Feuilleton Stasiakten gegen Geister

Klaus Grimberg

Tatort "Parasomnia" - Sonntagabend, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen Die menschliche Psyche birgt rätselhafte Untiefen.

 
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Tatort "Parasomnia" - Sonntagabend, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen

Die menschliche Psyche birgt rätselhafte Untiefen. So auch bei der 14-jährigen Talia: Der frühe Unfalltod ihrer Mutter war für sie ein Trauma, das sie emotional überfordert hat. Zumal sich das Mädchen in seinem tiefsten Inneren die Schuld an dem Unfall gibt. Also hat sie über die Jahre einen Mechanismus entwickelt, unangenehme Wahrnehmungen zu verdrängen und in andere Bilder umzuwandeln. Diese Bilder aber verfolgen sie im Schlaf. Je unangenehmer die Erlebnisse, desto bedrohlicher sind die Traumsequenzen. Für das Dresdener Ermittlerteam bleibt das Mädchen eine fest verschlossene Kapsel: Kurz nach dem Mord an einem Handwerker hat sie den Täter am Tatort überrascht. Aber sie ist unfähig, über das Erlebte zu sprechen.

Wenn in einem Krimi Geister durch die Szene huschen und sich die Untoten aus dem Jenseits melden, ist meist Vorsicht angesagt. Nicht aber in dieser Tatort-Folge aus Dresden: Denn am Ende wird deutlich, wie die Psyche der jungen Talia die emotionale Überforderung verarbeitet und in Traumbilder übertragen hat. Für das Publikum sind diese Sequenzen unheimlich, auch wenn man die wandelnden Toten gerne als Grusel-Firlefanz beiseiteschieben möchte. Zumal Gorniak (Karin Hanczewski) und Schnabel (Martin Brambach) bei ihren Nachforschungen in geheimen Akten der Stasi auf ungeklärte Mordfälle stoßen, die mit Talias Traumbildern übereinstimmen. Nebenbei berührt Drehbuchautor Erol Yesilkaya dabei den Umstand, dass manche Gewaltverbrechen oder gar Serienmorde in der DDR vertuscht wurden. Denn im real existierenden Sozialismus durfte es so etwas nicht geben.

Talias beängstigende Begegnungen im Schlaf lassen sich im Nachhinein klar deuten. Regisseur Sebastian Marka aber nutzt die Untiefen der Psyche, um auch in das Reich des Unerklärlichen vorzudringen. Talia spürt zu Kommissarin Winkler (Cornelia Gröschel) eine besondere Verbindung, die vordergründig mit der Ähnlichkeit zu ihrer Mutter zu tun hat. Dann erahnt sie im Schlaf die tödliche Bedrohung der Polizistin durch den Serienmörder, der an den Tatort zurückkehrt. Zufall? Oder doch so etwas wie eine telepathische Fähigkeit? Darauf gibt dieser Tatort keine Antwort, so wie es auch in der Wissenschaft für solche Phänomene keine gesicherten Erkenntnisse gibt. Für die Spannung eines Krimis aber sind solche Annäherungen an das Ungewisse immer sehr zuträglich. Die bedrohlichen Momente dieses Tatorts werden noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Aber auch die sachliche Polizeiarbeit und der Exkurs in die DDR-Geschichte, mir der der Spuk letztlich nüchtern erklärt werden kann.

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