Alle Jahre wieder erklingen auch die älteren Weihnachtslieder zum Fest. Seit Kindheitstagen begleiten und erfreuen sie uns wie viele andere Menschen in aller Welt. Und das, obwohl sie nicht der Feder eines Komponisten, wie heute üblich, entsprungen sind, sondern Menschen mit Herz - für andere. Das berühmte "O Tannenbaum" zum Beispiel - die Suhler wissen das natürlich - hat der Goldlauterer Lehrer Ernst Anschütz 1824 in seine heutige Form gebracht und damit erst zum Weihnachtslied gemacht. Melodie und erste Strophe kopiert er zwar beim schlesischen Renaissance-Komponisten Melchior Franck. Doch populär wird das Lied erst, nachdem Anschütz - inzwischen nach Leipzig ausgewandert - zur Feder griff. In Leipzig mag ihn das Lied wohl auch an den Thüringer Wald seiner Kindheit erinnert haben.

Auch "Alle Jahre wieder" ist fast mitten im Fichtengrün entstanden: 1835 geht in Ichtershausen vor den Toren Arnstadts der Pfarrer und Superintendent Wilhelm Hey ans Werk. Er wird 1789 in Leina bei Gotha geboren, besucht das Gymnasium und studiert Theologie in Jena und Göttingen. Seine erst Pfarrstelle hat er 1818 in Töttelstedt bei Erfurt. Hier engagiert er sich besonders für die Armen. So bereitet er in seinem Privathaushalt Kinder der unteren sozialen Schichten auf den Besuch höherer Schulen vor.

Aus Rom kommt 1823 das Angebot, Gesandtschaftspfarrer in Italien zu werden - Hey lehnt ab. Auch die zweite Anfrage aus der Ewigen Stadt kann ihn 1827 nicht locken. Stattdessen lässt er sich vom Gothaer Herzog am 1. Januar 1828 an die Hofkirche berufen. Er pflegt freundschaftliche Kontakte zum Gothaer Verleger Friedrich Perthes. Ab Pfingsten 1832 wird Wilhelm Hey Superintendent auf der Pfarrstelle Ichtershausen und kümmert sich hier um die verschiedensten Belange der Einwohner. Er unterstützt die Erziehung der Kinder, richtet eine Abendschule für Lehrlinge, eine Volksbücherei, eine Sparkasse und eine Hilfskasse für Handwerker ein. Er sammelt Spenden, um anderen zu helfen - und das vor allem auch zu Weihnachten.

Das Fest verbringt er nicht im engen Familienkreis, sondern mit seinen Pfarrkindern. Besonders lebhaft wird es im Pfarrhaus am Weihnachtstag selbst - gemäß damaliger Gepflogenheiten der 25. Dezember. Wilhelm Hey und seine Frau Luise laden die kleineren Schulkinder ein, servieren Äpfel, Honigkuchen und anderen Leckereien. Arme Kinder des Ortes, die in der Ferne einer Lehre nachgehen, erhalten jedes Jahr zum Fest einen Umschlag mit 30 sorgsam eingewickelten Talern. Den Text "Alle Jahre wieder" verfasst Hey 1835 - wahrscheinlich ist es der Musikpädagoge Friedrich Silcher, der die heute gebräuchlichste Melodie schreibt. Auch Ernst Anschütz vertont später den Text.

Wilhelm Hey macht sich auch als Schriftsteller einen Namen. 1815 erscheinen seine ersten Gedichte, 1833 sein erster Fabelband ,,Fünfzig Fabeln für Kinder", dem 1837,,Noch fünfzig Fabeln für Kinder" folgen. Beide Bände werden ansprechend mit Bildern des Hamburger Künstlers Otto Speckter gestaltet. Dem Freundeskreis Leina ist es zu danken, dass die ,,Gedichte des jungen Wilhelm Hey" wieder aufgelegt und die Fabeln durch die Edition Hamouda Leipzig in historischem Gewand, gemäß der Schulausgabe des Perthes-Verlags, 2009 als Nachdruck erschienen sind. Wilhelm Hey stirbt am 19. Mai 1854 und wird neben der Klosterkirche Ichtershausen beigesetzt. Seine Gemeinde erfährt erst nach seinem Tod, dass ihm sieben Jahre zuvor von der Universität Heidelberg die Ehrendoktorwürde verliehen wurde.

