Gut, dass es Fachleute wie Rolf Möller gibt. Er versteht sein Handwerk, holt auch unter schwierigsten Bedingungen Verborgenes ans Tageslicht. Und schwierig sind die Gegebenheiten in der Waldauer Kirche, denn hier sei eine Renaissance-Malerei, eine Kreidegrundfassung im späteren Barock mit einer neuerlich Kreidegrundfassung übermalt worden. "Das eine vom anderen zu unterscheiden und zu lösen, das ist kompliziert", erklärt er.
Doch es ist nicht nur die eine Schicht, die er vom Originalbild unterscheiden und lösen muss. "Wir haben es hier mit mindestens vier Farbschichten zu tun", sagt Möller. Denn: In jedem Jahrhundert haben die Menschen drübergemalt. Doch Möller wäre nicht Möller, wenn er nicht auch etwas Gutes in dieser komplizierten Sachlage sehen würde: Die darüberliegenden Farbschichten haben das Originalbild gewissermaßen konserviert. Und so hat er sich mit chemischen Mittelchen, viel Geduld, dem passenden Arbeitsrhythmus und der nötigen Erfahrung Schicht für Schicht vorgearbeitet. Seine Hilfsmittel sind Lupe und Skalpell. Und schließlich die filigrane Strichtechnik, in der er die Fehlstellen, die in den freigelegten Bildern sichtbar sind, ergänzt. Allerdings müsse die Retusche jederzeit wieder abzulösen sein, ohne das Original zu zerstören.
Voilà: Viereinhalb Bilder sind bis heute zum Vorschein gekommen - die Beschneidung Jesu, die Heiligen drei Könige, der Kindermord in Bethlehem, die Taufe Jesu und die Versuchung Jesu. Bei letzterer fehlt noch ein ganzes Stück. Der Teufel aber ist gut zu erkennen - obwohl sein Gesicht zerkratzt ist. "Das passt auch in die Bilderstümerzeit", sagt Heckert, der in jedem Bild mehrere Geschichten entdeckt hat - und sich über das dritte Bild "wundert". Weil‘s irgendwie aus der Reihe fällt.
Noch eine Woche wird Möller in der Kirche zu Waldau beschäftigt sein. Dann geht er in die Winterpause, weil‘s für seine Kunst einfach zu kalt geworden ist. Doch im Frühjahr, im April, kommt er wieder, um weiterzuarbeiten.
Anderthalb bis zwei Bilder möchte die Kirchgemeinde auch künftig jährlich freilegen lassen. Dafür spart sie, dafür schreibt Pfarrer Heckert zig "Bettelbriefe". Denn ein solches Bild zu rekonstruieren kostet. 6000 bis 7000 Euro. Doch das, so sagt Pfarrer Heckert, sei es auf jeden Fall Wert. Schließlich war‘s auch vor vier Jahrhunderten kein Wald-und-Wiesen-Maler, der die Kunstwerke erschaffen hat. Nein, Heckert und Möller vermuten dahinter einen italienischen Künstler.
Und noch etwas vermuten sie, sind sich sogar fast sicher: Noch zig andere Bilder sind in der Kirche zu Waldau versteckt. Klar ist auch: Die Reihenfolge der Motive folgt der Bibel. Doch was als nächstes kommt - das weiß weder der Restaurator noch der Pfarrer. "Mindestens zehn Jahre gibt‘s noch genug zu tun für Herrn Möller", das weiß Pfarrer Heckert. Und die Emporenbilder sind ja längst nicht alles. Auch der große Christopherus, durch den ein Riss geht, soll repariert werden . . .