Meiningen Landrätin: "Maßnahmen zum Schutz aller missachtet"

Kritik übte die Landrätin gestern an der Missachtung der Versammlungsauflagen bei den Demonstrationen am Wochenende.

 
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Meiningen - "Ich habe vollstes Verständnis für diejenigen, die durch die Krise hart gebeutelt sind - beispielsweise für Unternehmer aus dem touristischen Bereich. Und ich habe auch Verständnis für Menschen, die stark unter den sozialen Einschränkungen leiden. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass man die Vorgaben, die zum Schutz aller dienen, trotz mehrfacher Aufforderung missachtet", kritisierte Landrätin Peggy Greiser am Dienstag. Wer sich so verhalte, gefährde andere Menschen. Insgesamt waren am Sonntag auf dem Markt in Meiningen rund 400 Personen zusammengekommen. Ursprünglich waren für die zwei Versammlungen die momentan mögliche Maximalzahl von je 50 Teilnehmern angemeldet. Schon zu Beginn hatten sich deutlich mehr versammelt, um ihren Unmut zu den von Bund und Land beschlossenen Corona-Maßnahmen kundzutun. Zudem verschmolzen die Teilnehmergruppen der beiden eigentlich getrennten Kundgebungen. "Nur wenige Teilnehmer haben - wie beauflagt - einen Mund-Nasen-Schutz getragen und auch die Mindestabstände wurden zumeist nicht eingehalten", monierte die Landrätin. Weil Lautsprecherdurchsagen der Anmelder daran nichts änderten, habe eine Mitarbeiterin der Versammlungsbehörde die Auflösung der Zusammenkunft gefordert - begleitet von Buh-Rufen, Pfiffen und lautem Rufen der Demonstranten. Nur wenige entfernten sich darauf rasch vom Versammlungsort.

"Ich verstehe, wenn Menschen, deren wirtschaftliche Existenz bedroht ist, ihren Unmut kundtun wollen und sich für eine Lockerung einsetzen. Ich finde es aber widerlich, wenn bestimmte politische Strömungen aus Existenzängsten und Verunsicherung von Teilen der Bevölkerung politisches Kapital schlagen wollen und Verschwörungstheoretikern dafür eine große Plattform bieten", äußerte die Landrätin. So sei in Meiningen eine Unterschriftenaktion gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht gestartet worden, hätten Redner davor gewarnt, dass jedem beim Impfen ein Chip eingesetzt werde. "Wer so etwas verbreitet oder auch nur glaubt, sollte sich auf jeden Fall mal untersuchen lassen - aber nicht wegen Corona", spottete die Landrätin.

Die Lage sei immer noch ernst. Nicht mal die besten Wissenschaftler könnten voraussagen, was noch zu erwarten ist. "Ein Blick in die USA oder nach Großbritannien zeigt, wie schnell aus Populisten Totengräber werden", gibt Greiser zu bedenken. In den USA und Großbritannien seien bereits knapp 70 000 beziehungsweise 30 000 Menschen an Corona gestorben. "Ich appelliere daher an die Bevölkerung, weiterhin alle Kontakt- und Hygieneregeln zu befolgen", so die Landrätin. Dass Deutschland und Thüringen so gut im internationalen Vergleich dastünden, sei Folge der früh ergriffenen, konsequenten Maßnahmen. Die vergleichsweise niedrige Anzahl an Neuinfektionen sei kein Indikator dafür, dass das Virus weniger gefährlich sei. "Die jetzigen Lockerungen sind vorerst die äußerste Grenze des Vertretbaren gewesen und ich bin froh, dass auch Versammlungen in Thüringen wieder möglich sind. Aber es ist unabdingbar, dass die Auflagen strikt beachtet werden", forderte Greiser.

"Saftige Bußgelder"

Den Anmeldern der Versammlungen würden nun wegen Nichteinhaltung der Auflagen saftige Bußgelder drohen. Auch Teilnehmer könnten belangt werden. "Das gilt auch, wenn bei den Montagsspaziergängen, zu denen jetzt aufgerufen wird, gegen Hygieneregeln und die Kontaktminimierung verstoßen wird", kündigte die Kreischefin an.

Nicht alles nachvollziebar

Meiningens Bürgermeister Fabian Giesder macht sich ebenfalls Gedanken über die Demonstrationen. "Vielleicht ist es ein Trugschluss derer, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren, dass es gar nicht so schlimm sei. Sie würdigen nicht, dass die Maßnahmen erst dazu beigetragen haben, dass das Ganze eine gute Entwicklung nimmt. Es muss doch keiner glauben, dass Corona schon beendet ist", betonte er. Das Infektionsgeschehen sei da und werde wohl durch die Lockerungen neue Dynamik bekommen. "Wenn es auch so mancher verspottet - das oberste Gebot ist, Abstand zu halten." Giesder zeigte aber Verständnis, dass nicht jede Maßnahme von Bund und Ländern nachvollziehbar ist. "Da geht es mir ähnlich." Er wünsche sich, dass aus der vorherrschenden Meinung von Wissenschaftlern vieler Fachbereiche klare Spielregeln abgeleitet würden. "Man hat den Eindruck, dass die Stufen der Öffnung nach Lautstärke und Finanzkraft der Lobbyisten entschieden werden. Damit verspielt man die Akzeptanz in der Bevölkerung."

Dass er die Situation weiter so ernst nimmt, hat auch mit persönlichen Erfahrungen zu tun. "Die Krankheit ist unterwegs. Sie macht etwas mit den Menschen. Die müssen gar nicht alt sein", sagte Fabian Giesder sorgenvoll und hatte dabei einen Mitarbeiter im Blick, der einen schweren Krankheitsverlauf durchlebt. Ein anderer erkrankter Mitarbeiter konnte den Dienst bereits wieder aufnehmen, zwei sind noch krank, einer ist in Quarantäne. Momentan hat die Stadtverwaltung weiterhin keine offiziellen Öffnungszeiten, doch sind persönliche Termine nach telefonischer Vereinbarung möglich. "Es ist zum Schutz von Mitarbeitern und Besuchern. Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass die Verwaltung arbeitsfähig bleibt", begründete der Stadtchef.

Aktuelle Lage

Indes meldete das Gesundheitsamt am Dienstag zwei bestätigte Neuinfizierte seit Montag im Landkreis. Damit hat der Virus mittlerweile 100 Kreisbewohner ereilt, von denen 65 genesen sind. Zwölf Patienten werden stationär behandelt (vier wegen Corona, acht mit Corona). Neben den 32 Erkrankten befinden sich derzeit 117 Personen in Quarantäne, weil sie sich angesteckt haben könnten. Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus liegt unverändert bei drei.

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