Arnstadt Viele Fragen und nicht immer eine Antwort

Berit Richter

Händler und andere Kleinunternehmer beschäftigen in diesen Tagen viele Fragen und Ängste. Der Arnstädter Unternehmerverein versuchte, spontan zu helfen.

 
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Arnstadt - Darf ich mein Geschäft überhaupt noch öffnen? Wie bekomme ich Kurzarbeitergeld für meine Mitarbeiter? Wer ersetzt mir verderbliche Waren? Wer ersetzt mir den Schaden, wenn trotz Öffnung die Kunden ausbleiben? Es sind viele Fragen, die in diesen Tagen Händlerinnen und Händler, aber auch Taxiunternehmen, Gastronomen und viele weitere Kleinbetriebe beschäftigen. Viele treibt dabei die Sorge um die Existenz ihres Betriebes, die Zukunft ihrer Mitarbeiter und die eigene finanzielle Lage um. Die Politik gibt bisher nur bedingt Antworten.

Vor diesem Hintergrund entschied sich der Arnstädter Unternehmerverein, am Dienstagabend kurzfristig eine Telefonkonferenz anzuberaumen. "Die Idee hatte Stefanie Köhler", erzählt Stefan Rienecker, Vorstandsmitglied und von Beruf Anwalt. Wie viele Fragen aktuell die Unternehmerinnen und Unternehmer beschäftigen, merkt er jeden Tag. "Bei uns steht das Telefon kaum still. Wir könnten eine Corona-Hotline einrichten."

Und so versucht Rienecker erst einmal zu beruhigen. Noch müsse in Arnstadt, im Ilm-Kreis kein Ladenlokal, das zum Beispiel Bekleidung oder Schuhe verkaufe, schließen. Zwar habe dies die Bundesregierung empfohlen, doch weder vom Land noch vom Kreis gäbe es bisher eine entsprechende Allgemeinverfügung. Auch die Dienstagabend von Landrätin Petra Enders erlassene hat nicht den Einzelhandel zum Inhalt.

"Die Situation stellt uns alle vor Herausforderungen, nicht nur technisch, sondern auch mit all den Unabwägbarkeiten, die jetzt vor uns liegen", gibt Stefan Rienecker seinen Zuhörern als erstes mit auf dem Weg. "Es macht aber keinen Sinn, jetzt kopflos durch Welt zu laufen und zu sagen, alles wird schwieriger. Ich denke, es sind überschaubare rechtliche Probleme. Die kriegen wir geregelt." Manches, gerade was Entschädigungen angehe, sei aber vor allem eine politische Entscheidung. Denn aktuell gilt: Werden die Geschäfte per Anweisung geschlossen, gibt es nach dem Infektionsschutzgesetz Geld. Bleiben sie auf, aber die Kunden weg, dann sieht es schlecht aus.

Präzedenzfälle gäbe es aktuell natürlich noch keine. "Wir können nur streng am Gesetzestext arbeiten", so Rienecker und erklärt, dass sich die Entschädigung dann nach dem richtet "was unterm Strich übriggeblieben wäre, hätte mein Laden normal offen gehabt." Dies nachzuweisen, sei nicht immer einfach, er rechne da aber auch mit einem kulanten Vorgehen der Behörden. Wichtig sei, die Fristen zu wahren. Spätestens drei Monate nach dem Verbot müssen die Anträge gestellt sein. "Das heißt natürlich nicht, dass es dann schnelles Geld gibt", weiß Rienecker auch, dass so mancher nicht Monate Zeit hat. Für schnelles Geld müssten "politische Lösungen" her.

Er werbe bei den Arbeitgebern dafür: "Wenn ihr die Liquidität habt, dann zahlt eure Arbeitnehmer weiter. Wenn nicht, sucht das Gespräch und werbt um Verständnis." Besser sei dann aber, Kurzarbeit zu beantragen, statt die Mitarbeiter zu entlassen. Für keine gute Idee hält der Anwalt die Krankschreibung per Telefon. Dadurch sei "Missbrauch Tor und Tür" geöffnet.

Eine halbe Stunde lang erläutert Stefan Rienecker die Rechtslage. Dann ist Zeit für Fragen. Norman Buckenberger meldet sich als Erster zu Wort, macht sich Sorgen um das familieneigene Taxiunternehmen. "Wir werden bald wohl nur noch Krankenfahrten machen", fürchtet er. Doch was, wenn auch dafür das Geld erstmal ausbleibt, weil Abrechnungsstellen geschlossen haben? Zumal die Zahlungen sich auch sonst schon um mehrere Wochen verzögern. "Wir gehen die ganze Zeit in Vorkasse", so Buckenberger. Lange halte sein Unternehmen das nicht aus. "Wir kommen ja jetzt auch nicht an schnelles Geld." Die Hotlines bei Sparkasse und Aufbaubank seien ständig besetzt. "Wir haben ja auch eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter", betont der Unternehmen. Die seien jetzt schon auf Kurzarbeit.

Die aktuelle Rechtslage, so erklärt Stefan Rienecker auf eine weitere Frage, besage, es müssten zunächst Überstunden und Urlaube abgebaut werden. Letzterer aber nur anteilig nach dem bisher erworbenen Anspruch. Auch heiße Schließen eines Geschäftes für die Kundschaft nicht automatisch, auch die Mitarbeiter nach Hause zu schicken. "Wenn der Arbeitgeber sagt, wir machen jetzt Inventur oder Renovierungsarbeiten, dann ist s in Ordnung." Da sei es auch möglich, andere "zumutbare Arbeit" als die übliche Tätigkeit den Mitarbeitern zuzuweisen.

"Ich habe zum größten Teil saisonale Ware. Wenn ich jetzt schließen muss, kann ich das meiste wegwerfen", fürchtet Mandy Zentgraf. Auch habe sie in Vorbereitung der Oster- und Frühlingsmärkte viele Frischblumen. "Muss ich das abschreiben oder kriege ich Entschädigung", will sie wissen. "Ich fürchte, für viele kleine Unternehmen wird es schwierig, kalkulatorische Grundlagen aus der Vergangenheit nachzuweisen", fürchtet Stefan Rienecker. "Ich hoffe, dass ziemlich kulant entschieden wird, sonst werden viele Rechtsstreite geführt werden."

Ein anderes Problem beschäftigt Stefanie Köhler. Ihr Zulieferer will aktuell nicht ausliefern, später im Jahr aber auf Abnahme bestehen. Doch dann ist die Saison für diese Mode wohl längst vorbei. "So nicht", sagt Stefan Rienecker. Wenn der Händler nicht liefern könne, könne Köhler vom Vertrag zurücktreten.

Eine Stunde dauert die Telefonkonferenz. Die eine oder andere Angst konnte Stefan Rienecker nehmen. Doch viele Fragen bleiben und vor allem der Wunsch an die Politik nach schnellem und unkomplizierten Helfen. Im Arnstädter Unternehmerverein will man auf jeden Fall einander beistehen. "Es war eine gute Idee. Wir können es gern wiederholen", bietet Stefan Rienecker am Ende an.

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