Ilmenau – „Kann man nach Israel unbedenklich in Urlaub fahren?“, war eine der letzten Schülerfragen gestern in der Goetheschule an den israelischen Schriftsteller Chaim Noll, der in Zusammenarbeit mit der Ilmenauer Volkshochschule Gastreferent zum 60. Jahrestag der Gründung Israels war. Die Reise-Neugier der Schüler stand nicht allein für Weltentdeckerambitionen der nachwachsenden Generation, sondern auch für reichlich politische Kenntnis um die Situation vor Ort. Kurz zuvor erst antwortete Noll auf die Frage, wie das Leben in Israel möglich ist, wenn das Land doch Tag für Tag mit Raketen beschossen werde, mit dem Hinweis auf Sirenen und maximal 20 Sekunden Fluchtzeit, vom Start einer der gefürchteten arabischen Raketen bis zur Explosion auf israelischem Gebiet. Schaffe das die Bevölkerung im beschossenen Gebiet nicht, gebe es Tote und Verletzte.

Knapp 90 Minuten brachte Noll den Gymnasiasten Israel näher, beantwortete Fragen und diskutierte mit den Schülern. Am Ende resümierte er: „Ich finde Ihre Fragen durchaus verständlich aus Ihrer Sicht!“ Denn unkritisch gingen die Jugendlichen mit dem Thema Israel nicht um. Doch Noll wurde nicht müde, in ruhiger, sachlicher Erzählweise Verständnis für die israelische Argumentation zu wecken, vor allem, was Kompromissbereitschaft und Lösungen für die seit 60 Jahren krisengeschüttelte Region anbetraf. „Ist ein Kompromiss zur Befriedung der Region möglich“, wollten die Schüler von dem Israeli wissen. „Ja,“, erklärte dieser, „wenn die arabischen Staaten den jüdischen Staat anerkennen und daneben den palästinensischen Staat errichten. Dazu aber kann sich die arabische Welt nicht durchringen“, bedauerte Noll.

Eigentlich sollten längst zwei separate Staaten stehen

Wie der Dauerkriegszustand im Nahen Osten überhaupt entstand, erklärte der Schriftsteller gleich zu Beginn seines Besuchs an der Goetheschule. In den 40er Jahren habe die UNO beschlossen, Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Teil zu trennen „mit der Absicht, zwei Staaten zu entwickeln“. Israel sei sofort danach gegründet worden, die arabische Seite habe bis heute keine Staatsgründung vollzogen, bekämpfe seitdem vielmehr Israel. „Das ist das Hauptproblem bis heute“, so Noll, der auch auf die drei größeren Kriege der arabischen Welt, bald schon mit modernsten Waffen gestützt von der Sowjetunion, gegen Israel einging. Mit Gründung Israels flüchteten nicht nur Palästinenser aus dem Land, sondern wurden Juden in einem Großteil der arabischen Welt vertrieben, schildert Noll die beidseitige Flüchtlingsszene der Region.

Dass Israel den Arabern bis heute ein Dorn im Auge ist, hänge aber auch damit zusammen, dass der junge Staat auf den Trümmern des Osmanischen Reiches aufgebaut wurde, was die Araber besonders ärgere. Schließlich, so erklärte Noll, habe der Islam für sich festgeschrieben, keinen anderen Glauben zuzulassen und den eigenen Glauben über die ganze Welt zu verbreiten. Ziel der radikalen Muslime sei, Allah und den Propheten der ganzen Welt aufzuzwingen und das bei einem Stillstand der Gesellschaft auf dem Niveau des 11. Jahrhunderts mit verschleierten Frauen und entsprechenden Menschenrechten.

Gerade die Glaubensfrage interessierte denn auch die Ilmenauer Jugendlichen. Ist sie nicht nur vorgeschützt als Kriegsursache, welche Rolle spielen Armut und Flüchtlinge oder beruht die Krise tatsächlich auf unterschiedlichen Glauben? „Das denke ich schon“, sagte Noll, schließlich akzeptiere Israel, im Gegensatz zur arabischen Welt, andere Religionen. „Wir haben zum Beispiel sehr viele Muslime bei uns“, erklärte Noll, dass im Gegensatz dazu in der arabischen Welt als minderwertig gelte, wer Allah nicht anerkenne.

Merkwürdigerweise hätten die arabischen Länder ja auch arabische Flüchtlinge in Kriegszeiten nicht aufgenommen. Dass es der Bevölkerung von Gaza so schlecht gehe, liege nicht an Israel, sondern an den Zerstörungen seit Abzug der Besatzungsmacht Israel. „Heute leben Ärzte aus Gaza lieber in Leipzig“, benannte er Beispiele.

Woher die Israelis die Motivation nehmen, nach so vielen Jahren Krieg an ihrem Staat, der offenbar von einem Teil der Welt nicht gewollt werde, festzuhalten, statt nach Europa zu gehen, begründete Noll auch mit uralten Wurzeln. Leben in Israel, was nichts anderes als die zionistische Bewegung darstelle, gab es vor 2500 Jahren schonmal, erinnerte er. Nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und Stalinismus sei Israel nun aber zusätzlich zum Zufluchtsort der Juden geworden, der Ort, an dem sie nicht verfolgt würden. Es gebe keinen vernünftigen Grund, dies aufzugeben.

Zum Abschluss seines Gesprächs erntete Noll den Dank der Goetheschüler und einen dicken Blumenstrauß. Der Schriftsteller war einst in Ostberlin als Sohn von marxistischen Eltern zur Schule gegangen, per Ausreiseantrag nach Westberlin, Rom und schließlich Israel umgezogen. „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, heißt sein Vortrag, mit dem er seit zwei Wochen auf Lesereise durch Deutschland ist.

Die Urlaubsfrage Israel bejahte Noll abschließend unbedingt vor den Goetheschülern: „Der größte Teil des Landes ist vollkommen sicher. Israel ist ein westliches und ganz angenehmes Land!“ tom