Die Betriebsgewerkschaftsleitung tagt. Oder das fakultative Gebietskomitee arbeitet. Oder der Karnevalsverein trifft Vorbereitungen. Die Trostlosigkeit dieses Ortes offenbart die Dringlichkeit der einzuleitenden Maßnahmen, der Ort, in dem sie leben, bedarf dringenden Trostes. Deshalb kommen sie jetzt. Der Vorsitzende trägt Fliege, der Vertreter der Stadt einen Rucksack und ein schönes Schwarz, der Mann ist im Kulturausschuss und hat überdies die Verantwortung für seine Mutter, die hat er vors Herrenklo gesetzt.

Die Vertreterin der FDJ trägt kein Blauhemd, nur rot-puschelige Ohrwärmer. Der kräftige junge Arbeiter ist nicht verheiratet, er lebt nur zusammen, was die Frau mit dem hohen Dutt und dem kurzen Rock etwas irritiert, sie ist die Gattin des Vorsitzenden. Und tauscht dann rasch mit dem Marxisten Argumente aus: "Kleine miese Ratte!" Der entgegnet darauf geistesgegenwärtig: "Blöde Kuh!". So nehmen die Dinge ihren Lauf.

Und der Brite Alan Ayckbourn seinen Landsleuten Maß. Ayckbourn ist einer der meistgespielten Dramatiker der Welt, die Bühnen hungern nach Boulevard, bei dem man sich was denken darf. "Das Festkomitee" ist aber nicht sein stärkstes Stück, es reüssiert überwiegend bei Amateurbühnen und Tingeltruppen. Mutmaßlich entschied sich Steffen Mensching dennoch für den Text, weil er viel zu tun hat mit den Gepressten der darbenden Provinz, auch mit der heimatseligen Übersteigerung lokaler Mythen, die von den lokalen Selbstfindungsneurosen in Dienst genommen werden. Will sagen, das Stadttheater meint seine Stadt.

DDR-Assoziationen

Steffen Mensching führt den Abend für sein Publikum assoziativ auch an der DDR entlang, die Bühne von Mathias Werner stöhnt unter der Tristesse einer Kleinstadt, so klein der Flecken sein mag, so groß sind die Flecken an den Wänden.

Der Unterhaltungswert des ersten Teils indessen ist nicht ganz so groß. Das Festkomitee tagt und tagt und tagt jeglichen Tag und redet, redet, redet jegliche Stunde. Das Festspiel will eine Begebenheit von damals auf den Marktplatz bringen, da haben die Bürger den Herren gezeigt, was eine Harke ist und eine Bauernfaust. Der Marxist Eric sieht darin das Fanal des Klassenkampfes lodern, die Gattin Helen das Aufscheinen des Bösen und alle hauen sich in die Fresse, erst rhetorisch, dann praktisch. Aber bis dahin dauert es.

Die Schauspieler, die meisten, haben bis zum großen Tohuwabohu ein schweres Amt, das ist den Rollen geschuldet, was es auch der Inszenierung schwer macht. Rayk Gaida zum Beispiel muss als Vorsitzender ganz, ganz viel erklären, das macht er achtbar. Besser, deutlich besser hat es da Matthias Winde. Der buchhalterische Multifunktionär Donald leidet nervös unter der Unvollkommenheit der Zustände, er achtet mit Herzblut auf die Korrektheit von Orthografie und Abläufen sowie darauf, mit möglichst wenigen praktischen Dingen behelligt zu werden. Das ist eine Figur nun nicht eben zum Schreien, aber doch zum Lächeln.

Verena Blankenburg hat doppelt Glück, ihr ist als schwer hörende und deshalb fröhlich lebende alte Dame als Text im Wesentlichen nur ein "Also" aufgetragen und sie darf am Tisch ihre leisen Späße treiben, derweil die Kollegen laut labern müssen. Johannes Arpes Lawrence ist der Mann, dem alles schief läuft und die Frau davon, das hat ihn depressiv gemacht, das lässt ihn düster in die Zukunft schauen und tief ins Glas. Zur Belohnung darf der Schauspieler am Ende ein rostendes Ross reiten. Ein von Mathias Werner erfundenes Pferd, das dem Begriff Konstruktivismus einen neuen Sinn verleiht.

Aber so weit sind wir noch nicht. Denn vorher muss sich Ulrike Gronows Helen noch mit Oliver Baeslers Eric anlegen, was sie im Übrigen gewinnt, auch wenn Mensching sich um Ausgewogenheit müht. Ihr geht der Marxismus-Quark auf die Nerven, weshalb ihr der Leutnant Tim (Benjamin Petschke) sehr gelegen kommt, schon schnürt sie sich enger und kommt wohl als einzige auf dem Fest, und zwar zu ihrem Spaß.

Wie früher, wie heute

Das ist bis zur Pause von sanfter Heiterkeit und dito Länge. Mensching hat die Figuren, wohl weil er sie und ihr assoziatives Umfeld nicht verjuxen wollte, etwas zu ernst genommen. Es wäre dem gelernten Clown nicht schwer gefallen, ein bisschen Klamotte zu machen, ein bisschen Slapstick. Es nicht zu tun, mag seinen Sinn haben, aber es hat auch seinen Preis. Und Mensching hat wohl auf den zweiten Teil vertraut, wo der Affe Zucker und die Festspielteilnehmer in die Fresse kriegen. Das ist die gute alte Schmiere, Schichtls Geisterbühne erschiene daneben als Staatstheater und die Wände wackeln fröhlich mit. Bis dahin allerdings fehlt der Inszenierung ein Rhythmus, eine Konzentration, die einen Spannungsbogen hält.

In der Pause sagte ein Mann zum anderen, das sei wie früher und ein bisschen wie heute. Und hatten ihn also verstanden.

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