Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren." So steht es, will man dem Dichter Dante Alighieri (1265-1321) glauben, "in dunkler Schrift" über der Pforte geschrieben, die hinab in die Hölle führt. Der Autor der "Göttlichen Komödie" war schon zu Lebzeiten eine Legende. Wenn der alternde, aus seiner Heimatstadt Florenz verbannte Dichter durch die Straßen von Verona oder Ravenna schritt, sollen sich die Leute zugeraunt haben: "Das ist der Mann, der in der Hölle war!" Dort, in den tiefsten Höllenkreisen, war der literarische Jenseitspilger Betrügern, Selbstmördern, Bestechlichen, Heuchlern, Wahrsagern und sündigen Liebespaaren begegnet, auch dem Christus-Verräter Judas Iskariot und den Meuchlern Cäsars, Brutus und Cassius. Pikanterweise will Dante aber auch einige prominente zeitgenössische Widerlinge in Gottes Strafanstalt angetroffen haben, darunter den ihm verhassten Papst Bonifaz VIII. Und sie alle wurden von fiesem Teufelsvolk nach allen Regeln mittelalterlicher Folterkunst malträtiert.

Einige Hardliner im Vatikan mögen auch den amtierenden Papst Franziskus, dessen Reformeifer auszubremsen ihnen so viel Ungemach bereitet, zur Hölle wünschen. Dass Franziskus selbst noch an die Hölle glaubt, darf man indessen bezweifeln. Hartgesottenen Mafiabossen drohte das Oberhaupt der Katholiken zwar schon mal mit Höllenstrafen. In einem Gespräch mit dem greisen italienischen Journalisten Eugenio Scalfari, einem bekennenden Atheisten, soll Franziskus jedoch kürzlich die Existenz der Hölle infrage gestellt haben. In Scalfaris Text findet sich das Franziskus-Zitat: "Die Hölle gibt es nicht. Es gibt lediglich die Auslöschung sündhafter Seelen."

Der Vatikan hat diese Aussage prompt dementiert. Selbstverständlich existiere die Hölle, hieß es. Franziskus sei falsch zitiert worden. Aber was genau hat der Papst gesagt und was hat er gemeint? Darüber schweigt das vatikanische Dementi. Im katholischen Katechismus steht: "Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde sterben, kommen sogleich nach dem Tod in die Unterwelt, wo sie die Qualen der Hölle erleiden." Aber wie passt die Vorstellung ewiger Verdammnis zu jener von Gottes Gnade und Barmherzigkeit? Salomonisch heißt es weiter: "Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott." Es wäre ja auch befremdlich anzunehmen, der gütige Gott betreibe, fernab vom Paradies, ein Foltercamp. Der Präsident des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung, Erzbischof Rino Fisichella, formulierte das Dilemma dieser Tage so: "Ich gehöre der Schule an, die glaubt, dass die Hölle existiert, aber ich hoffe, dass sie leer ist."

Mag sein, die Kirche hat die Hölle einst erfunden, um Macht über die Seelen ihrer Schäflein zu erlangen. Hinter der Idee vom Weltenrichter und vom Jüngsten Gericht, hinter der Vorstellung von einem Ort des Strafens und einem der Belohnung, steckt freilich auch das tiefe Bedürfnis der Menschen nach Gerechtigkeit. Die Schuldigen, die sich hohnlächelnd der irdischen Gerechtigkeit entziehen, sie sollen sich wenigstens im Jenseits nicht ihrer Verantwortung entziehen können. Und ja, Menschen sind gut darin, sich Grausamkeiten auszumalen und in düsteren Rachefantasien zu schwelgen - und so geriet die Hölle zu jenem albtraumhaften Schreckensort, wie wir ihn aus den Bildern des Niederländers Hieronymus Bosch kennen. Aber was ist gerecht? Welche Strafe ist angemessen? Und wie könnten die Gerechten die Freuden des Paradieses genießen, während in den Abgründen der Hölle die Verdammten wimmern? Können Unrecht und Schmerz je gesühnt werden? In Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow" fasst Iwan Karamasow seine Empörung über die Leiden unschuldiger Kinder in die Worte: "Das leiseste Zucken des Schmerzes macht einen Riss in der Schöpfung von oben bis unten." Diesen Riss heilt keine Höllenstrafe.

Beim Casting für die ansehnliche Riege seiner Verdammten hat sich Dante bei den Schurken der Antike bedient, aber eben auch bei unlängst dahingeschiedenen missliebigen Zeitgenossen. Dante schöpft aus dem wirklichen Leben. Und ja: Die Hölle ist sehr real. Das weiß auch Franziskus. Was der Papst womöglich bezweifelt, ist ihre Verortung im Jenseits. Die Hölle hat viele Namen und Schauplätze: Auschwitz und Buchenwald sind zu nennen, die sowjetischen Gulags und die Todeslager der Roten Khmer, Verdun und Stalingrad, Hiroshima und Nagasaki, My Lai, Srebrenica, Guantanamo, Syrien. Eine endlose Liste. Selbst im Alltag und in der Familie schaffen Menschen es spielend, dass das Leben für sie selbst und andere zur Hölle wird. Wie heißt es in Shakespeares "Sturm": "Der Himmel ist leer und alle Teufel sind hier."