Hildburghausen Alles auf Anfang: Live-Ticker aus dem Gerichtssaal

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 Foto: Frank Wunderatsch

Nach dem gewaltsamen Tod eines Coburgers stehen drei Männer und eine Frau zum zweiten Mal vor Gericht. Einer der Angeklagten stammt aus Hildburghausen. Zwei der Angeklagten reden vor Gericht, zwei schweigen.

 
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Coburg - Noch bevor Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch am Donnerstagmorgen die Neuauflage des Beiersdorf-Prozesses eröffnet, geht ein leises Raunen durch den Schwurgerichtssaal am Landgericht Coburg. Prozessbeobachter und viele Zuschauer, die fast alle Plätze besetzen, bekommen mit, wie herzlich sich Peter G. und Paul K. mit der besonderen Form eines Handschlags begrüßen, der unter besten Freunden üblich ist. Die beiden Männer, die verschworene Mitglieder eines Motorradclubs waren, haben sich lange nicht gesehen. Vor einem Jahr sind sie schuldig gesprochen worden, den pensionierten Theatermusiker Wolfgang R. in seinem Haus in einer beschaulichen Wohngegend im Coburger Stadtteil Beiersdorf brutal erschlagen haben. Jetzt sitzen sie im Gefängnis: der Ältere, Peter G. aus Coburg, in Bayreuth, der Jüngere, Paul K. aus Hildburghausen, in Kronach.

Dass sie sich nun an dem Ort treffen, an dem sich ihre Wege eigentlich für 13 Jahre und sechs Monate Haft trennen sollten, liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft Coburg und die Tochter des Opfers diese Strafe für zu milde halten. Sie fordern eine Verurteilung wegen Mordes. Der Bundesgerichtshof hat der Revision statt gegeben. Deshalb muss der Prozess neu aufgerollt werden.

Ebenfalls wieder mit dabei: Helmut Erhard und Maria S. Das Ehepaar soll den Tod von Wolfgang R. geplant und die beiden Männer angestiftet haben, den Beiersdorfer umzubringen. Habgier könnte dabei ein zutreffendes Mordmerkmal sein. Denn laut Anklage sollen Helmut Erhard und Maria S. auf das lukrative Geschäft aus gewesen sein, das Wolfgang R. mit der Vermietung von Zimmern an Prostituierte in Coburg betrieb. Zudem hätten es beide auf 20 000 Euro aus dem Vermögen des Pensionärs abgesehen. Dafür sollen sie wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung sieben Jahre in Haft, lautet das Urteil aus der ersten Instanz. Damit ist Helmut Erhard S. nicht einverstanden. Deshalb hat auch er Revision eingelegt. Also alles auf Anfang im Beiersdorf-Prozess.

Fast auf die Minute pünktlich eröffnet Vorsitzende Richterin Ulrike Barausch den ersten Verhandlungstag, dem bis zum 20. Mai neun weitere folgen sollen. Gleich zu Beginn erklären die Anwälte von Paul K. und Peter G., dass beide vorerst keinerlei Angaben machen werden, weder zu ihrer Person, noch zu ihrem Lebenslauf, geschweige denn zum Tathergang. Dafür redet Helmut Erhard S. um so mehr. Fast eine Stunde gibt er einen Abriss seines Lebens, das schon mit Beginn der beruflichen Lehrzeit aus dem Ruder läuft. Bei der Bahn wirft er hin, in einer Autowerkstatt auch. Er versucht sich als Fahrer, Transportunternehmer und Gastronom, mal in Deutschland, mal in Luxemburg, mal in der Schweiz, mal in Portugal. Dann leistet er sich einen Urlaub in Brasilien. Dabei lernt er Maria S. kennen, heiratet sie und betreibt mit ihr eine Strandbar. Aber auch das geht nicht lange gut. Man will nach Deutschland. Nächste Stationen sind Aachen und das oberfränkische Naila. Hier betreibt Helmut Erhard S. mit seiner Maria eine Gaststätte. Sie muss gut gelaufen sein. Jedenfalls hat das der heute 59-jährige Angeklagte dem späteren Opfer Wolfgang R. berichtet, der das wiederum seinem Nachbarn erzählte, wie dieser am Donnerstag vor Gericht als Zeuge erläutert.

Dann kommt Coburg. Hier habe Maria S. auf Drängen ihres Mannes, wie sie aussagt, als Prostituierte gearbeitet. Wolfgang R. wird ihr Kunde. Er verliebt sich in sie, will sie aus dem Rotlichtmilieu heraus- und von ihrem alkoholkranken Mann wegholen. Das Paar schmiedet Hochzeitspläne. Gleichzeitig finanziert der Pensionär der Brasilianerin eine Gaststätte am Rande der Coburger Innenstadt, die allerdings nicht aus den roten Zahlen herauskommt. Hier soll das Ehepaar S., das die Kneipe betreibt, aber mittlerweile getrennt lebt, im Herbst 2013 den Plan geschmiedet haben, Wolfgang R. aus dem Weg zu räumen, hier soll es seine Stammkunden Paul K. und Peter G. mit diesem Auftrag betraut haben. Ob es wirklich so war, soll die neuerliche Gerichtsverhandlung klären.

Am Donnerstagnachmittag kommen Polizeibeamte, ein Arzt und ein Rettungssanitäter als Zeugen zu Wort. Sie beschreiben den Tatort, wie er sich auch bei einer Ortsbegehung des Gerichts im erstinstanzlichen Verfahren dargestellt hat: mit Blutspritzern am Boden und am Heizkörper, mit Schuhsohlenabdrücken auf dem hellen Teppich, die den Tätern zugeordnet werden, mit brennendem Licht im Flur, mit einem durchwühlten Kellerraum, um offenbar einen Einbruch vorzutäuschen, mit der leicht geöffneten Terrassentür, mit dem im Wohnzimmer liegenden, erschlagenen Wolfgang R.

Ich habe am Tag zehn Flaschen Bier und eine Flasche Schnaps getrunken.

Helmut Erhard S., Angeklagter

Es war die Idee meines Mannes, dass ich als Prostituierte arbeite.

Maria S., Angeklagte

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