Man hat es kommen sehen - 2014 wird für die Augen der Kunstfreunde kein Spaziergang. Leichen, Verwunderte, Bombentrichter und Pferdekadaver hängen an den Museumswänden und schockieren. Zum 100-jährigen Gedenken des Ersten Weltkrieges halten rund ein Dutzend große Museen im deutschsprachigen Raum Rückschau auf das Thema und seine Zeit. Die Werke stammen nicht selten aus eigenen Beständen. Es ist schwerverdauliche Kost, die förmlich darauf gewartet hat, aus den Magazinen geholt zu werden.

Ganz heiß waren einige der Avantgarde-Künstler auf die Kriegserfahrung, von der sie sich neue Impulse für ihr Schaffen erhofften. "Ich fühl mich gut und gebe sehr acht auf mich", schrieb Franz Marc am 4. März 1916 an seine Frau. Am selben Tag starb er. Einer der überlebte, war Otto Dix. Er zeichnete, wann immer er konnte, sogar im Schützengraben.

Sein Mappenwerk "Der Krieg" bietet auf 50 Radierungen Kriegserfahrungen aus erster Hand. Aufgerissene Münder klaffen in zerschossenen Gesichtern, Sterbende winden sich unter Höllenqualen, eine Sturmtruppe geht unter Gas vor. Eine Frau kniet halb nackt mit irrem Grinsen neben der Leiche ihres Kindes. Der einäugige Kopf eines Soldaten gleicht nach mehreren Transplantationen einer Maske aus einem Horrorfilm. Die Besucher aller Generationen gehen die Reihen der Drucke, die noch bis Ende April im Stuttgarter Kunstmuseum unter dem Titel "100 Jahre erster Weltkrieg" präsentiert werden, ein zweites und drittes Mal ab - das Thema fasziniert unübersehbar.

Vertiefen kann seinen Eindruck, wer das Jahr über auf Museumstour geht. Zu den eindringlichsten Zusammenstellungen zählt "Das Menschenschlachthaus" (bis 27. Juli) im Wuppertaler Von der Heydt-Museum. In enger Zusammenarbeit mit dem Musée des Beaux-Arts in Reims beleuchtet sie die Katastrophe im Spiegel von deutscher wie französischer Kunst und Literatur. Sie dokumentiert Gemeinsamkeiten im Kriegserleben, darunter Worte wie "Dreck", "Tod", "Gestank", "Ungeziefer" und die Frage "Warum?".

Ein großes Panorama zeichnet das Osthaus-Museum in Hagen mit "Weltenbrand - Hagen 1914" (20. Mai bis 10. August). Neben Werken von Ernst-Ludwig Kirchner und Erich Heckel beschreibt die Schau die "Heimatfront" und die Folgen des Krieges für die Industriestadt. Baudenkmäler und Geschichtsorte im Stadtgebiet werden ebenso wie Archivalien einbezogen.

Den Schicksalen österreichischer Künstler widmet sich das Wiener Leopold-Museum. In "Trotzdem Kunst! Österreich 1914-1918" (9. Mai bis 15. September) versammelt es Kriegsschilderungen von Egon Schiele, Albin Egger-Lienz und Anton Kolig, aber auch Bilder der Zeit mit anderen Sujets wie Gustav Klimts Frauenbildnisse.

Die Ereignisse vor und hinter der Front werden vom Deutschen Historischen Museum Berlin zusammen gefasst. In der Überblicksausstellung "1914-1918. Der Erste Weltkrieg" (ab 5. Juni) liegt der Fokus auf der Eskalation der Gewalt. Wie Krieg klingt, riecht und schmeckt, ruft die Stuttgarter Sonderausstellung "Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne" (bis 1. März 2015) im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Erinnerung. Objekte wie Prothesen und Gasmasken für Pferde, sprechende Zitate und nie gezeigte Fotos ergänzen sie.

In Brühl, Essen, Bielefeld, München und bei der Fotostiftung Schweiz in Winterthur gibt es weitere Möglichkeiten, sich mit der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts auseinander zu setzen. Ob die Ausstellungen eine nachhaltige Wirkung haben, ist dennoch fraglich. Ihr Abschreckungspotenzial ist groß, doch die Unvernunft des Menschen ist größer.

An dieser Stelle schreibt unsere Autorin, die Kunsthistorikerin Bettina Keller, über das, was an- und aufregt in der Welt von Kunst und Kultur.