Was wäre Weihnachten ohne Glasbläser?" Als Lothar Müller-Schmoß diese Frage stellt, hat er schon eineinhalb Stunden über das Glasbläser-Handwerk gesprochen. Sein Handwerk - 1968 erwarb er den Meistertitel, 1998 wurde er Thüringens erster Innungsobermeister. Das Handwerk seiner Familie - seit Jahrhunderten bereits und schon wieder weiter bis in die Generation der Enkel. Das Handwerk seines Heimatortes Lauscha.

Alles, was er über dieses Handwerk und seine Ausübung an diesem Ort weiß, was andere Zeitzeugen aus Lauscha und der nahen Umgebung wissen, hat Müller-Schmoß zusammengetragen und aufgeschrieben. Nicht allein, auch Gunter Dreßler hat vier Jahre lang gesammelt und geschrieben. 1993 lernten sich der Glasbläsermeister und der Lehrer aus Suhl kennen. Dienstlich.

Gunter Dreßler mühte sich zu jener Zeit als Bildungschef der Handwerkskammer Südthüringen um die Wiederanerkennung des Glasbläserberufes, der 1967 in der Bundesrepublik aus dem Berufsverzeichnis der Handwerksordnung gestrichen worden war. Oft war Gunter Dreßler aus diesem Grund in Lauscha, fand bald die Unterstützung von Lothar-Müller Schmoß. Der vermochte dem Fremden mit seiner Arbeit und seiner umfänglichen Privatsammlung Einblick und Achtung für das Lauschaer Glas zu vermitteln. 1998 hatten sie ihr Ziel, die Anerkennung des Berufs, erreicht. Ihr Buchprojekt musste bis zum Ruhestand warten.

Premierenlesung in Suhl

Vor wenigen Tagen erst endete die Arbeit daran. Mit mehr als 360 Seiten sei es dicker geworden als ursprünglich geplant, erzählen die beiden am Montagabend bei ihrer Premierenlesung im Buchhaus Suhl. Das Interesse ist groß, fast achtzig Zuhörer sitzen vor ihnen, um die Glasgeschichte von und die Glasgeschichten aus Lauscha zu hören.

Es sind persönliche Episoden und Erinnerungen, erfragt in hundert Gesprächen mit Glasmachern und deren Angehörigen. Das Erzählte wird im Buch vielfach belegt von historischen Urkunden, Fotografien, Katalogen, Firmenvisitenkarten oder Zeitungsartikeln. Immer steht dabei das Handwerk im Mittelpunkt und jene, die es ausüben.

Dem Kunst-Urteil über die Glaserzeugnisse enthalten sich die Verfasser. Andere Autoren leisten das, wie Heidi Höhn und André Gutgesell mit ihrer im Frühjahr erschienenen Publikation über zeitgenössisches Lampenglas. Für den wissenschaftlichen Blick, den genauen historischen Abriss, nennt das Literaturverzeichnis Empfehlungen.

Wer aber neugierig ist auf die Arbeit der Glasbläser und die Anekdoten darüber, dem sei das Buch von Gunter Dreßler und Lothar Müller-Schmoß empfohlen. Die Lektüre der 29 Kapitel kann ganz nach Vorlieben erfolgen, jedes ist mit einer kurzen vorangestellten Einführung für sich allein verständlich. Um den Christbaumschmuck geht es natürlich, um die Perlenmacher, Augenprothetiker, Tieraugenmacher, um die Wortmarke "Lauschaer Glaskunst", um Glashütten, Ausstellungen, Berufsausbildung an der Fachschule, Firmenwerbung, Selbstständigkeit und so vieles mehr. Was nicht für ein eigenes Kapitel reichte, aber dem Leser keinesfalls enthalten werden sollte, ist zwischen den Kapiteln auf grau hinterlegten Seiten nachzulesen.

"Lauschaer Währung"

All das fügt sich kenntnisreich und kurzweilig zusammen. Ihr Buch ist tatsächlich eine Hommage auf diesen alten, seltenen Thüringer Handwerksberuf. Mit dieser Feststellung übertreiben die beiden Autoren bei ihrer ersten Lesung nicht. Eine ausgesprochen fleißige, herzliche, auch humorvolle Hommage. Die über die Seltsamkeiten der Lauschaer Doppelnamen ebenso zu berichten weiß wie über die "Lauschaer Währung", den zu DDR-Zeiten so enorm begehrten Baumschmuck.

Wem nun der Gedanke kommt, vor dem nahenden Fest noch einmal nach Lauscha zu fahren, um schönes Handwerk zu kaufen, der hat Lothar Müller-Schmoß und Gunter Dreßler gewiss nicht falsch verstanden.

Lothar Müller-Schmoß/Gunter Dreßler: "Lauschaer Glas. Glasgeschichte und Glasgeschichten", erschienen 2014 im Wehry-Verlag, 364 Seiten mit Abbildungen, 24,90 Euro. Die beiden Autoren lesen heute Abend ab 19 Uhr im Restaurant "Bürgerstube" in der Farbglashütte in Lauscha.