Stadtilm - Ein Herr mittleren Alters sucht einen Geschirrspüler für seinen Sohn, dem das Schicksal in der jüngsten Zeit übel mitgespielt hat. "Seine Frau gestorben, arbeitslos und Schulden...", umschreibt der Mann kurz das Dilemma, in dem sein Sohn gerade steckt.

"Und jetzt ist ihm auch noch der Geschirrspüler kaputt gegangen. Bezahlen kann er keinen neuen, deshalb bin ich hier, in der Hoffnung, ein Gerät zu finden", sagt er. Und Schicksale dieser Art und ähnliche gibt es viele. Genau für diese Menschen hat Werner Müller mit seiner Frau Monika vor nunmehr sieben Jahren das "Gib & Nimm-Haus" im Stadtilmer Lohmühlenweg eröffnet, und natürlich für jene, die gern etwas hergeben, aber wissen möchten, dass es in gute Hände kommt, umschreibt Müller das Konzept kurz. "Damals habe ich einen Vortrag von Heidemarie Schwermer gehört, die schon seit Jahren ohne Geld und Wohnung lebt. Das hat mich auf die Idee zu einem solchen Haus gebracht. Die Räumlichkeiten waren vorhanden. Ich hatte schon vorher eine Lagerhalle von der ehemaligen LPG erworben, eigentlich für meine damalige Fassadenbau-Firma, für die ich jedoch Insolvenz anmelden musste und alles, sogar meine Wohnhäuser, verloren habe. Die Räumlichkeiten waren also vorhanden, die Idee entstand durch die eindrucksvollen Erzählungen von Frau Schwermer - es konnte also losgehen", erinnert sich Möller. "Und es tat mir sehr gut, nach dem Verlust meiner Firma wieder etwas Sinnvolles zu tun." Über den Meridian-Verein, in dem er aktiv mitarbeitet, waren schnell Mitstreiter für das damals noch neue Konzept in Stadtilm gefunden - Geben und Nehmen ohne Geld. Wer etwas abgeben möchte, Waren oder auch Leistungen, kann dies jederzeit, nahezu rund um die Uhr, tun. Das Haus ist täglich, auch an Sonn- und Feiertagen, geöffnet, dank der ehrenamtlichen Hilfe von Meridian-Vereins-Mitgliedern. Aber auch jeder, der etwas braucht, aber kein Geld hat, sich das zu kaufen, kann kommen und holen, wenn er etwas findet. "Es ist nicht Bedingung, etwas abgeben zu müssen, wenn man etwas haben möchte", hebt Werner Möller hervor. Und so entstand Schritt für Schritt das neue, andere Kaufhaus, in dem keine Kasse klingelt. Vor allem sozial schwächere Menschen kommen hierher, um sich eine neue Jacke, eine Hose oder ein Spielzeug für Kinder oder Enkelkinder auszusuchen. Aber auch sie kommen nicht immer mit leeren Händen, meist haben sie eine Kleinigkeit dabei, die sie hergeben möchten, und wenn es ein Tütchen Futter für die Katze der Müllers ist. "Rund tausend Leute kommen im Monat her, geben etwas ab oder nehmen etwas mit - und die Zahl derer, die etwas brauchen, wird leider immer größer", resümiert der Wahl-Thüringer. "Wenn ich aber merke, dass doch manche Dinge länger in den Regalen liegen bleiben, meist sind das Kleidungsstücke, packe ich Pakete und schicke diese in Krisengebiete, wo sie den Menschen dann dort weiterhelfen. Rund 400 große Pakete kommen so im Jahr zusammen, die wiederum kostenlos über ein Netzwerk aus Vereinen und Organisationen auf die Reise geschickt werden", erzählt er. Und ist davon überzeugt: "Wenn ich heute etwas gebe, kommt es morgen doppelt zu mir zurück."

Genauso unendlich vielfältig wie die materiellen Dinge, sind auch die ideellen, die im Gib & Nimm geboten oder gesucht werden können: Zum Beispiel Hilfe bei Gartenarbeiten, Malerarbeiten, Babysitter oder auch Hilfe im Haushalt - die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Werner Müller appelliert an die Bevölkerung, Sachen und Geräte, die man noch verwenden kann, hier im Haus abzugeben, anstatt sie auf den Müll zu werfen. "Hier bleibt garantiert nichts liegen."

Übrigens, dem Herrn, der den Geschirrspüler für seinen Sohn sucht, kann sicher bald geholfen werden. "Wir haben ein Netzwerk mit mehr als 1 500 Mail-Adressen in unserer Gib & Nimm-Gemeinde ..."

Am 23. Juni wird die Initiatorin der Gib & Nimm-Bewegung, Heidemarie Schwermer, zu Gast in Stadtilm sein, aus ihrem Leben erzählen und ihr neues Buch "Wunder Welt ohne Geld" vorstellen. Freunde und Interessierte der Gib & Nimm-Bewegung sind ab 14 Uhr herzlich willkommen.