Meiningen Abitur - und dann ran an die Pedale

Anne Ullrich

Manche junge Leute zeigen in Zeiten von Corona und begrenzter Mobilität ganz besondere Interessen, um ihrem Erkundungsdrang nachzugehen - so Robert Müller aus Empfertshausen und Niklas Erdmann aus Stedtlingen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Für viele Abiturienten folgt gewöhnlich auf das Abenteuer Schule recht zügig und nahtlos das Abenteuer der Berufsausbildung und des Studiums. Dazwischen wird oft erst noch einmal im Urlaub entspannt, dann eine Wohnung gesucht und der zukünftige Arbeitsort erkundet. Manchmal gehen die jungen Leute auch ins Ausland, um die
große weite Welt zu erkunden.

Doch in diesen besonderen Zeiten entwickeln so manche ehemaligen Schüler ganz besondere Ideen, so auch Robert Müller aus Empfertshausen und Niklas Erdmann aus Stedtlingen. Ersterer hatte die einfallsreiche und spannende Idee, anstatt eines Auslandsaufenthaltes nun eine Fahrradtour durch Deutschland und das Nachbarland Tschechien zu machen. In seinem Schulkameraden vom Thüringischen Rhön-Gymnasium Kaltensundheim fand Robert einen begeisterten Mitstreiter und ebenso talentierten Organisator. Schnell stand fest, dass es nach Prag gehen sollte, denn hier waren beide noch nie gewesen und wollten unbedingt die Sehenswürdigkeiten der Stadt erkunden.

Fahrradtaschen für die Mountainbikes wurden zügig beschafft und das Nötigste wie Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Klamotten und etwas Verpflegung gepackt. Nach Prag wurden sieben Etappen geplant, an denen man hauptsächlich Campingplätze ansteuern, aber auch bei Bekannten oder Freunden übernachten wollte. Und so ging es am 20. Juli mit höchster Motivation los. "Grundsätzlich liefen die ersten Etappen wie am Schnürchen", erzählen die Rad-Urlauber, "doch wenn man 70 Kilometer mit dem Fahrrad in strömendem Regen zurücklegt, dann wird es schon etwas ungemütlich." Aber von so einem bisschen Regen ließen sich die beiden Rhöner nicht abschrecken, denn sie hatten ja ihr Ziel Prag schon fest im Visier.

Klassische Camping-Verpflegung mit dem Gaskocher stand ebenso auf dem Speiseplan wie eine schnelle Pizza, wenn es abends nach dem Zeltaufbau und der ersehnten Dusche auf dem Campingplatz spät geworden war. Sonst gab es natürlich für Gesundheit und Fitness viel Obst auf dem Speiseplan, und weil es so einfach ist, verschiedene Nudelgerichte.

"Wir sind meistens auf Strecken gefahren, die Google Maps vorgegeben hat. Das war schon sehr abenteuerlich, denn die Feldwege waren teilweise nicht mehr zu erkennen und wir kämpften uns mit unseren Mountainbikes nur durch Felder und Wiesen", berichtet Robert. Nach der tschechischen Grenze in Eger gönnten sich Robert und Niklas einen Tag Aufenthalt, denn der dortige See lud zum Baden ein. Doch bald ging es zügig weiter, denn das nächste Apartment war bereits gebucht. Zur Überraschung erinnerte dies eher an einen schlechten amerikanischen Horrorfilm als an deutsche Übernachtungsmöglichkeiten. "Der Ort bestand gefühlt aus vier größeren Gehöften und das fünfte war das Apartmenthaus. Mit einer mit Klebeband verstärkten Tür und der Einrichtung fanden wir das Ganze schon etwas gruselig", bemerkten die beiden Jungs.

Tschechien: ruhige Trasse

Nach ungefähr 510 gefahrenen Kilometern und acht Tagen unterwegs, davon sieben Radtage, erreichten die beiden Abiturienten ihr Ziel Prag. In der Tschechei war selbst auf den Hauptstraßen wenig los "Da findet man ja auf deutschen Radwegen mehr Autos als hier auf den Hauptstraßen. Nur um Prag herum war dann etwas mehr Verkehr", bemerkte Niklas etwas humorvoll. Schnell wurde auch ein Hostel zum Übernachten gefunden. Zu beider Überraschung trafen die Rhöner auf Schulkameradin Madlen Danz und ihren Bruder Michael, auch aus Empfertshausen. Diese waren unterwegs auf einer dreiwöchigen Städtereise durch Europa. Kommentar der Abenteurer: "So klein ist doch die Welt, aber cool ist es ja, denn nun konnten wir zu viert auf Sightseeing-Tour gehen." Und jede Menge Kunstwerke verschiedener Epochen bewundern. Die ehemaligen Schüler stellten mit Humor fest, dass doch noch etwas Wissen aus dem Deutsch- und Kunstunterricht und den Vorbereitungen für die mündliche Prüfung in eben diesem Fach hängen geblieben ist. Begeistert waren die vier auch von der berühmtesten Schwarzbierkneipe Europas U Fleku, ebenso wie vom Tretbootfahren auf der Moldau oder der Karlsbrücke mit ihren Straßenmusikanten und der Prager Burg.

Nach dem Prag-Aufenthalt ging es auf dem Elbe-Radweg nach Dresden über Meißen bis nach Grimma weiter. Das sind immerhin insgesamt rund 820 bisher gefahrene Kilometer. "Dort sind besonders viele Familien unterwegs und man kommt auch ins Gespräch mit anderen Rad-Urlaubern. Und irgendwie haben wir dabei auch schon die Zeit vergessen und nicht daran gedacht, dass es Sonntag ist und nach unserer Ankunft auf einem Campingplatz ja gar keine Geschäfte zum Verpflegungskauf offen haben. Da mussten wir uns halt eine überteuerte Pizza bestellen, um nicht hungrig schlafen gehen zu müssen", erzählte Robert Müller.

Bisher sind er und Niklas ganz zuversichtlich, dass sie es auch noch etwas weiter schaffen. "Die Fahrräder halten gut durch und außer ein wenig Luft nachpumpen musste bisher nichts repariert werden. Für alle Fälle haben wir jedoch Flickzeug und Ersatzschläuche dabei. Und körperlich geht es auch ganz gut, unsere vier Buchstaben haben sich gut an das Radeln gewöhnt." Zum Geburtstag eines Freundes wollten beide pünktlich in Leipzig sein. Dabei hofften sie auf gutes Wetter, damit das Zelt endlich wieder getrocknet werden kann.

Dass in Tschechien die Corona-Hygieneregeln kaum eingehalten werden, fiel den beiden besonders auf. So waren sie froh, doch wieder in Deutschland angekommen zu sein - denn wenn etwas passiert, ist es hier ja viel einfacher zu organisieren. Aber eines werden beide sehnlichst vermissen: das preiswerte und gut schmeckende tschechische Bier. Alle Achtung vor den bis jetzt geschafften Strecken - würde doch mancher schon nach einer Etappe schlappmachen.

Man darf gespannt sein, wie’s weitergeht. (Fortsetzung folgt).

Bilder