Feuilleton Goethes "Gipfel-Gedicht" wird 240 Jahre

Goethe muss ergriffen von seiner Wanderung auf dem Kickelhahn gewesen sein: Vielleicht war er aber auch etwas aufgebracht wegen Charlotte von Stein. Auf alle Fälle, glauben Fachleute, fühlte er viel in dem Moment, als er wohl am 6.

 
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Goethe muss ergriffen von seiner Wanderung auf dem Kickelhahn gewesen sein: Vielleicht war er aber auch etwas aufgebracht wegen Charlotte von Stein. Auf alle Fälle, glauben Fachleute, fühlte er viel in dem Moment, als er wohl am 6. September 1780 ein kurzes Gedicht an die Holzwand einer Jagdaufseherhütte schrieb: Die sechs Zeilen, die mit "Über allen Gipfeln ist Ruh..." beginnen, gingen um die Welt. Am Sonntag werden sie 240 Jahre alt.

"Warum er es an die Bretterwand geschrieben hat, wissen wir nicht", sagt Kathrin Kunze, Leiterin des Ilmenauer Goethe-Stadt-Museums. Er habe Bleistift und Papier bei sich gehabt. Kunze schlussfolgert: "Das Gedicht muss für ihn sehr wichtig gewesen sein." Noch heute oist es von Bedeutung - nicht nur aus lokalpatriotischer Perspektive. So streiten sich Philologen noch immer über den Titel des Gedichts. In einem autorisierten Erstdruck findet sich das Gedicht direkt unter einem anderen, das mit "Wandrers Nachtlied" überschrieben ist. Bei Abschriften des Gedichts findet sich jedoch kein Titel.

Zum Glück fotografiert

Aber auch die Entstehungsgeschichte der Zeilen sei spannend zu rekonstruieren, sagt Elke Richter vom Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. . Erst im August ist der vierte Band der historisch-kritischen Edition von Goethes Briefen erschienen. Darin auch ein Schreiben, das er möglicherweise am 6. September in der Jagdaufseherhütte an Charlotte von Stein verfasst hat. Und genau in diesem Brief stecken viele Anhaltspunkte für die Entstehungsgeschichte des Gedichts. "Darin beschreibt er die Stimmung, in der man sich vorstellen kann, dass das Gedicht entstanden ist", sagt Richter. "Und dann kommt in dem Brief, ein Strich, eine Leerstelle, wenn man so will." Das könnte der Moment gewesen sein, in dem er die Zeilen an die Hüttenwand schrieb.

Vor allem nach Goethes Tod wurde die Hütte zum Pilgerort für seine Verehrer. Das Ganze trieb seltsame Blüten: Ein Engländer soll einst versucht haben, das Holzstück mit dem Gedicht abzumontieren. Auch deshalb wurde das Original 1869 noch fotografiert. Ein Glücksfall, denn ein Jahr später brannte die Hütte mitsamt den Zeilen ab. Das historische Foto ist inzwischen in der Sonderausstellung "Poesie am Kickelhahn. Von Wandrers Nachtlied zum Gabelbachlied" im Goethe-Stadt-Museum zu sehen. Die Schau zeigt vor allem die spätere Rezeption des Gedichts. dpa

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