Böhlen - Im Grunde hat der Dichter die 10 000-Euro-Frage gar nicht genau beantwortet. Aber er war froh, dass sie gestellt wurde. Matthias Göritz, Philosoph und Literat, leitet in dieser Woche die Schreibwerkstatt an der Böhlener Sommerakademie. Schon oft hat er hier angehende Literaten in seinen Kursen angeleitet. Nach seiner Lesung am Montagabend fragte eine Zuhörerin: "Ist dieser Parker ein Fantasieprodukt - oder ein realer Mensch?" Göritz nannte es erst scherzhaft die 10 000-Euro-Frage und dann das größte Kompliment, dass er nach der Lesung erhalten habe.

Gelesen hatte er aus seinem noch unveröffentlichten Roman, der möglicherweise "Rhetoriklehrer für Anwälte" heißen wird. Weil es um einen Mann (namens Parker) geht, der Managern und Anwälten zeigt, wie sie eben als Manager und Anwälte reden müssen, um sich gut zu verkaufen. Göritz hat dazu Erfahrungen in der Szene gesammelt. Er lässt seinen Parker haarsträubende Geschichten erleben und verwickelt ihn gar in ein Tötungsdelikt. Und Göritz hält sich furchterregend akribisch an der Beschreibung einer toten Maus auf, die auf Mäusepapier kleben geblieben ist und so lange gezappelt hat, bis sie in der Mitte zerrissen war. Er beschreibt Mäuse-Eingeweide, die wie vertrockneter Seetang auf klebrigem Mäusepapier liegen. Danach gab es einige finanziell weniger hoch dotierte Fragen der Zuhörer. Mäusepapier, auch so etwas hat Göritz kennen gelernt, in New York. Eine brutale Erfindung aus den USA, ähnlich dem Fliegenpapier, das es auch hierzulande gibt.

Die 10 000-Euro-Frage aber hatte ihre Berechtigung. "Ich bin recherchebesessen", hatte Göritz am Ende gesagt. Vorm Schreiben seiner Romane und Erzählungen sucht er Bibliotheken und Schauplätze auf, liest über das Milieu seines angehenden Werkes und arbeitet auch mal auf einer Tierfarm, wenn die Handlung seiner nächsten Erzählung dort spielt.

Gut für Hirn und Atem

Ebenfalls gefühlsintensiv ging es am Wochenende in der Sommerakademie zu. Kerzen im Halbdunkel. Tambura, Gong, Gefäße, Trommelstöcke liegen geordnet auf dem Boden. In der Mitte im Lotussitz Jochen Vetter. Die Augen geschlossen. Erzeugt Einzeltöne an drei unterschiedlich großen Gefäßen. Mit dem steten über den Rand streichen schwillt der Ton zum Summen an, in dem weitere Töne zu hören sind - Obertöne. Dann kommt die Stimme. Wird lauter. Ein Vibrieren geht durch den Raum. Durch den Körper. Durch den Kopf. Mit der Verwendung des Gongs sowie eines dagegen gehaltenen offenen Resonanzkörpers werden Obertöne über das lang anhaltende Geräusch des Gongs hörbar gemacht. Als drittes Instrument verwendet der Künstler die Tambura. Die Saiten des Instrumentes schwingen in entgegen gesetzte Richtungen, teilen sich nach zwei Seiten und machen so Obertöne konkret erkennbar. Dazu erhebt sich Jochen Vetters Stimme, die hier zweistimmig anmutet. Der Zuhörer hat den Eindruck, als werden noch an einem dritten Ort im Raum Töne erzeugt.

Wir alle produzieren sie mit unserer Stimme und doch hören wir sie lediglich dann bewusst, wenn unser Ohr geübt ist - die Obertöne. Jochen Vetter praktiziert das seit Jahren. "In jedem Ton sind Obertöne", erklärt der im Steigerwald lebende Künstler. Der Kopf ist unser Resonanzraum, an verschiedenen Stellen (Mund, Rachen, Nebenhöhlen) schwingen die Vokale und erzeugen die Obertöne im Übergang von einem zum anderen. Obertongesang "ist gut für Hirn und Atem", weiß Vetter.

Seine Kurse an der Sommerakademie sind meist verbunden mit Qi Gong-Übungen, für welche sich in dieser Saison Ben Krumrey verantwortlich zeigte. "Wir starten morgens mit Qi Gong, nach dem Frühstück beginnen wir mit Obertongesang und abends machen wir noch einmal Qi Gong oder wir meditieren", erzählt Kursteilnehmerin Henriette Beßler. Die 26-jährige Dresdenerin ist zum ersten Mal in Böhlen und fühlt sich hier sehr wohl. "Mir geht es darum, meine Anatomie und den Zusammenhang zwischen ihr und dem Klang besser zu verstehen. Klang hat viel mit Persönlichkeit zu tun. Die Schwingungen machen etwas ganz Verrücktes mit mir, die Nase läuft und so weiter. Meine Atmung wird ruhiger, ich werde ruhiger", erzählt die Logopädin, die viele neue Anregungen aus dem Kurs mit nach Hause nimmt und sich nun befähigt fühlt, "für mich allein weiterzumachen".

Zeitgleich die erste Vernissage der Saison mit Druckgrafik: "Es war toll hier" war das kurze Fazit von Gundula Schmidt. Die 44-Jährige hat gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Freundin Carry Bendin sowie weiteren sieben Teilnehmern des Kurses "Druckgrafik" eine Menge gelernt. "Die ganze Woche haben wir fleißig gearbeitet, dort oben unterm Dach" sagt Carry und zeigt auf das obere Stockwerk des Nachbargebäudes. An Kaltnadelradierung und Ätzradierung haben sie sich versucht und sich der Malerei gewidmet. Dabei hat jeder Teilnehmer in der einen Kurswoche drei Arbeiten mit selbst gewählten Motiven geschaffen. Die beachtenswerten Resultate waren am vergangenen Freitagabend bei der Vernissage - Finissage zu sehen.

Der humorvolle Kursleiter Otto Sander Tischbein hatte dazu eine Ansprache mit vielen Stichwortzetteln, die er dann im Raum verstreute, gehalten. Im Anschluss ließ er mexikanische Rhythmen klingen und zog sich dazu die eine oder andere Tanzpartnerin heran.