Der Opfer von Krieg und Gewalt wurde am Sonntag bundesweit anlässlich des Volkstrauertages gedacht. Und auch der kommende Sonntag, der letzte des evangelischen Kirchenjahres, ist der Erinnerung an die Verstorbenen vorbehalten. Mit frischen Blumen und Gestecken schmücken die Hinterbliebenen zum Totensonntag die Gräber ihrer Lieben. Geschmückt werden jedoch nicht nur die letzten Ruhestätten der eigenen Angehörigen. Auch die Grabstätten von Geistesgrößen vergangener Jahrhunderte rücken am Ewigkeitssonntag gleich Mahnmalen in den Blickpunkt.

Eine von ihnen ist das Kleist-Grab am Kleinen Wannsee in Berlin. Am 21. November 1811 wählte der Dichter dort im Alter von nur 34 Jahren den Freitod, nachdem er seine krebskranke Begleiterin Henriette Vogel auf deren Wunsch mit einem Schuss in den Bauch getötet hatte. Weil es zu jener Zeit nicht gestattet war, Selbstmörder auf dem geweihten Boden eines Friedhofs zu beerdigen, Kleist in seinem Abschiedsbrief zudem keine Wünsche zu seinem Grab äußerte, bestattete man die beiden Toten nach der Obduktion an jenem Ort, den sie für ihren gemeinsamen Tod gewählt hatten.

Ideologische Vereinnahmungen des Grabes und Notlösungen wechselten einander in den vergangenen zwei Jahrhunderten ab. Bisher war auf dem einfachen Stein auf einem Hügel am Wannsee eine Zeile aus dem "Prinz Friedrich von Homburg" zu lesen: "Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein." Das umgebende Gelände in Berlins Südwesten präsentierte sich Besuchern in den vergangenen Jahren stark verwildert.

Neuer erster Grabspruch

Wenn sich Heinrich von Kleists Todestag am kommenden Montag zum 200. Mal jährt, wird seine Grabstätte ein anderes Aussehen haben. Für die Neugestaltung von Grab und Umfeld war von der Bundeskulturstiftung ein Wettbewerb initiiert worden, die Arbeiten in Höhe von 700 000 Euro finanzierte die Berliner Verlegerin Ruth Cornelsen. Der alte Stein wurde bearbeitet. Auf der bisher leeren, nun nach vorne gewendeten Seite ist erstmals auch der Name Henriette Vogel zu lesen.

Darunter steht der Vierzeiler von Max Ring aus dem Jahr 1862: "Er lebte, sang und litt / in trüber, schwerer Zeit. / Er suchte hier den Tod / und fand Unsterblichkeit." Die Nationalsozialisten hatten den alten Grabstein mit den Versen des jüdischen Dichters auf Weisung des Propagandaministeriums entfernt. Bereits ab heute gibt eine Stele vor dem Grabgelände Informationen zum Tod des Dichter und ein Audio-Walk führt vom S-Bahnhof durch die neue Promenade zur letzten Ruhestätte des literarischen Außenseiters.

Mag Kleist auch in diesem Jahr ob des Jubiläums eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden, so haben die Gräber von Dichtern und Denkern doch zu allen Zeiten eine große Faszination auf spätere Generationen ausgeübt. Einer, der immer wieder auf allen Kontinenten die Ruhestätten von Geistesgrößen aufgesucht hat, ist der niederländische Autor Cees Nooteboom.

In seinem aufwendigen Bildband erzählt er von gedanklichen Begegnungen im Angesicht protziger Monumente oder schlichter Steine. Er war etwa im spanischen Portbou, wo sich Walter Benjamin 1940 auf der Flucht vor der Gestapo das Leben nahm. Heute erinnert dort ein begehbares Landschaftsdenkmal an den jüdischen Philosophen. Vor seinem Grab auf dem Friedhof der kleinen Gemeinde zitiert eine Tafel Benjamin: "Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein."

Reliquien verloren

Ungleich schwerer wird die Suche nach den Grabstätten von Persönlichkeiten aus Antike und Mittelalter. So gehen etwa bereits in den Wirren der Reformationszeit Reliquien der heiligen Elisabeth verloren. Noch komplizierter wird es bei Barbarossa. Gemäß der sogenannten deutschen Sitte, einer Form der Konservierung, wurden Fleisch, Knochen und Eingeweide des Herrschers getrennt voneinander bestattet. Die Sage hingegen ist sich sicher, dass der Kaiser im Inneren des Kyffhäusergebirges ausharre, bis zu der Zeit, wenn Deutschland in seiner alten Herrlichkeit wiedererstehe. Spätestens hier, im Abstand der Jahrhunderte, weicht die Trauer gänzlich der Faszination an den wohlbekannten Toten.

Cees Nooteboom: "Tumbas. Gräber von Dichtern und Denkern", Verlag Schirmer/Mosel, 2006, 39,80 Euro; Stephan Elbern, Katrin Vogt: "Wo liegt eigentlich begraben? - Grabstätten historischer Persönlichkeiten aus Antike und Mittelalter", Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz, 2011, 14,90 Euro.