Meiningen Krisenzeit auch im Frauenhaus bemerkbar

Die Corona-Krise fordert Opfer. Vor allem zwischenmenschlicher Art. Viele Paare und Familien "sitzen" Tag für Tag aufeinander, ohne Abwechslung durch Arbeit, Schule oder Treffen mit Freunden. Da kann es leicht zu Streit kommen.

 
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Meiningen - Er guckt in die Suppentöpfe und mischt sich ein, wenn sie kocht. Weil er nichts anderes mehr zu tun hat. Weil er wegen der Corona-Krise an die eigenen vier Wände gebunden ist. Weil er sich nicht mehr treffen kann mit seinen Kumpels. Weil der Arbeitgeber Kurzarbeit verordnet hat. Die eingeschliffene häusliche Arbeitsteilung löst sich auf. Es kommt zum Streit. Weil er es plötzlich besser weiß, weil ihr die Kompetenz abgesprochen wird für Dinge, für die sie bisher zuständig war. Das mögen die kleinen Unannehmlichkeiten sein, die die momentane Corona-Situation mit sich bringt. Was aber passiert in jenen Familien, die schon vor Corona von Streit zerrüttet waren? Das Meininger Frauenhaus hat seit anderthalb Wochen gerade damit besonders viel zu tun.

Kontakte

Das Meininger Frauenhaus ist telefonisch zu erreichen unter (03693) 50 20 26.

Die Polizei vermittelt zum Frauenhaus oder kommt beschützend zu Familien, in denen Gewalt eskaliert - Betroffene rufen an unter (03693) 1 10.

Die Beratungsstelle Interventionsstelle Hanna gegen häusliche Gewalt und Stalking ist erreichbar unter (03693) 50 52 11. Die Interventionsstelle Hanna ist für den Bereich der Landespolizeiinspektionen Gotha und Suhl zuständig.

Eins vorweg: Das Frauenhaus als Schutzeinrichtung mit vorübergehender Unterbringung von Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, hat auch in der derzeitigen Corona-Situation geöffnet. Das Meininger Haus ist zuständig für den Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und die kreisfreie Stadt Suhl. "Die Corona-Krise ist für uns schon merkbar. Seit fast zwei Wochen kommen bei uns vermehrt Anfragen ein", so Mitarbeiterin Maria Heß auf Nachfrage vom Meininger Tageblatt . "Ob körperliche oder psychische Gewalt - bei vielen Paaren oder Familien hat sich das schon lange angekündigt. Jetzt, wo die Frauen allein zu Hause sind mit dem Partner, bricht vieles verstärkt aus."

Auch psychische Gewalt

Vor allem die psychische Gewalt sei zunächst für manche Betroffene nicht richtig einzuschätzen. Gewalt also, die nicht mit Händen oder Fäusten ausgetragen wird. Es sind Verhaltensweisen, mit denen einer dem anderen emotionales Leid zufügt. Es ist schwer nachzuweisen, aber nicht minder gefährlich als Schläge. Beschimpfungen, Drohungen, Erniedrigungen, Ignoranz und Liebesentzug - dominantes Verhalten, das den anderen "klein hält", dessen Selbstvertrauen und dessen Achtung vor sich selbst zerstört.

Momentan sind sieben der acht Plätze im Meininger Frauenhaus belegt. "Doch auch wenn wir im Haus keinen Platz mehr haben sollten: Wir raten betroffenen Frauen, uns anzurufen oder bei der Polizei. Wir finden ganz sicher eine Lösung!", so Maria Heß weiter. "Wir führen auch ambulante Beratungen durch. Viele Frauen haben ähnliche Erfahrungen - Betroffene stehen nicht allein! Und vor allem wollen wir ihnen das Gefühl nehmen, dass sie schuld seien an der häuslichen Gewalt-Situation. Nichts rechtfertigt Gewalt von Männern an Frauen!"

Maria Heß weiß, dass es den betroffenen Frauen immer schwerfällt, im Frauenhaus anzurufen. Deshalb bittet sie Nachbarn und Bekannte, gerade jetzt in einer Zeit, in der soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken sind, "Augen und Ohren auf zu haben" gerade mit Blick auf jenes Gegenüber, bei dem schon früher immer mal lautstark Streit zu vernehmen war. "Auch wenn Sie sich unsicher sind - rufen Sie uns, die Polizei oder die Interventionsstelle Hanna an!"

Betroffene Frauen wollen oft zu Hause in den eigenen vier Wänden bleiben und wünschen sich einen Auszug des Partners. Die Polizei kann diesen "wegweisen für zehn Tage, in denen die Frau überlegen kann, wie es weitergehen soll". Heß weiter: "Über das Gewaltschutzgesetz kann die Frau per Eilantrag bei Gericht aber auch die Zuweisung einer anderen Wohnung für sich und die Kinder beantragen." Das dauert ein, zwei Tage. "Dann hat die Frau ein halbes Jahr Zeit, sich über ihren weiteren Weg Gedanken zu machen."

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