Hildburghausen Themar macht mobil gegen Rechts:"Sie haben hier nichts verloren"

Die Signale werden lauter, der Widerstand wächst weiter: Themar macht ununterbrochen und zunehmend verstärkt mobil gegen die im Juli geplanten Rechtsrock-Konzerte auf zwei Wiesen nahe der Stadt. Viele Gegenveranstaltungen sind geplant.

 
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Themar - Die Atmosphäre in der Sporthalle an der Stadtmauer in Themar war am Dienstagabend nicht nur wegen der hohen Temperaturen aufgeheizt. Das Thema der Einwohnerversammlung ist und bleibt ein brisantes, das die Stadt noch eine Weile beschäftigen wird. Eines, dass die 2900 Bürger der Kommune sehr bewegt. 350 von ihnen waren deshalb gekommen, um zu hören, was ihnen der Bürgermeister und andere Politiker verkünden werden - und um kritische Fragen zu stellen. "Ein herzliches Kompliment, dass sie gekommen sind", sagte Bürgermeister Hubert Böse. Er positionierte sich erneut in aller Deutlichkeit. "Man muss den Rechtsextremen unmissverständlich zeigen, dass sie hier nichts verloren haben", sagte das Stadtoberhaupt mit Blick auf die ursprünglich drei geplanten Konzerte der Rechtsextremen, von denen der für den 1. Juli angemeldete "Rock für Deutschland" offensichtlich doch nicht im Landkreis Hildburghausen stattfinden wird.

Landwirtschaftsamt prüft die Rechtslage bezüglich der Flächen

Mitten in Hagen Casparis Redebeitrag ging ein Raunen durch die Reihen, später erntete er Beifall. Der Geschäftsführer der Weißbachtal Agrar Gmbh verkündete, er bewirtschafte die beiden Grünflächen nahe Themar, auf denen die Rechtsrock-Konzerte stattfinden sollen, bereits seit Jahren auf der Grundlage eines mündlichen Vertrages mit dem Eigentümer Bodo Dressel. Schriftlich habe er nichts, aber er könne nachweisen, dass er die Flächen seit längerer Zeit nutze. Erst vor einigen Wochen hatte er - und nicht etwa die Veranstalter der bevorstehenden Konzerte - die Wiesen gemäht, sagte er am Dienstagabend. Der Landtagsabgeordnete Tilo Kummer (Die Linke) kündigte eine umgehende Anfrage beim Landwirtschaftsamt in Hildburghausen an, die er am Mittwoch stellte. "Das Amt prüft den Fall und wahrscheinlich wären diese drei Veranstaltungen ein Verstoß gegen das Beihilferecht. Es gibt Aussicht auf Erfolg", sagte Kummer. Casparis Betrieb bekommt laut Anmeldung landwirtschaftliche Beihilfe, deren Zahlung er mit einer ganzjährigen Bewirtschaftung der Fläche untersetzen muss. Kummer sieht diese Möglichkeit nach derart großen Veranstaltungen nicht mehr gegeben - unter anderem wegen des beeinträchtigten Bodenschutzes und des zu großen Bodendrucks.

"Wir haben eine mündliche Absage", sagte Landrat Thomas Müller, der anschließend ebenso wie die Landtagsabgeordneten Uwe Höhn (SPD), Kristin Floßmann (CDU) und Tilo Kummer (Die Linke) sowie Künstler Prinz Chaos II. im Rahmen der Einwohnerversammlung klar Stellung bezog. "Was bei solchen Konzerten für geistiger Mist geboten wird, da bin ich doch bei ihnen. Und obendrein verdienen die Veranstalter noch Geld damit. Das ärgert mich." Rechtlich aber seien ihm bezüglich eines Verbots die Hände gebunden. "Ich würde mir wünschen, dass uns Handwerkszeug gegeben wird, um solche Veranstaltungen abzusetzen. Für die Gesetze sind aber nicht wir als Behörde zuständig, sondern der Landtag und der Bundestag", sagte Müller, der die Rechtslage erneut ausführlich erklärte, aber immer wieder Zwischenrufe erntete, er solle die Veranstaltung doch endlich verbieten. "Nochmal: Das kann ich nicht", entgegnete er. Im Landratsamt wird ein Schriftstück über die Absage der Veranstaltung am 1. Juli erwartet. Die Veranstaltung wird dem Vernehmen nach wie im Vorjahr in Gera über die Bühne gehen. Zwei Veranstaltungen in Themar aber bleiben bislang. "Rock gegen Überfremdung" ist für den 15. Juli geplant, "Rock für Identität" für den 29. Juli.

