Den Menschen künstlich zu erschaffen, das ist ein alter Traum. Ein „ewig neues altes Thema“, wie der Meininger Maler und Grafiker Udo Eisenacher sagt. Denker, Philosophen, Wissenschaftler und Schriftsteller treiben diesen Traum stets zu neuen Blüten. Ob mit alchemistischen Mitteln, wie einst der Mediziner Paracelsus schrieb. Oder mit streng wissenschaftlich, wie es heute die Gen-Technik und die Suche nach künstlicher Intelligenz demonstrieren.

Homunculus – Menschlein – heißt das Phänomen. Selbst in Wahrnehmungstheorien hat es Eingang gefunden. Goethe setzte ihm mit der Figur des Homunculus im Faust II das wohl bedeutendste künstlerische Denkmal.

Sehr persönlich

Die Faust-Inszenierung am Meininger Theater wiederum hat bei den Künstlern im Umfeld des Meininger Kunsthauses Nekst sozusagen die Initialzündung ausgelöst, sich des Themas anzunehmen. Gleichwohl „weniger des Faustschen Homunculus’“, sagt Eisenacher, „es geht um den Versuch, den Homunculus in die Jetzt-Zeit und auf den Jetzt-Menschen zu transportieren.“

Die Idee hinter dem Homunculus unterscheidet sich dabei von gefährlichen Wesen a la Frankensteins Kreatur. Beim Homunculus geht es nicht um äußere Wirkung, sondern um innere. Denn dem Homunculus wohnen „Seinsdefizite“ inne, wie Roland Sauer im Ausstellungskatalog schreibt. Seine Künstlichkeit führt dazu, dass er allenfalls ein unvollständiger Mensch sein kann: Weder ist er in der Lage zu lieben, noch schöpferisch tätig zu sein.

„Da kann man eine Menge reinpacken“, weiß Eisenacher und spricht zum Beispiel die „Selbst-Verkünstlichung“ des Menschen an. Die Gefahr in einem solch unübersehbaren Ausstellungsfeld liegt nahe: Dass die so konzipierte Kunst beliebig und unverständlich oder plakativ daherkommt. Doch die acht beteiligten Künstler umschiffen diese Untiefen geschickt. Sie haben eine Ausstellung geschaffen, die ästhetisch überzeugt, die Sinne anregt und einige widerstrebende Gefühle auslöst.

Besonders bewegt etwa die über drei Räume reichende Installation „Innere Abteilung“ des Gothaers Thomas Offhaus. In einer sehr persönlichen Arbeit mit einem 20-minütigen Film, Spiegeln, Installationen und Bildern spürt Offhaus Traumata aus der Kindheit nach, die einen Menschen Homunculus-gleich an seinen emotionalen Fähigkeiten verstümmeln können. Eine Modelleisenbahn fährt unablässig im Kreis. Bewegung ja, aber an einen Ausbruch aus dem inneren Gefängnis ist doch nicht zu denken.

Die leere Hülle des künstlichen Wesens thematisiert Petra Spee in ihrem Raum „Die Suche nach Vollkommenheit“. Diese Suche ist ganz in Weiß ausstaffiert und beinhaltet „Fragen, Formen, Fragmente“. „Kann ich deine Schönheit, deine Entfaltung zulassen“, fragt die Stimme aus dem Off.

Dem Schaffensprozess widmet sich Stefan Groß. Er hat 500 fingergroße Keramikfiguren geformt. Alle sind nach der Reihenfolge ihres Erschaffens nummeriert, der Wert des Vorgängers steckt im Nachfolger. „Die erste Figur kostet einen Euro, jede weitere dann jeweils einen Euro mehr“, erläutert er. Mit einem Opernglas lässt sich der Magie der Figuren auch optisch gut nachstellen.

Unterschiedliche Zugänge

Auch die anderen beteiligten Künstler – Martin Kaiser, Sebastian Bunzel und Volker Nikel mit Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien sowie Ute Richter und Udo Eisenacher mit ihren Bildern – halten das Niveau und liefern gleichzeitig ganz unterschiedliche Zugänge und Deutungen zum Thema. So kann die Ausstellung „Homunculus“ im Kunsthaus Nekst selbst für die zum Erlebnis geraten, denen es sonst schwerfällt, sich mit abstrakter Kunst anzufreunden.

„Homunculus“ ist bis 28. Februar im Kunsthaus Nekst in Meiningen zu sehen.