Arnstadt ÖPNV-Debatte wird zur Schlammschlacht

RBA fährt als Konzessionär die Linien im nördlichen Ilm-Kreis. Bei einem kommunalen Unternehmen müsste der IOV die Linien ab Juli 2019 übernehmen. Quelle: Unbekannt

Die Debatte um die Kommunalisierung des ÖPNV im Ilm-Kreis spitzt sich zu. CDU und FDP werfen der Landrätin Befangenheit vor. Die wiederum spricht von bösartiger Verleumdung. Und auch das Landgericht musste schon eingreifen.

 
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Arnstadt – Eine Gerichtsverhandlung, Vorwürfe der persönlichen Verleumdung, der Verdacht einer Medienkampagne und das Nachtreten gegen einen – zumindest bald – ehemaligen Partner. Die Debatte um die Kommunalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis wird immer mehr zur Schlammschlacht, die es schwer macht, überhaupt noch den sachlichen Hintergrund zu verstehen.

Der ÖPNV im Ilm-Kreis soll kommunalisiert werden, um einer europaweiten Ausschreibung aus dem Weg zu gehen. Das zumindest beschloss der Kreistag in nicht-öffentlicher Sitzung am 6. September mehrheitlich mit den Stimmen von Rot-Rot-Grün. Auch Landrätin Petra Enders (Linke) stimmte für den Beschluss. Jetzt, fast acht Wochen danach, ist das ein Dorn im Auge der CDU/FDP-Fraktion. Deren Vorsitzender Andreas Beyersdorf sagte am Donnerstag gegenüber dem MDR, der Beschluss hätte öffentlich gefasst werden müssen. Außerdem wirft er der Landrätin Befangenheit vor. „Ihre Familie besitzt ein Reisebus-Unternehmen. Mann und Sohn arbeiten dort. Enders Touristik steht daher mit der Regionalbus Arnstadt GmbH auf dem Geschäftsfeld der Ein- und Mehrtagesreisen in direkter Konkurrenz.“

Petra Enders reagierte am Freitag empört auf diese Vorwürfe, sprach sogar von böswilliger Verleumdung. „An dieser Stelle ist der Weg der politischen Debatte verlassen. Das zielt gegen mich und meine Familie und gleicht einer Rufschädigung“, sagte die Landrätin auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz. „Im Unternehmen meines Mannes gibt es einen einzigen Reisebus und ein Taxi. Es erschließt sich mir beim besten Willen nicht, welchen Vorteil er aus der Kommunalisierung des ÖPNV ziehen könnte.“

Auswirkungen auf die Abstimmungsergebnisse hätte eine Enthaltung Enders übrigens nicht gehabt. Sowohl im Kreisausschuss, der über die Nicht-Öffentlichkeit beschlossen hatte, sowie im Kreistag, der die Kommunalisierung beschlossen hatte, wäre das Ergebnis gleich ausgefallen. Nun aber wittert Enders eine Medienkampagne gegen ihre Pläne und ihre Person. So kann sie sich nicht erklären, weshalb Passagen einer Medienanfrage, die im Landratsamt einging, wortwörtlich in der Dienstaufsichtsbeschwerde Beyersdorfs vorkommen. Gibt es gar einen Maulwurf in Enders Umfeld?

Die Landrätin jedenfalls war am Freitag sauer und sah sich dazu gezwungen, ihre Pläne ins rechte Licht zu rücken. So betonte sie, dass es immer ihr Ziel war, mit beiden im Ilm-Kreis vertretenen ÖPNV-Unternehmen – der IOV in Ilmenau und der RBA in Arnstadt – einvernehmlich eine Lösung zu finden.
Die IOV zieht auch gemeinsam mit Enders an einem Strang, RBA-Geschäftsführer Knut Gräbedünkel allerdings hat andere Pläne. Ein Verkauf der eigenen Anteile an den Kreis kommt für ihn nicht in Frage. Der Kreis kündigte deshalb die Zusammenarbeit mit der RBA zum 31. Dezember dieses Jahres auf.

Fronten sind verhärtet

Die Fronten zwischen RBA und Enders sind seitdem verhärtet. Am Freitag – so erweckte es fast schon den Anschein – trat die Landrätin gegen den ehemaligen Partner kräftig nach. „Es wird immer behauptet, wir würden ein Unternehmen zerstören, dass seit Jahrhunderten im Familienbesitz ist. Das stimmt nicht. Die RBA wurde erst 1999 aus einem kommunalen Gebilde heraus gegründet“, sagte sie.

Doch egal, wie die Unternehmensgeschichte nun genau aussieht: Knut Gräbedünkel, der die Firma von seinem Vater Siegfried übernahm, sorgt sich um die Zukunft der RBA. Er bewarb sich deshalb auch um den Personenverkehr im Landkreis Gotha. Daraus entstand nun ein weiterer Nebenschauplatz der hitzigen Debatte. Gräbedünkel tat dies nämlich, ohne davon die Ilm-Kreis Personenverkehrsgesellschaft (IKPV) – ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des Kreises als Bindeglied zwischen den Akteuren – in Kenntnis zu setzen. Per Einstweiliger Verfügung wollte Enders deshalb Einsicht in die Bewerbungsakten haben.

