Manche Schweizer Künstler profitierten enorm von den Entwicklungen im "Dritten Reich". Sie nutzten ihre Chance als Lückenfüller, nachdem jüdische und "entartete" Kulturschaffende vertrieben waren. Ein Beispiel dafür ist der Zürcher Komponist Othmar Schoeck, der zeitlebens vom Erfolg in Deutschland träumte. Als die Nazis ihn ansprachen, ließ er sich nicht lange bitten und plante eine Oper nach Joseph von Eichendorff, der damals als der "deutscheste aller deutschen Dichter" galt.

Schoeck nahm sich Eichendorffs Novelle "Das Schloss Dürande" vor, die von einer Liebe im Schatten der Französischen Revolution erzählt: Armand, Sohn des Herzogs Dürande, verliebt sich in die Jägersschwester. Die nicht standesgemäße Beziehung muss jedoch verhindert werden: Der Jäger schickt seine Schwester ins Kloster. Armand heiratet eine Andere. Das zieht jede Menge Unheil nach sich, und am Ende wird das titelgebende Schloss in die Luft gesprengt.

Wunderbare Musik

Um aus der Novelle eine Oper zu formen, tat sich Othmar Schoeck mit dem Dichter Hermann Burte zusammen. Burte war ein eifriger Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie, der für den Geheimdienst der SS spitzelte und sich sogar ein Plätzchen auf Hitlers sogenannten "Gottbegnadetenliste" sicherte. Für "Das Schloss Dürande" textete er mit mittelmäßiger Qualität und ideologischer Schlagseite, so dass die Oper eigentlich als nicht mehr aufführbar gilt - trotz der wunderbaren Musik.

Um die Klänge zu retten, kümmerte sich ein Projekt an der Hochschule der Künste Bern um ein neues Libretto, basierend auf "echten" Eichendorff-Versen. In Bern erklang der frisch renovierte Vierakter im Frühjahr 2018 konzertant; soeben ist ein Mitschnitt bei dem Schweizer Label "claves" erschienen. In Meiningen wird die Neufassung nun erstmals szenisch umgesetzt.

Othmar Schoeck dürfte Meiningen und dessen berühmte Hofkapelle selbst erlebt haben, studierte er doch 1907/08 bei Max Reger in Leipzig, bevor er als Chorleiter und Pianist nach Zürich ging. Der Komponist, der vor allem Kunstlieder schuf, fühlte sich zeitlebens der spätromantischen Musiksprache verpflichtet. Einem Stil, der zur Entstehungszeit von "Das Schloss Dürande" längst veraltet war.

"Viel Tonales, viel Altbekanntes finden wir da, jedoch so klug und leidenschaftlich gebündelt, dass es nicht nur vollkommen authentisch und adäquat, sondern vielmehr aufregend, neu und nachhaltig modern wirkt", meinte jedoch der Dirigent Mario Venzago anlässlich der von ihm geleiteten Aufführung in Bern. Im Projektbericht der Berner Kunsthochschule ist gar von einem "Schlüsselwerk der Schweizer Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts" die Rede.

Nach der Uraufführung, die 1943 an der vom Bombenhagel schon teilweise zerstörten Berliner Staatsoper stattfand, hielt jedoch selbst Hermann Göring die schiefen Reime für "Bockmist" und setzte die Inszenierung nach vier Aufführungen ab.

Burtes Text ist zwar eigentlich unpolitisch. Jedoch zeigt seine gestelzte, mal brachiale, mal kitschige Sprache genau jene Merkmale, die der Philologe Victor Klemperer als typisch für die verbale Verhunzung des NS-Systems, die "Lingua Tertii Imperii", erkannte.

Entkitschungsarbeit

Durch ein neues Libretto konnte das Stück nun "entnazifiziert" und seine musikalische Substanz gerettet werden. Der Berner Schriftsteller Francesco Micieli ersetzte die problematischen Verse durch Originaltexte von Eichendorff. Mehr als die Hälfte des Librettos hat er in einer "großen Entkitschungsarbeit", so der Dichter, neu geschaffen.

Das Ergebnis lobt der Dirigent Mario Venzago, der die neuen Gesangstexte in Schoecks Musik einpasste: "Micieli ist es gelungen, nicht nur die Atmosphäre der zugrunde liegenden Novelle einzufangen, sondern mit den neuen Texten die ursprüngliche Geschichte noch viel genauer, poetischer und dramaturgisch stringenter zu erzählen."

In Meiningen übernimmt nun Philippe Bach, Chefdirigent des Hauses, die musikalische Leitung. Regie führt der Intendant Ansgar Haag. Fest steht schon jetzt: Libretto und Musik sind beim "Schloss Dürande" nun auf einer Höhe.

Premiere an diesem Freitag und Sonntag (8./10. März), weitere Vorstellungen am 16./29. März und bis Ende der Spielzeit.

Infos: www.meininger-staatstheater.de