Das passiert nicht alle Tage: Vor dem Eingang zum Schauspielhaus in Leipzig liegt ein roter Teppich und drinnen ist jede Menge Theater-Prominenz aus dem ganzen Land. Die FAUST-Verleihung zieht. Ein paar Groß-Intendanten fehlten zwar am Freitag, die meisten waren aber da. Dass die mit dem FAUST für ihr Lebenswerk geehrte Elfriede Jelinek nicht angereist war, muss den Bühnenverein, der den renommierten (undotierten) Preis in acht Kategorien zum zwölften Mal verliehen hat, nicht wirklich grämen.

Die österreichische Kassandra vom Dienst hat sich ja nicht einmal ihren Literaturnobelpreis persönlich abgeholt. Aber sie hat ein für ihre Verhältnisse sehr nettes Grußwort "komponiert" und vom ebenfalls aus Österreich stammenden Multitalent Nikolaus Habjan mit Jelinek-Handpuppe zu Gehör bringen lassen. Zuvor hatte Hausherr und Auch-Jelinek-Regisseur Enrico Lübbe in einer Laudatio die Vorzüge der Autorenberühmtheit auf den Punkt gebracht.

Ansonsten sah die Dramaturgie des Abends diesen Teil der sonst üblichen Preisverleihungsrituale nicht vor. Dafür gab es gut gemachte Einspieler, in der die jeweils drei Nominierten in jeder Kategorie sich selbst mit ihrer Arbeit vorstellten, den obligaten Umschlag, und die jedes Mal von Christian Friedel leicht ironisch angefügte Frage, wem der Geehrte jetzt noch speziell danken wolle. Der Dresdner Schauspieler, Sänger und Entertainer, samt seiner Band "Wood of Birnam", war überhaupt eine Show für sich. Souverän, mit (sogar politischer!) Meinung und einer Ironie, die auch vor der sächsischen Kulturministerin und dem Leipziger OB nicht haltmachte. Genauso muss man es machen, wenn man das Image Sachsens aufpolieren will und dabei sogar das jüngste Wahlergebnis thematisiert. Bravo.

In die von Anfang an ausgelassene Stimmung passte auch, was Karin Neuhäuser (die den Faust in der Kategorie Darsteller/in Schauspiel für ihren WUT-Monolog am Hamburger Thalia bekam) über ihren Kampf gegen, mit und dann für den Text der Jelinek sagte. Sie jedenfalls habe ihre Souffleuse "Elfie" genannt und bedanke sich bei der ausdrücklich.

In der Hallenser-Inszenierung von Jelineks WUT ist ein solcher Verzweiflungsausbruch vom dortigen Autorinnen-Alter-Ego selbstironisch sogar eingebaut. Für die Raumbühne HETEROTOPIA, mit der Sebastian Hannak das Opernhaus in Halle für diese WUT-Aufführung, den Fliegenden Holländer und zwei Opernnovitäten, ein Ballett und einen Konzertabend auf den Kopf gestellt hat, gab es den FAUST für Bühne/Kostüm. Eine willkommene und verdiente Ermutigung für das junge Leitungsteam der Oper in Halle!

Aus Mitteldeutschland waren in der Kategorie Schauspieler/in Téné Oulego (für seinen Hauptmann von Köpenick in Altenburg-Gera) und für Tänzer/in Lou Thabart vom Leipziger Ballett (für seinen Theo in "Van Gogh") vertreten. Für die Auswahl der Nominierten spricht insgesamt, dass es (mit Ausnahme des Schweizer Theater-Urgesteins Christoph Marthaler, der für die "Lulu" an der Hamburgischen Staatsoper geehrt wurde) nicht die üblichen Verdächtigen waren. Mit den Preisen bedacht wurden so vor allem jüngere Künstler, für die dieser FAUST Ansporn für Künftiges ist. Als Show war das einer der gelungenste FAUST-Verleihung.