„Es war zu befürchten, dass die RBA, wenn sie den Zuschlag für Gotha erhält, ihre Aufgaben im Ilm-Kreis nicht mehr wahrnehmen kann.“ Am Freitag wurde vor dem Erfurter Landgericht über die Einsichtnahme verhandelt – vorerst allerdings ohne Ergebnis. Da ein benötigter Handelsrichter sich krank meldete, konnte kein Beschluss gefasst werden. Der Vorsitzende Richter allerdings machte gegenüber den Beteiligten bereits deutlich, dass der Antrag der IKPV wohl keine Chance habe, da die RBA erst im kommenden Jahr in Gotha fahren würde – und damit nach Ende der Kooperation mit der IKPV.

Noch ohne die Ergebnisse aus Erfurt zu kennen, nutzte Enders am Freitag in ihrer Presserunde die Gelegenheit, herauszustellen, weshalb die RBA nicht weiterhin Partner des Kreises sein könne. So machte die Landrätin deutlich, dass die RBA über viele Jahre hinweg nicht nur im Personennahverkehr tätig war, sondern auch noch im Holzhandel und im Tourismus. Bis heute würde die RBA eine Ferienimmobilie auf Usedom vermieten. „Mehrfach wurden wir vom Landesverwaltungsamt darauf hingewiesen, dass dies problematisch sei“, so Enders. Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt sei, dürften nicht im privatwirtschaftlichen Sektor agieren. Mit einer Kommunalisierung des ÖPNV wäre dieses Problem gelöst gewesen.

14 neue Busse bis 2019?

Da die RBA sich diesen Plänen aber strikt verweigert, plant Enders die Zukunft ohne das Unternehmen. Ihren Angaben zufolge sollen nun bis Mitte Dezember die RBA-Linien im nördlichen Ilm-Kreis in das Fahrplansystem der IOV rein planerisch eingepflegt werden. Bis Januar 2018 soll ein Konzept erarbeitet werden, wie die IOV – aus der später das neue kommunale Unternehmen hervorgehen soll – ab Juli 2019 den kompletten ÖPNV im Kreis übernehmen könnte. Ohne neue Busse wäre das allerdings nur schwer möglich. Deshalb soll die Busflotte bis 2019 um insgesamt 14 Busse aufgestockt werden. Zusätzliche Kosten wären damit aber nicht in größerem Maßstab verbunden, betont Enders. „Wir haben sowieso pro Jahr etwa vier neue Busse angeschafft. Zu je 70 000 Euro würde ein Erwerb künftig ohnehin gefördert werden.“ Um bis zur Beschaffung der benötigten Busse zwischenzeitlich den ÖPNV sicherzustellen, sollen zunächst Fahrzeuge geleast werden.

Bliebe die Frage nach einem Betriebshof. Nur auf Ilmenau zu setzen, erscheint auch der Landrätin nicht effektiv genug. Dass das neue kommunale Unternehmen den Betriebshof der RBA in Arnstadt nutzen könnte, ist aber unwahrscheinlich. Zwar befindet sich das Grundstück im Eigentum der IKPV, allerdings wurde es der RBA in Erbpacht übertragen – solange das Unternehmen ÖPNV organisiert. Bekommt Gräbedünkel also den Zuschlag für Gotha, darf er den Sitz behalten.

Doch auch hierfür gibt es schon Pläne. So befinde sich ein geeignetes Grundstück im Besitz des Kreises, das mit nur wenig Aufwand zum Betriebsgelände umgebaut werden könnte. Zu den genauen Kosten machte Enders aber keine Angaben. Sie sagte lediglich, dass die Kosten der Vorbereitung IOV und IKPV tragen würden.

Generell lässt sich die Landrätin bei den Finanzen nicht in die Karten schauen. Ob die Kommunalisierung letztendlich Geld einsparen oder zusätzliches Geld kosten würde, ist derzeit noch völlig unklar. Beigeordneter Eckart Bauerschmidt betonte lediglich, man habe alles empirisch prüfen lassen und sei der Überzeugung, den richtigen Weg zu gehen. „An konkreten Dingen kann ich das jetzt aber nicht beweisen“, musste er auf Nachfrage einräumen. In früheren Diskussionen sprachen Branchenkenner und selbst die IHK Südthüringen von einer notwendigen Investition von bis zu zehn Millionen Euro.

Knut Gräbedünkel sagte am Freitag auf Anfrage unserer Zeitung: „Ich bin sehr gespannt, sehe der weiteren Entwicklung aber gelassen entgegen.“ So einfach, wie die Landrätin es sich vorstelle, sei der Busverkehr nicht umzukrempeln. „Frau Enders wird kein Chaos wollen, schließlich sind im kommenden Frühjahr Landratswahlen.“ Er, Gräbedünkel, würde auch in dieser verfahrenen Situation für Gespräche bereitstehen. Er habe auch früher schon Rede und Antwort gestanden. Nicht aber unter der Prämisse, dass er verkaufen muss. Über alle anderen Möglichkeiten wolle die Landrätin jedoch nicht diskutieren.

Fakt ist derweil auch: Möchte der Kreis den kommunalen ÖPNV allein mit den Ressourcen des IOV aufbauen, werden neue Mitarbeiter benötigt. Bis 2019 sollen schrittweise neue Mitarbeiter eingestellt werden. Zum 1. Juli 2019 soll der komplette ÖPNV im Ilm-Kreis durch das neugegründete kommunale Unternehmen übernommen werden.

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