Mürrisch wäre noch beschönigt. Richtig hässlich ist das Wetter an diesem frühen Samstagnachmittag. Es nieselt, der Wind zerrt an den Blättern, 16 Grad - im besten Falle. Ein miserabler Tag, um auf dem Meininger Parkfriedhof den literarischen Verbandelungen der Stadt nachzuspüren. Etwa der Shakespeare-Begeisterung von Herzog Georg II. Oder der schriftstellerischen Potenz des Alpinisten und Geografen Ernst Adolf Schaubach. Zu ungemütlich ist es, um länger an den Gräbern Ludwig Bechsteins, Rudolf Baumbachs oder der Schiller-Schwester Christophine Reinwald zu verweilen.

Dennoch ist die Stimmung heiter bei der kleinen Gruppe, die Andreas Seifert die Wege hinauf und hinunter folgt. Der Leiter des Meininger Literaturmuseums Baumbachhaus führt kundige Gäste über den Friedhof. Sie sind sämtlich selbst Autoren, leben und arbeiten verstreut in den Dörfern und Städten des Freistaats. Einmal im Jahr aber kommen die Männer und Frauen für ein Wochenende zusammen, wenn sie der Thüringer Schriftstellerverband zu seiner Manuskriptwanderung lädt.

Lange schon ist es her, dass das Ziel so eines Treffens südlich des Rennsteigs lag. Mit der Unterstützung des Suhler Vereins Provinzkultur fiel die Entscheidung für Meiningen diesmal aber recht leicht. Bereits am Freitag reisten die rund zwanzig Autoren an. Um zunächst nur unter sich zu bleiben und zu diskutieren. Über das, was den Schreibtisch noch nicht verlassen hat, Manuskripte, bei denen es an einigen Stellen noch hakt, mit denen ihre Verfasser unzufrieden sind. Acht Minuten darf das Vorlesen von Prosa oder Lyrik dauern, dann urteilen die Kollegen. Ist die Passage zu langatmig, bleibt für den Leser etwas unverständlich?

Über Probleme reden

Die gemeinsame Arbeit an Texten ist der eine gute Grund, Jahr um Jahr an der Manuskriptwanderung teilzunehmen. Einen anderen nennt Anne Gallinat, die bis zum Frühjahr Vorsitzende des Thüringer Verbandes war und das Treffen in Meiningen auch organisiert hat: "Wir können mit wenig anderen über die Probleme unseres Berufes reden." So ein Problem ist die Suche nach einem seriösen Verlag mittlerer Größe, der ihre Bücher in sein Programm nimmt.

Schwierigkeiten bereitet auch die Handhabe von Lesungen. Verdi, unter dessen Dach die Schriftsteller des Landes organisiert sind, nennt zwar Richtwerte, Honorarsätze, unter denen keine Lesung zugesagt werden sollte. Üblich geworden sind die jedoch nicht. Zumindest nicht in den neuen Bundesländern, während in den alten ein anderes Selbstverständnis für Autoren und bei diesen herrsche, weiß Anne Gallinat.

Geredet wird aber nicht nur über Schwierigkeiten, über Amazons Gebaren am Buchmarkt etwa oder das ungewisse Schreiben anfänglich nur für die Schublade. Zwischen einigen Schriftstellern sind über die Jahre hinweg Freundschaften gewachsen. Schnell ist ein privates Gespräch begonnen, zerfällt die Autorengruppe bei der Stadtführung durch Meiningen oder bei der Wanderung am Samstagmorgen auf den Lieblingswegen des Dichters Walter Werner rund um Untermaßfeld.

Noch etwas fällt jedoch auf beim Anblick der plaudernden, spazierenden, wandernden Autoren: Anfänger sind sie alle nicht mehr, sondern gestanden im Beruf. "Für den Verband ist es schwierig, junge Mitglieder zu gewinnen", sagt sein neuer Vorsitzender Hans-Jürgen Döring. Die Literaten müssten sich stärker der Stimme besinnen, die sie in der Gesellschaft haben. Eine Möglichkeit dafür sind gemeinsame Buchprojekte wie die "Waldgeschichten", die in Kürze veröffentlicht werden. Oder gemeinsame Lesungen wie Samstagabend im Baumbachhaus. Der Höhepunkt dieser Meininger Landpartie. suw