Hildburghausen - Wie gut sind meine Bildungschancen, wenn ich im Landkreis Hildburghausen zur Schule gehe? Diese Frage dürfte sich nunmehr leicht beantworten lassen, denn seit Montag ist er öffentlich, der erste "Deutsche Lernatlas" den die renommierte Bertelsmann-Stiftung für alle Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland erarbeitet hat. Mit der umfänglichen Studie, die auch im Internet nachzulesen ist, ist es gelungen, ein Bild der schulischen Leistungen und der Bildungschancen zu zeichnen, das ein Nord-Süd-Gefälle in der Bildungslandschaft deutlicher den je zutage fördert. Der Lernatlas sei ein Versuch, den es in Deutschland so noch nie gab; ein kompliziertes, komplexes Konstrukt mit vielen Berechnungen und Gewichtungen, die nicht leicht zu verstehen sind und für die Experten mehrere Jahre und mehrere Anläufe benötigt hätten, um die deutsche Wirklichkeit in Zahlen zu fassen, merkt das Nachrichtenmagazin Spiegel an, das sich vergangene Woche mit dem Thema beschäftigte. Der Lernatlas zerstöre die Illusion von gleichwertigen Lebensverhältnissen im ganzen Land , heißt es weiter. Fakt ist, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg die Nase vorn haben in Sachen hohe Bildungschancen. Aber auch Sachsen steht gut da, besser als alle Bundesländer im Norden.

In Teile zerlegt

Der Kreis Hildburghausen gehört zur Vergleichsgruppe der Kreise im ländlichen Raum und erhält in der Studie, deren Ausgangsdaten 2009 erhoben wurden, mittlere bis schlechte Noten.

Aus den Daten im Lernatlas geht zudem hervor, dass der Landkreis mit minus 17,2 Prozent (2009 bis 2030) eine stark rückläufige Bevölkerungsentwicklung verzeichnet und auf jeden Einwohner ein Bruttoinlandsprodukt von 17 175 Euro kommt.

Der "Deutsche Lernatlas 2011" zerlegt die Bundesrepublik in ihre kommunalen Bestandteile, in 412 Kreise und kreisfreie Städte. Bei der Vergleichsgruppe der 75 ländlich geprägten Landkreise, belegt der Kreis Hildburghausen mit Platz 41 und 48,64 Punkten einen achtbaren mittleren Rang. Besser steht der Kreis Sonneberg mit 51,76 Punkten und Platz 36 da. Hingegen rangiert der Landkreis Schmalkalden Meiningen mit 44,78 Punkten auf Rang 47. Bei den Kreisen im ländlichen Raum hat es Miesbach (Bayern) auf den ersten Platz geschafft und 67,05 Punkte errungen. Schlusslicht (Platz 75) ist der Uckermark -Kreis mit 25,38 Punkten.

Im Bertelsmann-Lernatlas wurden vier Bereiche des Lernens flächendeckend untersucht.

Schulisches Lernen stellt eine Facette des Gesamtergebnisses dar. Es gibt Hinweise auf die Lernentwicklung von Kindern/Jugendlichen in Schulen, das Studienplatzangebot und das Bildungsniveau junger Menschen: Die Schulen des Kreises bekommen im Lernatlas eine gute Note. Beim schulischen Lernen nämlich liegt der Kreis Hildburghausen mit 48,85 Punkten auf dem 37. Rang der Vergleichsgruppe und damit über deren Durchschnittswert (43,31), auch über dem thüringer Durchschnitt (44,88) und dem Bundesdurchschnitt (39,81). Obgleich die schulische Bildungsqualität im Kreises solide über Thüringer Mittelmaß liegt, gibt es interessante Einzelaspekte. Bei der Lesekompetenz von Grundschülern führt der Kreis auf Platz 1 die Vergleichsgruppe (mit 564 Kompetenzpunkten) an. Bei der Lesekompetenz in Deutsch und Englisch (Regelschule) erreicht der Kreis nur noch Plätze im Mittelfeld, ebenso bei der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz. Bei den Sitzenbleibern liegt der Kreis weit unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe und auf dem 9. Rang in der Gruppe. Zudem belegt er den 3. Platz bei Jugendlichen mit höherem Schulabschluss und einen achtbaren 9. Platz bei Jugendlichen mit Hochschulabschluss und liegt damit weit über dem Level der Vergleichsgruppe .

