Ilmenau - Die Knistergeräusche der Schallplatten auf dem alten Grammofon waren fast so laut zu hören wie die Musik aus den 1930er Jahren. Dreimal legte Sergej Lochthofen Platten auf, die einen starken Kontrast zu seiner Lesung schufen. Eine Lesung war es am Dienstagabend in der Stadtbibliothek an sich weniger, mit der Lochthofen sein Buch "Schwarzes Eis" vorstellte. Vielmehr erklärte er zwei Stunden lang historische Hintergründe, und seine familiären dazu - so tiefgründig und kurzweilig, dass 170 Zuhörer durchweg gebannt seinen Worten folgten. Zu erklären gab es viel: Aus geplanten 300 Romanseiten wurden beim Schreiben 700, sodass Lochthofen am Ende vieles wegkürzen musste.

Im Roman beschreibt Lochthofen das Leben seines Vaters Lorenz im russischen Strafgefangenenlager Workuta. Das erlebte der 1953 geborene Sergej Lochthofen selbst bis zu seinem fünften Lebensjahr, dann durfte die Familie in die DDR (nach Gotha) ausreisen. Lochthofen breitete nicht nur Details aus der Familiengeschichte aus, sondern setzte sie in den Kontext der schwierigen politischen Verhältnisse. Unter anderem, wie unverständlich es für seinen Vater war, als Kommunist (er kam aus Dortmund als Spezialist in die Sowjetunion) unerwartet zum Opfer stalinistischer Säuberungsaktionen zu werden. Und warum er nach seiner Strafgefangenenzeit weiter im berüchtigten Arbeitslager Workuta blieb und erst später (dann mit seiner Frau und den beiden Söhnen) in die DDR emigrierte - und nicht zurückging in seine westdeutsche Heimat.

Sergej Lochthofen schlug selbst einen Lebensweg ein, den man ungewöhnlich nennen kann, wenn man diese Hintergründe kennt: Nach seiner Schulausbildung in der DDR entfloh er seinen Familienverhältnissen und studierte ebenfalls in der damaligen Sowjetunion.

Bevor Lochthofen am Ende einen wahren Signier-Marathon absolvierte, hatten die Zuhörer viele Fragen an den ehemaligen Chefredakteur (1990 bis 2009) der Thüringer Allgemeinen. Der heute freischaffend arbeitende Journalist zeigte sich nach wie vor als profunder Kenner der deutschen Medienlandschaft, auch wenn er in den vergangenen Monaten nur noch seltener in Fernseh-Diskussionsrunden auftritt.

So kritisierte er neben seinem früheren Arbeitgeber auch die Einsparkurse im Verlagswesen im Allgemeinen und bekam Applaus für klare Worte: "Man kann einen Redakteur nur einmal entlassen." Lochthofen war aber der Meinung, dass gut gemachte Tageszeitungen noch lange überleben werden.