Er wurde über Nacht berühmt: Sein Drama "Vor Sonnenaufgang" schockierte die Zuschauer. Armut, soziales Elend, verzweifelte Menschen machte Gerhart Hauptmann zum Thema auf der Bühne. Dort sprachen die Schauspieler nicht in getragenen Hexametern, sondern wie Tagelöhner und Droschkenkutscher. Der Kaiser kündigte seine Loge, als das Deutsche Theater "Die Weber" aufführte. Hauptmanns Erfolg hielt das nicht auf: 1912 bekam er den Literaturnobelpreis.

Gerhart Hauptmann war schon als junger Spund ein Star. Und wurde bald zu einem der bekanntesten deutschen Schriftsteller weltweit. In der Weimarer Republik handelten ihn manche als nächsten Reichspräsidenten. In der Zeit des Nationalsozialismus blieb er in Deutschland und hielt sich mit öffentlicher Kritik am Regime zurück. Fast 50 Dramen hat er verfasst, aber auch Novellen und Romane, Lyrik und etliche autobiografische Schriften. Die Literaturwissenschaft sieht in ihm einen der wichtigsten Vertreter des Naturalismus und einen Bahnbrecher der literarischen Moderne.

Festbankett zum 50.

Vor 100 Jahren stand er auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Hauptmanns 50. Geburtstag war ein rauschendes Fest: Zum Jubeltag hatte ein Festkomitee, zu dem der Verleger Samuel Fischer, der Maler Max Liebermann und der Industrielle Walter Rathenau gehörten, ins noble Berliner Hotel Adlon eingeladen. Zwei Tage später gab es ein Festbankett in Wien. Am 10. Dezember 1912 erhielt er in Stockholm "in Anerkennung seiner reichen, vielseitigen, hervorragenden Thätigkeit besonders im Gebiete der dramatischen Dichtung" den Literaturnobelpreis.

Selbstverständlich war das nicht. Der Sohn eines Gastwirts und Hoteliers, geboren im schlesischen Bad Salzbrunn, war in der Schule eher ein Versager. Später lernte er in der Landwirtschaft, studierte, versuchte sich gar als Bildhauer in Rom. Doch erst, als er eine wohlhabende Kaufmannstochter geheiratet hatte, stellten sich erste Erfolge ein. Seine erste Novelle "Bahnwärter Thiel" erzählt von Kindesmisshandlung, sexueller Abhängigkeit, Gewalt und Mord - alles Themen, die nicht gerade erbaulich klingen. Für sein erstes, 1889 geschriebenes Drama "Vor Sonnenaufgang" gilt das ebenso. Die Reaktionen sind gespalten: Die einen fasziniert das Sozialdrama, die anderen pfiffen vor Entsetzen und Abscheu. Naturalismus galt damals als Provokation.

Produktiv war Hauptmann sein Leben lang, geschrieben hat er bis zu seinem Tod im schlesischen Agnetendorf am 6. Juni 1946. Da wusste er bereits, dass er seine Heimat wenige Tage später hätte verlassen müssen. Wie alle Deutschen sollte auch er aus Schlesien vertrieben werden. Beigesetzt wurde er schließlich auf dem Friedhof von Kloster auf Hiddensee - wo auch sein Ferienhaus steht.

Gerhart Hauptmann ist oft und gerne gereist - nicht nur in Europa. Seine Aufenthalte in Bad Liebenstein von 1924 bis 1927 dienten der Augenbehandlung seiner Frau Margarete. Durch den dort praktizierenden Augenarzt, Maximilian Graf von Wiser, lernt Hauptmann auch Angehörige des Hochadels kennen. Es entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung zum Fürsten Henckel von Donnersmarck, später zu Fürst und Fürstin zu Schaumburg-Lippe.

Logis im "Kaiserhof"

Der Schriftsteller Hans von Hülsen schreibt im Mai 1927 in der Königsberger Allgemeinen Zeitung: "Hier praktiziert Graf Wiser, der berühmte Augenarzt, von dessen wunderbaren Kuren und Heilerfolgen die Welt voll ist. Ich habe den schweren, schweigsamen Mann kennen gelernt, der ganz zurückgezogen, ganz nur für seine Arbeit und seine zahllosen Patienten lebt." Hülsen hatte 1927 vom Reclam-Verlag den Auftrag erhalten, eine populäre Darstellung von Hauptmanns Leben zu schreiben. Über seinen Aufenthalt bei dem Dichter in Bad Liebenstein berichtete er: "Hauptmanns wohnen regelmäßig in dem schönen Kurhotel ("Der Kaiserhof"), sie wurden nicht müde zu rühmen, wie gut sie dort untergebracht waren. Demgemäß fand ich, als ich ankam, den Dichter in allerbester Laune. Er hielt sein Versprechen, mir jede notwendige Auskunft zu geben. Täglich machten wir Spaziergänge in den herrlichen Buchenwald am Schloßberg, nach der Hohen Klinge oder zum Schloß Altenstein. Auf den Wegen zeigte sich Hauptmann, im Gegensatz zu seiner sonstigen schweigsamen Art, äußerst gesprächig. So erfuhr ich eine große Menge von Einzelheiten aus seinem Leben." Diese Spaziergänge in Bad Liebenstein unternahm Hauptmann oft allein und ließ sich von der Natur inspirieren. So entstand das Gedicht "Der alte Birnbaum" (1927). Der "Hadumoth-Gesang" des "Großen Traums" schildert einleitend einen Abstieg von der Wartburg.