Weiter wurde die Kategorie "Berufliches Lernen" untersucht, die Hinweise geben soll auf Chancen für den Abschluss einer qualifizierten Ausbildung, den Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose und den Stellenwert beruflicher Weiterbildung und des Lernens am Arbeitsplatz. Hier kann sich der Kreis mit 44,94 Punkten gerade auf dem 47 Rang behaupten und liegt damit unter dem Level der Vergleichsgruppe, aber leicht über dem Thüringer Mittelwert von 44,88 Punkten. Dennoch liegt der Kreis bei der Zahl der Abbrecher einer Berufsausbildung weit vorn, auch bei Kursen zur beruflichen Weiterbildung in der vhs und bei der Teilnahme Hochqualifizierter an beruflicher Weiterbildung bekleckert sich der Kreis nicht gerade mit Ruhm.

Noch dramatischer sieht es in der Kategorie "Soziales Lernen" aus, einem Gradmesser für soziales und politisches Engagement und Jugendarbeit. Beim sozialen Lernen belegt der Landkreis nur den 52. Rang und liegt mit einem Wert von 43,57 unter dem Durchschnitt in der Vergleichsgruppe, aber über dem Thüringer Wert, der mit 39,37 angegeben wird. In Sonneberg und Schmalkalden-Meiningen ist die Situation ähnlich. Überhaupt schneidet Thüringen (wie auch die anderen neuen Bundesländer) in dieser Kategorie schlecht ab. Sachsen-Anhalt ist Schlusslicht. Bei der detaillierten Betrachtung sozialen Engagements im Kreis ergibt sich der 41. Rang beim Engagement für Kinder und Jugend, der 24. Platz beim Engagement für Ältere, der 21 Platz bei kirchlichem Engagement. Gleich Null ist die Bereitschaft zur Knochenmarkspende. Ebenso schlecht ist es um die Wahlbeteiligung bestellt, wo Hildburghausen nur auf den 58. Platz landet. Mit Einrichtungen der Jugendarbeit ist der Kreis allerdings gut ausgestattet.

Noch Defizite

In der Rubrik "Persönliches Lernen" geht es um die Nutzung der Lernmöglichkeiten in der Region, beispielsweise Kurse zur Weiterbildung, beim Sport, im kulturellen Leben und selbstgesteuertes Lernen mit Medien. Hier landet der Kreis auf dem 30 Platz und damit leicht über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe und Thüringens. Der Kreis Sonneberg erreichte hier einen Spitzenwert und auch Schmalkalden-Meiningen steht besser da. Bewertet wurden unter anderem Museums-, Konzert- und Theaterbesuche, wo der Kreis mit den Plätzen 21 und 28 gut abschneidet. Bei der Nutzung von Bibliotheken landet Hildburghausen indes nur auf dem 48. Platz.

Der Freistaat Thüringen hat im deutschlandweiten Vergleich freilich gar keine so schlechte Position, denn er landet bei 16 Bundesländern (einschließlich Hamburg, Bremen und Berlin) mit 45,54 Zählern auf einem achtbaren 7. Rang. Spitzenreiter Bayern kommt auf 58,81 Punkte, gefolgt von Baden-Württemberg (56,66) und Sachsen, mit 49,43 Zählern. Schlusslicht ist die Stadt Bremen mit 29,72 Punkten, kurz davor rangiert Mecklenburg-Vorpommern mit 31,65 Punkten.

Unter www.bertelsmann-stiftung.de kann sich jeder Interessent im Detail über den Lernatlas 2011 informieren.

Wie die Gutachter zu ihrer Bewertung kommen

Wie bewertet man die Lernerfolge und das Lernangebot einer Industrienation mit 16 Bundesländern samt 412 Landkreise und kreisfreien Städte? Um zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen, haben die Autoren des "Deutschen Lernatlas 2011" sechs Kategorien von Städten und Landkreisen geschaffen. Schließlich macht es keinen Sinn, die Stadt Köln mit dem Landkreis Hildburghausen zu vergleichen. Weil Lernerfolge sich nicht nur in Schulnoten dokumentieren, wurden zudem vier Kategorien von Bildungsstätten untersucht.

Im Mittelpunkt der Studien stehen das "Schulische Lernen" und das "Berufliche Lernen". Die Ergebnisse wurden mit zwei Dritteln für die Ermittlung der Rangziffer gewertet. Die Ergebnisse aus schulischen Vergleichstests von der Lesekompetenz der Grundschüler bis zur Sitzenbleiber-Quote flossen hier ebenso ein wie die Erfolge beim Abschluss der Berufsausbildung und Maßnahmen zur Eingliederung am Arbeitsmarkt.

Unter der Überschrift "Soziales Lernen" wurde das Engagement der Bürger in Feuerwehr und Rotem Kreuz ebenso erfasst wie die Wahlbeteiligung. Beim "Persönlichen Lernen" untersuchten die Autoren, welches Angebot dem Bürger zur persönlichen Weiterbildung zur Verfügung steht und wie es genutzt wird.