Verschiedene Reaktionen auf die Corona-Virus-Entwicklung trafen ebenso in der Psychotherapeutischen Praxis von Manuela Fuß, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, ein. Die Bandbreite reichte von Angst und Panik über Unverständnis bis hin zu Gelassenheit. "Natürlich ist Corona auch in meiner Praxis vermehrt Thema. Allerdings finden meine Patienten dann zumeist zurück zu ihren eigentlichen Problemen, derentwegen sie bei mir in Therapie sind." Viele ihrer Patienten im Alter zwischen 20 und 65 Jahren raten: Man sollte seine Einstellungen zu Corona relativieren - auch mit Blick auf die alle Jahre wiederkehrende Influenza mit ihren zahlreichen Todesfällen.
"Auf jeden Fall müssen wir die derzeitige Lage ernst nehmen. So eine Situation hatten wir ja noch nie. Und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass es bereits zahlreiche Todesfälle wegen Corona gibt. Mein Rat: Jeder sollte sich an die Regeln, an die Anweisungen halten, Ansammlungen von Menschen vermeiden." Um die eigene Angst, die mit Blick auf die beständige Berichterstattung in allen sozialen Medien ohne Zweifel schnell größer werden und sich verfestigen könne, nicht über Gebühr zuzulassen, schwört die Ärztliche Psychotherapeutin für Tiefenpsychologie auf Ablenkung.
"Machen Sie es sich schön zu Hause. Holen Sie sich Blumen ins Zimmer. Achten Sie auf die Natur, auf die Veränderungen, die jetzt täglich zu spüren sind. Wer einen Garten hat, sollte sich dort aufhalten. Licht tut gut. Das Singen der Vögel kann ebenso positive Signale senden."
Jeder sagt derzeit "Bleiben Sie gesund". Das habe man so vor Corona selten gesagt. Wichtig sei nun in Zeiten des eingeschränkten gesellschaftlichen Lebens, seinen Optimismus nicht zu verlieren. "Wir müssen uns der neuen Situation stellen. Unsere bisherigen Probleme treten in den Hintergrund. Jeder wird merken: Das, was für uns bisher selbstverständlich war wie Spazierengehen oder Essengehen, ist es auf einmal nicht mehr. So wird unsere eigene Kreativität jetzt umso mehr gefordert."
Zwei Seiten der Medaille
Wie jede Medaille habe deshalb auch die neue Lebenslage ihre zwei Seiten. Neben der ängstlichen, ungewissen eine entschleunigte. Man ist gezwungen, sein eigenes Lebenstempo herunterzufahren. Michaela Fuß: "Man macht jetzt Dinge, zu denen man vor Corona einfach nicht gekommen ist. Ich habe mir zum Beispiel drei Bücher gekauft für meinen anstehenden Urlaub. Eigentlich wollte ich verreisen. Die Reise ist hinfällig. Also lese ich ..." Und die Ärztin genießt die Zeit miteinander - mit Partner, Kindern, mit der Familie im eigenen Haushalt. Und wer fragt: Wie soll ich die zusätzliche Zeit zu Hause mit den Kindern füllen? Was mache ich, damit mir die sprichwörtliche Decke nicht auf den Kopf fällt? Dem antwortet die Fachfrau: "Holen Sie die Spiele raus! Kochen Sie gemeinsam. Sehen Sie sich wieder einmal einen Märchenfilm an. Jeden Tag nur zu hadern, das hilft ja auch nicht weiter."
Das Beste aus der Situation machen, das eigene "Omm", seine ruhige Mitte finden und nicht gleich bei jedem Husten des Anderen an Corona denken: Das sei ein Lernprozess, den wir angehen sollten, um auch trotz Corona und dem drastisch veränderten Lebenslauf noch liebevoll, nett und ohne Egoismus miteinander umgehen zu können. Ohne Stress in der Stimme und ohne Aggression. Und sei es nur noch am Telefon oder via Internet ...