Ein Abschied mit großer Kapelle, mit hunderten Gästen, Wegbegleitern und Kollegen. Die Weimarische Staatskapelle spielte ein von Seemann ausgesuchtes Programm mit metaphorischen Anspielungen, ein bisschen wehmütig und ein furioses Finale. Bei Rossinis "Guillaume Tell" galoppierte die Kapelle atemlos. Sarastros Solo "In diesen heil’gen Hallen" von Mozart lockte Schmunzelfalten hervor. Von Schubert ertönte der "Schwanengesang, Abschied 1828", neu instrumentiert vom alten GMD der Staatskapelle, George Alexander Albrecht.

Davor und danach launige, ironische, nachdenkliche, reflektierte, ernsthafte, kaum langweilige Reden im großen Saal der Weimarhalle und via Video. Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine gingen die rhetorischen Pferde durch: "Packen Sie Ihre Koffer." Er meinte die bevorstehende große Reise, die Seemann als Erstes im Ruhestand unternehmen will. Vorher soll ihm noch etwas blühen: Ein Geschenk für seinen Garten, denn Goethes Gartenhaus ist schon vergeben.

Der Stiftungsratsvorsitzende und Thüringer Kulturminister dankte Seemann per Videobotschaft, Benjamin Hoff war in Berlin beim Bundesrat unabkömmlich. Kein amtierender Ministerpräsident oder Landesminister kam nach Weimar zu diesem Abschied. Das berührte peinlich. Dafür kam der 86-jährige Ministerpräsident a.D. Bernhard Vogel, der im September 2001 Hellmut Seemann zum Amtsantritt schon begrüßt hatte. Kulturstaatsministerin Monika Grütters schickte aus Berlin noch nicht mal einen Vertreter, der angemessen dankte. Immerhin geht es um die zweitgrößte öffentliche Kulturstiftung in Deutschland, die größte Kulturinstitution in Thüringen. Und kein aktuell verantwortlicher Politiker war präsent.

Die launige, nachdenkliche Lobrede auf Hellmut Seemann hielt mit Professor Werner Frick von der Universität Freiburg ein Mann des geschliffenen Wortes. Er sprach von einer großen Ära. Der Professor lobte mit Seemann einen großen Reformer, seinen kollegialen und integrierenden Führungsstil, einen scharfsinnigen, analytischen Denker, einen Freund und intimen Kenner der Künste. Seemann sei einer der besten Redner, der ihm je begegnet sei, so Werner Frick. So viel Lob musste sein.

Vertrag verlängert

Dunkle Stunden und Jahre erwähnte der Laudator. Das sehr kritische Gutachten des Wissenschaftsrates über den desolaten inneren Zustand der Klassik-Stiftung 2004. Vier Wochen später brannte die Anna-Amalia-Bibliothek. Hellmut Seemann managte die Krise mit vielen Anderen, organisierte Spenden und Sponsoren für den Wiederaufbau. 2010 eine persönliche Krise für Seemann. Der damalige Stiftungsratsvorsitzende und Thüringer Kulturminister Matschie wollte seinen Vertrag nicht verlängern. Seemann hielt als Bewerber um seine Nachfolge vor dem Stiftungsrat eine brillante, vor Ideen sprühende Rede. Sein Vertrag wurde verlängert.

Neu aufgestellt

Die Stiftung stellte sich neu auf. Seemann erfand dafür die rhetorische Figur vom "Kosmos Weimar", den er formte und führte. Wissenschaft, Bildung und Vermittlung, Kommunikation und Marketing bekamen ganz neue Impulse. Zum 90. Bauhaus-Jubiläum 2009 wanderte die große Weimarer Ausstellung "Modell Bauhaus" von Berlin ins MoMa nach New York. Gebaut wird immer in der Stiftung, zuletzt ein neues Bauhaus-Museum, das pünktlich eröffnet wurde, wenn auch noch nicht ganz fertig. Jede Woche strömen 10 000 Gäste ins Haus.

Hellmut Seemann sagte gestern "Adé" auf einem Holzpferdchen auf der Bühne sitzend (Was für eine Metapher?), mit einer kurzen, ironischen, mit ein paar Selbstzweifeln gespickten Rede. Er sagte sprachlos und doch hörbar "Danke", mahnte die Freiheit der Kultur als das Wichtigste an.

Danke Hellmut Seemann für 18 Jahre faire Zusammenarbeit, die der Autor dieses Beitrags journalistisch begleiten durfte.