Meiningen - Ganz und gar keine Lust auf einen Urlaub in Südfrankreich macht Birgit Vanderbeke mit ihrem neuen Roman "Der Sommer der Wildschweine". Dabei lebt die Schriftstellerin, die 1990 mit "Das Muschelessen" ihren literarischen Durchbruch hatte, selbst in einer französischen Kleinstadt. Ganz in der Nähe des idyllischen Bergdorfs Languedoc, wo Milan und Leo, die beiden Hauptfiguren des neuen Romans, einen schönen Urlaub verbringen wollen. Jahrzehntelang liegt die letzte Ferienreise zurück. Aber dann ereilt sie die Katastrophe - ein heftiges Sommergewitter, Strom weg, Straßen überflutet und dann noch eine Wildschweinplage.

Sie lebe gern in Südfrankreich erzählt Birgit Vanderbeke, nachdem sie aus dem ersten Kapitel ihres neuen Romans gelesen hat. Mit dieser Geschichte ziele sie aber auf ein anderes Thema. 30 000 Wildschweine seien in Südfrankreich im letzten Sommer abgeschossen worden. Als Ursache für die Plage vermutet die Schriftstellerin, die viele gesellschaftskritische Romane veröffentlichte, das Fracking. In einem weiträumigen Terrain der Cevennen werde nach Schiefergas gesucht. Durch die Bohrungen bebe die Erde, das verjage die Tiere aus den Wäldern.

Mit diesem Thema stieß Birgit Vanderbeke natürlich auf offene Ohren unter den Zuhörern. Sie berichteten von den angekündigten hiesigen Erdwärme-Bohrungen. "Das ist also ihr Buch!", stellte die Schriftstellerin fest. "Da wird es bald auch bei ihnen beben." Über dieses Thema hinaus interessiere sie aber vor allem, was heute aus jungen Leuten wird, wie sie sich durch die Krisen schlagen und welche Alternativen sie haben.

Als Zugabe las Birgit Vanderbeke noch aus ihrem "Muschelessen". Ein Buch, das sie zu ihren Lesungen immer bei sich habe, gestand sie. Und freute sich, dass sie für dessen englische Übersetzung auf die Shortlist für den Independent Foreign Fiction Award 2014 kam. Köstlich, aus dem Munde der Schriftstellerin zu hören, wie sie das Warten auf den Vater, einem Despoten, zum Muschelessen beschreibt. Bis zur Unerträglichkeit steigern sich die Gefühle der Tochter beim Kochen - wie die Muscheln anfangs noch leben, im heißen Wasser ihre Schalen öffnen und klappern ...

In all ihren Büchern, so auch in diesem Debütroman, hat Birgit Vanderbeke Authentisches verarbeitet. Neugierig von den Zuhörern danach befragt, erzählte sie zum Schluss einiges über ihren Weg, der im brandenburgische Dahme begann. Vorm Mauerbau flüchteten die Eltern mit ihr in den Westen. Nach der Wende überlegte sie kurz, mit ihrer Familie zurückzugehen, entschied sich dann aber für Südfrankreich und ein Häuschen. Mit Mäusen, Ratten und Wildschweinen - wie im "Sommer der Wildschweine".