Auch das Weihnachtslied ,,O du fröhliche" gehört zu den populären Klassikern, die jeder kennt. Weniger ist über seinen Schöpfer Johannes Daniel Falk bekannt. 1768 als zweites von sieben Kindern des Perückenmachers Johann Daniel Falk in Danzig geboren, besucht er 1775 drei Jahre lang das Gymnasium, ehe ihn die Eltern mit in die väterliche Werkstatt nehmen. Danach besucht er die Prima der Petrischule und die Obersekunda des Akademischen Gymnasiums. Er studiert ab 1791 Theologie an der Universität Halle/Saale, wo er sich auch für Antike, Philosophie und Politik interessiert. Es entstehen erste journalistische und satirische Arbeiten, die von Ludwig Wilhelm Gleim und Christoph Martin Wieland geschätzt werden. Das ermutigt ihn: Er bricht das Studium ab und entschließt sich, Schriftsteller zu werden.

1797 heiratet er Caroline Rosenfeld, zieht mit ihr nach Weimar, wo er die zweite Hälfte seines Lebens verbringt. Hier ist er befreundet mit Wieland und Herder, schreibt Rezensionen, literaturkritische Aufsätze und Lustspiele. 1806, nach der für die Preußen vernichtenden Niederlage bei Jena und Auerstedt, setzt er sich als Dolmetscher des französischen Stadtkommandanten mutig für die Bürger der Stadt ein - Weimar wird nicht geplündert. Im Mai 1813 gründet Falk mit dem Stiftsprediger Karl Friedrich Horn die ,,Gesellschaft der Freunde in der Not" als Einrichtung für heimatlose und straffällig gewordene Kinder.

Das Jahr 1813 sollte für ihn das Schwierigste seines Leben werden: Der Historiker Gustav Adolf Benrath schildert es so: Im April 1813, als zwei napoleonische Armeen, etwa 40 000 Mann, das Herzogtum durchziehen und Dörfer plündern - die gesamte Einwohnerzahl des Landes beträgt damals nicht mehr als 120 000 - muss Falk von neuem als Vermittler einspringen. Von dem französischen Brigadegeneral bevollmächtigt, gelingt es ihm noch einmal, mit Hilfe einer Kompanie französischer Soldaten die gröbsten Ausschreitungen zu verhindern. Im Herbst und Winter, nach der Völkerschlacht bei Leipzig, kommt es dann aber noch schlimmer. Es breiten sich Ruhr und Scharlach in Weimar aus - Falk verliert vier seiner Kinder und entschließt sich, "Vater der Waisen" zu werden.

Seine Fürsorge gilt fortan den durch Krieg verwaisten Kindern. Einige nimmt er in sein Haus auf, andere vermittelt er Pflegeeltern oder sucht für sie Lehrstellen bei Handwerkern oder Arbeitsstellen bei Bauern. Sonntags ist obligatorischer Besuch aller Zöglingen in seiner Wohnung zur Sonntagsschule: 1815 sind bereits 30 Kinder in seiner Obhut. Bis zu seinem Tod 1826 hat er etwa 500 Zöglingen den Weg in das "Erwachsenen-Leben" ermöglicht. Für seine Sonntagsschule schreibt Falk oft Lieder und Gedichte selbst. Und so entsteht vor dem Weihnachtsfest 1816 "O, du fröhliche" als ein sogenanntes "Dreifeiertagslied", d. h. die Strophen 2 und 3 preisen Ostern bzw. Pfingsten. Den Text schreibt er bereits in der Adventszeit 1815, als er überlegt, wie er mit den vielen Kriegswaisen, die er bei Handwerkern ausbilden ließ, Weihnachten feiern könne. Die Melodie stammt aus Herders Volksliedersammlung, sie gehört zu einem sizilianischen Fischerlied. Die beiden heute gesungenen weihnachtlichen Strophen zwei und drei verfasst 1829 Heinrich Holzschuher, sein langjähriger Mitarbeiter.

1821 zieht Falk in den halb zerfallenen "Lutherhof", den er mit seinen Zöglingen wieder aufbaut und wo er am 14. Februar 1826 nach schwerer Krankheit stirbt. Sein Grab befindet sich auf dem Historischen Friedhof der Stadt Weimar. Seine Frau Caroline, gestorben 1841, ruht neben ihm.