Früher gab es erstaunlich kompakte Wörter fürs "alt werden" oder "Obst ernten" im Duden: nämlich "älteln" (1961 im Westen, 1985 im Osten gestrichen) und "obsten" (1961 im Westen weg, 1967 im Osten).
Die Jahre der Nazi-Herrschaft waren auch beim Duden düster. Sowohl die Auflage von 1934 als auch - in einem noch größeren Maße - jene von 1941 enthielten viel NS-Vokabular, wie Graf erläutert. Der Germanist Otto Basler, der die Redaktion der 11. und 12. Auflage geleitet hat, und nach dem Zweiten Weltkrieg seine Karriere als Hochschulprofessor fortsetzte, leistete keinerlei Widerstand - "oder wie es der Sprachwissenschaftler Wolfgang Werner Sauer 1989 in seinem Aufsatz "Der Duden im Dritten Reich" ausdrückte: Die Neuauflage hat er schon 1933 so angelegt, dass eine Gleichschaltung des Wörterbuchs überflüssig war." Die Institution Duden passte sich dem Nationalsozialismus "mit bemerkenswerter Schnelligkeit" an.
Viele Wörter wurden dann 1947 schnell wieder gestrichen, darunter natürlich "Hitlergruß", "kriegsbereit", "Verjudung", "Kraft durch Freude", "fremdrassig" und "Untermensch". Betroffen waren nach Hochrechnungen Wolfgang Werner Sauers rund fünf Prozent aller Stichwörter. Die erste Nachkriegsauflage erschien 1947 in Leipzig in der Sowjetischen Besatzungszone. Ein Lizenznehmer vertrieb sie dann in den drei westlichen Besatzungszonen beziehungsweise später in der Bundesrepublik.
Ab den Fünfzigerjahren gab es eine Teilung in Ost-Duden und West-Duden. "Diese Parallelausgaben des Dudens trugen daher die gleichen Auflagenzahlen: In Westdeutschland (am Verlagssitz Mannheim) waren es insgesamt sechs, in Ostdeutschland (am bisherigen Verlagssitz Leipzig) fünf Auflagen. Während es in rechtschreiblichen Fragen so gut wie keine Unterschiede gab, wichen die Auflagen im verzeichneten Wortschatz durchaus voneinander ab", heißt es in dem Buch. Logisch, auch die DDR gebar eine ganze Reihe eigener Wortschöpfungen.
Nachzügler im Westen
Der "Einheitsduden", die 20. Auflage von 1991, beendete die Zeit der Parallelausgaben. Gestrichen wurden damals DDR-Begriffe wie "Kaderakte" (Personalakte) und "Namensweihe" (feierliche Namensgebung bei einem Neugeborenen als Ersatz für die christliche Taufe). Auffällig ist, dass bei mancher gesellschaftlichen Entwicklung die Bundesrepublik Nachzügler war. Während im Osten zum Beispiel schon 1967 die "Arztfrau" verschwand - also die Frau, die mehr oder weniger als Gnade die akademischen Weihen des Herrn Gemahls tragen darf - war es im Westen erst 1980.
Und das in den Dreißigerjahren eingesickerte und faschistisch geprägte Wort "Volksverräter" (abwertend für jemanden, der das eigene Volk hintergeht) verschwand schon 1951 im Ost-Duden, aber erst 1973 im West-Duden. Heute steht es wieder drin - allerdings nur wegen seiner neuerlichen Karriere in den letzten Jahren. Vor ein paar Jahren wurde es in Darmstadt von der dortigen Jury zum "Unwort des Jahres 2016" erklärt - und im Duden gibt es ganz hinten eine Liste der seit 1991 gekürten "Unwörter des Jahres".
Peter Graf: "Was nicht mehr im Duden steht" - Bibliografisches Institut Berlin 2020, 10 Euro