Ilmenau Fasching, Fichten, feuchte Augen

Klaus-Ulrich Hubert

Wenn Kunst von Können kommt, mit "K" wie Karneval, dann können es die Böhlener, ihr BCV und deren Gäste aus nah und fern: Selbst wenn Rosenmontag-Nacht letztlich auch Tränen flossen.

 
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Böhlen - Diesen Wettlauf von Hase und Igel hat das "vierbeinige" BCV-Moderatorenpaar Susanne und Marc vor Hunderten Zuschaueraugen erst nach drei kurzweiligen Stunden gewonnen. Zeitgleich.

Ganz oben im Süd-Ost-Zipfel des Kreises, wo sich demografisch und partymäßig sonst angeblich eher Fuchs und Hase gute Nacht sagen, hat nun längst auch die nächste, jüngere BCV-Carnevals-Macher-Generation unbeschadet die Tradition übernommen. Erfrischend, einfallsreich und eigentlich so gar nicht "wald- und wiesen"-mäßig, setzt man dieses Bild für "Nullachtfuffzehn". Also lud man im miesepetrigen Februar-Frühling unterm Hausberg Große Grube selbstbewusst zum Wald-und Wiesenfasching ein, einer, der durch hinreißende Mitwirkende unter phrenetischem Publikumsjubel in proppenvoller Mehrzweckhalle so gar nicht nach Art dicker alter Filzlatschen war: Den Foßbsche nämlich, die hier einst produziert wurden, den Böhlen-Bürgern ihren Spitznahmen verpasste.

"Foßbsche Helau!" - Am Rosenmontag ließ man noch mal so recht die Knospen sprießen, die Vöglein zwitschern, die ganz jungen und etwas reiferen Ballett-Falter anmutig über die Sommers 2019-vertrockneten Wiesen flattern. "Große Berge, feuchte Wiesen…", so hatte man zweideutig die Nacht unterm leicht modifizierten Dorfwappen untertitelt: Der barbusigen Glücksbringerin Fortuna… diesmal nach aufblasbarer Art à la Beate Uhse.

Wo anfangen und wo enden beim Aufzählen von 18 ausgemacht hinterlistig-satirischen oder auch einfach nur spielerisch-optisch gelungenen Nummern? Beim Kinderballett mit seiner anmutigen "Eiskönigin"-Choreografie, oder bei Müllers Wanderlust; Müller, der immer wieder von neumodisch Bekloppten und Smartphon-Follower-Fans auf seiner Ruhebank belagert wird?

Aufgemischt vom Rehlein-zarten Teeny-Ballett oder dem (nur nach Jahren) ältesten BCV-Urgestein, der "Mönchin" Edeltraut mit ihrem Ablasshandel. Und dann noch der junge BCV-Büttenreden-Shootingstar Louis! Abermals zwerchfellstrapazierend aus dem Spät-Pubertäts-Nähkästchen plaudernd, wie man mit Affenzahn durch die "gute Kinderstube" rauscht und mit jetzt schon ersten Erfahrungen mit dem schöneren Geschlecht: "Aufpassen, was einem begegnet / die Schönen sind nicht immer mit Grips gesegnet!" Tusch von der "Kirsch-Formation", die zu vorgerückter Stunde das Publikum in Sekundenschnelle zu Live-Beats aufs Tanzparkett zog. - Und wie! Das Publikum, einschließlich der Botschafter befreundeter vier Karnevalisten-Vereine überm Schwarzatal, legte - stimmungsangeregt durch das ökologisch unbedenkliche "Wald & Wiesen"-Programm - sofort los. Doch zuvor war nicht nur Kleingetier im Wir-hier-Natur-Revier zu bestaunen, das endlich durch-touristifiziert werden soll: "Da können eben nicht mehr eure Methan-Kühe überall hin kacken, während hier Nagelstudio, Erlebnisfriseur und ein Kampfsport-Center wachsen sollen!"

Gemarkungskonflikt: Die DRK-Schutzhütte expandiert zum Super-Senioren-Heim. Das Publikum raste, als zum Hit "Alt wie ein Baum" der Geh-Hilfen-Gag mit Schrittmacher-Shake den Saal enterte. Nicht anders beim Act der "Dancing Bulls" in zartem Blüten-Tüll.

Dass die Böhlen-Brasilien-Forscher Günni und Schanz eigens zum Öko-Schwein-Essen bei Brasilien-Auswanderern des 19. Jahrhunderts mit einem schweinedreckigen Schweröl-Kreuzfahrtschiff nach Übersee schipperten: Auch eine Tagesschau-Meldung des ARD-Sprechers Henning wert. So viel Spaß; auch weil Ex-VG-Chef Andreas Beyersdorf seinem Nachfolger Peter Grimm im Brätmicher Rathaus nicht sein Dienstgeheimnis vermachte: Der BCV regiert ganzjährig, nicht nur vom 11.11. bis Aschermittwoch!

Von bösen Wölfen, geilen Bären und Vögeln im Tann oder Rest-Fichtenbestand wird erzählt. Dazu die Frage, was im Geäst sitzt und immer "Aha, aha" ruft. Susanne sagt’s: "Der Uhu mit Sprechstörung!"

Nach Stunden lässt ein vitales Finale aller Mitwirkenden dann aber doch nicht mehr nur Lachtränen rollen: Feuchte Fichten und Augen beim Wirtsehepaar Steffi und Dieter Hofmann und Endlos-Standing-Ovations, als das reaktivierte Duo "Böhlener Freiheit" auf die bevorstehend schlechten Gastronomie-Aussichten in Sachen Gasthaus "Schöne Aussicht" wegen Ruhestands der Hoffmanns seine Herzenshymne singt. Was für eine Faschingsparty!

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