Der in Kloster Veßra wohnhafte Neonazi Tommy Frenck hatte "Rock gegen Überfremdung" als Versammlung im Landratsamt angemeldet und eine Ablehnung wegen zunehmender Kommerzialisierung erhalten. Der springende Punkt ist: Versammlungen, die unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des Grundgesetzes stehen, können nicht so umfangreich mit Auflagen und Einschränkungen versehen werden wie privatrechtliche Veranstaltungen. Frenck hatte anschließend gegen die Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht Meiningen eingereicht. Die Versammlungsbehörde rechnet zeitnah mit einem Urteil. Zur Einstufung des "Rock für Identität" Ende Juli steht indes die Entscheidung aus dem Landratsamt noch aus.

Egal, wie viele Veranstaltungen dieser Art in Themar stattfinden werden, nicht nur den Teilnehmern der Einwohnerversammlung sind sie ein Dorn im Auge. "Die Stadt und ihre Bürger haben mit dem, was da vor den Toren passieren soll, nichts zu tun", sagte Bürgermeister Hubert Böse. Prinz Chaos II. rief der Menge in emotional aufgeladener Atmosphäre in der auf weit über 30 Grad aufgeheizten Turnhalle zu: "Ich bin stolz, dass sich so viele versammelt haben. Die Stadt Themar kann die erste hier sein, die diese braune Welle bricht. Ich habe keinen Bock mehr auf diesen braunen Spuk. Ihr könnt etwas tun, seid kreativ, klug und habt Ideen."

In Hildburghausen ist das nach Auffassung des Prinzen im Vorjahr nicht so gewesen. Darauf entgegnete Kristin Floßmann, auch dort habe sich Widerstand geregt und in diesem Jahr sei mit der Umwidmung des früheren Festplatzes sowie mit Lagerung von Holz dort ein erneutes rechtes Konzert verhindert worden. "Der ganze Landkreis muss zusammen halten und gegen solche Veranstaltungen an einem Strang ziehen", sagte sie. Dazu forderte auch Uwe Höhn auf. "Wir dürfen die Themarer nicht alleine lassen, der ganze Landkreis ist gefordert", sagte der Vizepräsident des Thüringer Landtags, der im Ehrenamt als Präsident des Kreissportbundes fungiert. "Ich bin beim Prinzen: Wir müssen den Protest noch deutlich verstärken. Deshalb rufe ich auf: Lasst uns ein Fußballturnier organisieren für Toleranz und Weltoffenheit."

Die Planungen zu den Veranstaltungen gegen die Rechtsrock-Konzerte sind in vollem Gange und reiften auch während der Einwohnerversammlung weiter, während vor der Turnhalle neun Neonazis mit Tommy Frenck und Angela Schaller an der Spitze eine angemeldete Mahnwache abhielten. Die Polizei war mit Hunden vor Ort - aus Sicherheitsgründen, falls die Lage eskalieren sollte.

Das passierte nicht und in der Sporthalle protestierten die Rechtsrock-Gegner weiter. "Froh sein können wir nicht, dass die erste Veranstaltung in Gera stattfindet", sagte Hubert Böse und erklärte unter tosendem Beifall: "Egal, ob Gera, Hildburghausen oder sonst wo, schlimm ist, dass sie überhaupt stattfindet. Wir wollen solche Veranstaltungen nicht unwidersprochen hinnehmen." Deshalb verkündigte er: "Wir werden in Themar etwas auf die Beine stellen, wovon man landauf, landab reden wird." Tilo Kummer merkte zu den Rechtsextremen an: "Es ist wichtig, dass es ihnen so unangenehm wie möglich gemacht wird, damit sie keine Lust haben wiederzukommen."

Die Stadt will zusammen mit der Kirche und mehreren Bündnissen gegen Rechtsextremismus Gesicht zeigen unter dem Motto "Themar ist bunt". Geplant sind ein Marktfest und Protestkundgebungen an fünf verschiedenen Orten der Stadt am 15. Juli. Einen Tag zuvor sollen Plakate und Banner mit Aufschriften gegen Rechtsextremismus und für Toleranz in im Stadtgebiet aufgehängt werden. Am 1. Juli wird neben einem Friedensgebet unter anderem die Plakat-Mal-Aktion "Unsere Stadt hat Nazis satt" mit Begleitung der Band "3st ich Kite" aus Eisfeld stattfinden. Für den 29. Juni ist ebenfalls eine Protestkundgebung geplant. "Auch wenn die Rechtsrock-Konzerte nicht stattfinden", sagte Hubert Böse voller Hoffnung, dass der Kelch vielleicht doch an Themar vorüber gehen möge, "unsere Veranstaltungen finden statt".

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