Arbeit ist Sozialengagement", gesteht Elke Büchner.

Bleibt zu wünschen, dass nach diesen 25 Jahren Kinder- und Jugendtheater Tohuwabohu unter der Leitung von Elke Büchner schon bald die Weichen für eine neue Ära gestellt werden.