Wohl dem, der eine Aufgabe findet für die Jahre, die nicht mehr dem Beruf untergeordnet sind. Nicht nur Pflichten, nicht nur Zeitvertreibe, sondern eine Aufgabe, die fordert und erfüllt. So eine haben die mehr als 190 Senioren mit Sicherheit gefunden, die sich mit ihren Gedichten und Kurzgeschichten, Märchen und Balladen in diesem Jahr am Literaturwettbewerb des Suhler Provinzschreis beteiligt haben. Reichlich 800 Beiträge hatte die fünfköpfige Jury in den vergangenen Monaten zu sichten - ohne Hinweise auf die Herkunft der Autoren, um ihre Wahl nicht zu beeinflussen.

Am Dienstagabend nun gab es die Auswertung in der Stadtbücherei Suhl, zu der auch die Schirmherrin des Wettbewerbs, die Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Heike Taubert, gekommen war. Und dabei gab es eine kleine Überraschung, die zumindest für Kenner des renommierten Schreibwettbewerbs nicht besonders überraschend sein dürfte.

Denn so groß und weit verstreut über Thüringen das Teilnehmerfeld auch stets war, einige Namen schafften es dennoch in den vergangenen Jahren mit trauter Verlässlichkeit immer wieder auf die vordersten Plätze des Schreibwettbewerbs. Allen voran der Name Regina Erben. Die pensionierte Lehrerin und Ausbilderin, deren Beitrag "Als mich noch der Stieglitz wärmte" den meisten Zuspruch der Jury erhielt, war auch die Gewinnerin im Jahr 2008 und die Zweitplatzierte aus dem offenen Wettbewerb im darauffolgenden Jahr.

Genaue Erzählerin

"Früher habe ich gelehrt und gelebt, heute schreibe ich und lebe", umschreibt die 72-Jährige den Stellenwert, den die Literatur in ihrem Unruhestand eingenommen hat. Das Schreiben hat die Wahl-Jenenserin, die 49 Jahre in Zella-Mehlis lebte, schon vor zwei Jahrzehnten für sich entdeckt. Doch erst eine Freundin, die nach ihrer Erblindung eine genaue Erzählerin verlangte, schulte sie den systematischen Umgang mit der Sprache, bei dem jedes Wort zählt. Eine Präzision, die sich in ihrem prämierten Text in sensibel geschilderten Lebenserinnerungen und starken Bildern zeigt. Nachzulesen ist dieser mit einer Auswahl weiterer Geschichten und Gedichte in der Anthologie "Entfaltungsmöglichkeiten", die der Verein Provinzkultur e. V. mit Unterstützung von Freies Wort veröffentlicht hat.

Darin findet sich auch die Kurzgeschichte "Immer wieder das nächste Rennen". Sie hat dem Manebacher Harald Lindig nach seinem Sieg beim letzten Senioren-Schreibwettbewerb 2007 in diesem Jahr den dritten Platz beschert, gleich hinter Michael Wilhelm aus Pößneck. Den dritten Platz hatte der Physiker schon 2008 belegt - ein erfahrener Schreiber eben, wie Regina Erben. Daher wusste er auch, dass die gute Idee allein noch nicht genügt. "Ich habe den Text deswegen bewusst gegen den Strich gebürstet", erklärt der 62-Jährige, dessen tollkühner Held auf seinem Drahtesel nur auf den ersten Blick ein wenig verrückt erscheint.

Gefallen an dieser besonderen Altersaufgabe, dem Schreiben, hat auch Horst Wiegand aus Steinheid gefunden. Und zwar in der kurzen Form. Für seine Gedichte "Herbstende", "Notat" und "September" erhielt er einen der drei Sonderpreise des Wettbewerbs, ebenso wie Annegret Spengler und Frida Goell.

Die Lyrik hat der pensionierte Musikpädagoge auf ganz eigentümliche Weise für sich entdeckt: Weil ihm die Liedtexte, mit denen er zu DDR-Zeiten den feierlichen Rahmen von Jugendweihen ausgestalten sollte, schlicht zu tendenziös waren, verfasste der heute 76-Jährige einfach seine eigenen. Auch eine Möglichkeit der literarischen Entfaltung, mit gespitzter Feder sozusagen.

Die Anthologie mit einer Auswahl der Wettbewerbsbeiträge ist gegen eine Schutzgebühr von 5 Euro in den Geschäftsstellen dieser Zeitung und in der Stadtbücherei Suhl erhältlich.