Diese mehrwöchigen Aufenthalte in dem thüringischen Kurort werden in den Biografien kaum oder gar nicht erwähnt, obwohl sich der Dichter während der jeweiligen Augenbehandlung seiner Frau mit dem "Hamlet-Problem" befasst, an "Dorothea Angermann", am "Buch der Leidenschaft" am "Till Eulenspiegel" und an "Ulrich von Lichtenstein" gearbeitet hat. Die Anwesenheit des Dichters konnte der wöchentlich erscheinenden "Fremdenliste von Bad Liebenstein" entnommen werden. Wie zu erwarten, hatten fast alle Thüringer Zeitungen über seine Ankunft bzw. seinen Aufenthalt berichtet. Überraschend ist aber die Resonanz und die Vielfalt der Artikel deutschlandweit erscheinender Zeitungen.

Berichte in der Zeitung

Die Tilsiter Allgemeine Zeitung schreibt zum Beispiel am 24. Juni 1925: ". . .und am Morgen schritt die hohe, breite Kraftgestalt Gerhart Hauptmann (in Knickerbocker) über die Kurpromenade. Zeitweise neben seiner aparten, zierlichen, kleinen Frau (mit dem dunklen Bubikopf). Man sagt, ihre Augen seien erheblich leidend." Im Kleinen Journal Berlin ist am 21. August 1926 bezugnehmend auf Hauptmanns ablehnende Haltung zum Eintritt in die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste unter dem Titel "Thüringer Impressionen" zu lesen: "Vor dem 'Kaiserhof' lösen sich die Autos der internationalen Gesellschaft in unaufhörlichem Reigen ab. Dort pflegt der Olympier Gerhart Hauptmann zu wohnen, der Dichter der Republik, einstiger Befürworter und heutiger Verneiner der preußischen Dichterakademie." Hauptmann hatte Kultusminister Carl Heinrich Becker wissen lassen: "Eine bewusste Führung auf dem Gebiet der Dichtkunst gibt es nicht. Wenn ich, wie andere Schriftsteller und Dichter, auf Menschen im Sinne der Menschlichkeit gewirkt habe, ist es mir genug." Seine Meinung hat Hauptmann bald geändert - im Januar 1928 tritt er der Akademie bei.

Der "Plauderbrief aus dem Bade" von Hans von Hülsen, erschienen in der Königsberger Allgemeinen Zeitung im Mai 1927, vermittelt die Wärme und Verehrung des Verfassers für den Dichter. "Bad Liebenstein heißt der reizende kleine Ort - ist's Dorf oder Stadt? - in den nicht das Bedürfnis nach dem heilkräftigen eisen-, mangan- und arsenhaltigen Wasser mich lockte, sondern ein Besuch bei Gerhart Hauptmann. . . Zu fünft fuhren wir eines Spätnachmittags im Auto hinaus zu einem einsamen Gasthof tief in den Thüringer Wäldern, saßen dort, während ein gewaltiges Gewitter übers Land brauste, am einfachen Wirtstisch bis in die Nacht."

Hauptmann-Blick

Und was erinnert heute in Bad Liebenstein an Hauptmann? Ein Platz oberhalb des Marienweges am Schlossberg ist seit Jahren der Gerhart-Hauptmann-Platz; es gibt eine Gerhart-Hauptmann-Straße und den "Kaiserhof". Vor ein paar Jahren hatte man noch an Abriss gedacht, bevor er als repräsentatives Kulturhotel zu Pfingsten 2006 seine Wiedergeburt erlebte. Auf dem Aschenberg befindet sich der "Hauptmann-Blick", ein beliebter Aussichtspunkt mit Schutzhütte. Hier erfreute sich der Dichter am Panorama des Thüringer Waldes mit dem Zechsteinriff Altenstein und den Basaltkuppen der Thüringer Rhön. 2007 besuchte seine Enkelin Ingeborg Hauptmann diesen Platz und enthüllte eine an der Schutzhütte angebrachte Erinnerungstafel an ihren Großvater.