Feuilleton Hauptsache anders

Stefanie Grießbach

"Tatort: Züri brännt" - am Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen Viel Haut, viel Vergangenheit, viel Ambitionen.

 
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"Tatort: Züri brännt" - am Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen

Viel Haut, viel Vergangenheit, viel Ambitionen. Hauptsache, der neue Schweizer Tatort aus Zürich ist anders als der Vorgänger aus Luzern mit Flückiger und Ritschard. "Bloß nicht mehr so bieder!" schreit es aus jeder Szene. "Züri brännt" widmet sich einem Revoluzzer-Thema, beschäftigt zwei, eigentlich drei Powerfrauen, verortet die Ermittlerinnen neu und gegensätzlich: Die anarchisch angehauchte, aus dem Bauch heraus agierende Tessa Ott (Carol Schuler) kommt aus besseren Kreisen, die sich mühsam hochgearbeitete kopfgesteuerte Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) war jahrelang als Juristin in Den Haag am Staatsgerichtshof und träumt vom Chefsessel. Staatsanwältin Wegenast ist karrieregeil und strebt in Richtung Bundesrichterin, wozu sie Tessas einflussreiche Familie braucht. Es wird auf den Kohlendioxid-Ausstoß geachtet und Fahrrad gefahren.

Tatsächlich ist der erste Fall des ungleichen Ermittler-Duos aus Zürich moderner, temporeicher, geheimnisvoller. Eine Brandleiche mit Kopfschuss, frostiger Empfang der Kollegin, die nur dank Beziehungen den Job bekommen hat. Ein Schädel per Post, der einer hübschen verdeckten Ermittlerin zugeordnet werden kann, die vielen den Kopf verdrehte. Spuren, die in die Zeit der sogenannten Opernhauskrawalle führen, als die Fronten zwischen Polizei und Jugendbewegung hart und brutal waren.

Das liegt allerdings 40 Jahre zurück. So sind die Verdächtigen eine gealterte Punklady, ein kaltschnäuziger Journalist, der vom Rebellentum zum Establishment konvertiert ist, der Bruder, der nie über das tragische Verschwinden seiner Schwester hinwegkam, sowie ein Freund von Ott, der mit der Toten einst ein Verhältnis hatte und nach dem Fund der Leiche in seine Drogensucht zurückfällt. Eines haben die beiden Kommissarinnen immerhin gemeinsam: Tessa wird von ihrem besten Freund enttäuscht, Isabelle von ihrem geschätzten Chef.

Potenzial haben die eigenwilligen Frauen allemal - vorausgesetzt, sie werden künftig nicht penetrant gegen den Strich gebürstet. Die Figuren bieten gutes Konfliktmaterial, wenn sie sich weniger sinnlos gegenseitig beharken und tiefer ihre verletzliche Seite zeigen dürfen, die sie mit Sicherheit verstecken - ebenso wie die eine oder andere Leiche im Keller. Die in verschiedenen Zeitebenen verankerte, oft etwas effekthascherisch erzählte Geschichte hat durchaus interessanten Momente. Die ungewöhnliche Interpretation des buddhistischen Rückentattoos und die Idee, zwei Vermisste zu einer Toten zu verschmelzen, sind so kurzweilig und erfrischend wie die Schauspiellust des neuen Teams.

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