Arnstadt "Auch die Krise braucht Demokratie!"

Berit Richter
Frank Kuschel. Foto: Richter

Landtag, Kreistag, Stadträte und Ausschüsse abgesagt - auch das politische Leben ist dank des Coronavirus zum Erliegen gekommen. Das finden nicht alle Politiker gut und richtig.

 
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Arnstadt - Politiker haben in diesen Tagen viel freie Zeit. Nicht nur, weil die üblichen repräsentativen Termine dem Veranstaltungsverbot zum Opfer fielen, sondern auch, weil die politischen Gremien kaum noch arbeiten. Der Landtag hat bis zum 19. April seine Plenar- und Ausschusssitzungen ausgesetzt. Der Kreistag die zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit für den 1. April geplante Versammlung mittlerweile auch. Die Teilnehmerzahl auf 70, so wie es die Allgemeinverfügung der Landrätin vorsah, zu begrenzen, hätte man noch geschafft, doch die mittlerweile vom Land geforderten maximal 50 ist nicht zu machen. 46 Mitglieder umfasst der Kreistag, hinzu kämen zwingend Landrätin, Beigeordneter und Mitarbeiter des Kreistagsbüros - schon das wäre zu viel.

Die Stadträte von Ilmenau und Arnstadt liegen in der Personenzahl zwar etwas darunter, trotzdem sagte Oberbürgermeister Daniel Schultheiß die für den heutigen Donnerstag geplante Versammlung schon letzte Woche ab.

In der Kreisstadt wollte man sich am 26. März treffen. Die Sitzung ist am Mittwoch abgesagt worden; zuvor bereits die vorbereitenden Ausschüsse. Auch andere Kommune sagten ihre Stadt-, Gemeinderats- und Ausschusssitzungen ab. Hinzu kommen abgesagte Ortsteilsratssitzungen und Bürgerinformationsversammlungen.

Demokratische Mitsprache und Mitgestaltung finden damit im Moment nicht wirklich statt. Das finden nicht alle Politiker gut. "Auch die Krise braucht Demokratie", sagt Frank Kuschel, langjähriger Landtagsabgeordneter für die Partei Die Linke und aktuell Mitglied im Kreistag. "Mich bewegt mit Sorge, auch wenn ich verunsichert bin, dass in der gegenwärtigen Situation massiv in die Grundrechte von Menschen eingegriffen wird, Strukturen zerschlagen und politische Gremien - Bundestag, Landtag, Kreistag, Stadt-/Gemeinderäte - nahezu neutralisiert werden."

"Die bestehenden Grundsätze für staatliche Eingriffe, wie Gebotenheit und Angemessenheit, sind wohl auch ausgesetzt. Ich erkenne einen Wettbewerb in der Überbietung von ordnungspolitischen Maßnahmen", kritisiert Kuschel weiter. "Nach außen wird der Eindruck erweckt, dass politische Gremien für die Krise nichts beitragen können, also überflüssig sind. Dabei sind diese Gremien gerade in Krisenzeiten gefordert, auch als moralische Instanz."

Die Gewaltenteilung funktioniere derzeit nicht mehr, beklagt der Politiker. Die demokratische Kontrolle und Steuerung der Exekutive und der Verwaltung seien außer Kraft gesetzt. "Es wird der Öffentlichkeit verdeutlicht, dass gewählte demokratische Gremien offenbar nur für politische ‚Schönwetterzeiten‘ da sind", fürchtet Frank Kuschel einen dauerhaften Schaden für die Demokratie.

Klar lege jetzt der Schwerpunkt im exekutiven Verwaltungshandeln, dies müsse aber nicht zwangsläufig "zur Neutralisierung der gewählten politischen Gremien führen." Schon zur Legitimation der ordnungspolitischen Maßnahmen wäre es seiner Ansicht nach gut, "wenn Entscheidungen vorher auch mit den demokratischen Gremien besprochen und abgewogen" würden.

"So wie die Arbeit von Krisenstäben und Arbeitsgruppen in der Verwaltung abgesichert werden muss, muss auch die Tätigkeit hier im konkreten Fall des Kreistages und seiner Ausschüsse abgesichert werden", fordert Frank Kuschel. "Dies geht durchaus, wenn es gewollt ist." Er bedaure es deshalb, "dass die Arbeit des Kreistages und seiner Ausschüsse ausgesetzt wurde" und rege an, "nach Lösungen zu suchen, diese Neutralisierung des Kreistages und seiner Ausschüsse wieder aufzuheben". Möglich wären, so Kuschel, kleinere Abstimmungs- und Entscheidungsrunden zwischen Kreistag und der Verwaltung auf Ebene der Fraktionsvorsitzenden, mithin des Kreisausschusses und/oder der Fachausschüsse. "Dabei können die räumlichen und logistischen Voraussetzungen nach den Grundsätzen der Sorgfalt und Prävention gesichert werden. Vieles geht auch über Internet, zum Beispiel mit Videokonferenzen."

"Die ordnungspolitischen Eingriffe betreffen eben nicht vorrangig Akutsituationen, sondern sind präventiv. Und bei Präventivmaßnahmen kann durchaus immer auch eine Abwägung stattfinden", betont Kuschel. "Dazu sind auch ehrenamtlich tätige Mandatsträger in der Lage." Immerhin müsse der Kreistag auch jährlich über Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe entscheiden. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht auch in Zusammenarbeit mit der Verwaltung im Notfallbereich agieren sollte

"Krise braucht mehr Demokratie", so Frank Kuschels Forderung.

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